Widerstandsfähig. Der Gründer von Airbnb empfindet es als Kompliment, dass Airbnb als Kakerlake bezeichnet wurde. Grafik: promo/noun project/eigene Collage

»Die Kakerlaken der Startups«

Vor zehn Jahren begann der Aufstieg von Airbnb. Wie das Startup überhaupt überleben konnte, ist erstaunlich. Der größte Gegner lauerte einst in Berlin.

Brian Chesky schlägt sich mal wieder mit Berlin herum. Der Airbnb-Gründer schickte kürzlich seinen Cheflobbyisten in die Hauptstadt. Er überbrachte dem Senat das Angebot, Programmierer aus dem Silicon Valley nach Berlin einzufliegen, um kurzfristig eine gemeinsame Online-Registrierung zu bauen. Denn Berlin verlangt seit 1. August von allen, die auf Airbnb Zimmer oder Wohnungen anbieten, eine Registriernummer. In vielen Fällen sind zusätzlich Genehmigungen fällig, die 225 Euro kosten. Das Prozedere ist jedoch umständlich, der Senat hat es noch nicht geschafft, die Ausführungsbestimmungen für das Gesetz vorzulegen. So interpretieren Bezirke und Senat unterschiedlich, wer überhaupt eine Registriernummer braucht und welche Unterlagen für die Genehmigungen nötig sind. Weniger als 800 Anträge sind bislang in ganz Berlin eingegangen. Eine Online-Registrierung könnte das vereinfachen, sagt Airbnb.

Zimmervermittler. Brian Chesky ist der Gründer von Airbnb. Foto: promo

Der Senat wies den Vorschlag zurück und verlangte stattdessen einmal mehr die Herausgabe von Daten zu Nutzern, die „Wohnraum zweckentfremden“. Finanzsenator Kollatz-Ahnen (SPD) will zudem für die vergangenen zehn Jahre prüfen, ob Vermieter ihre Einnahmen ordentlich versteuert haben. Damit zieht die Stadt noch einmal die Daumenschrauben gegenüber der Plattform an.

Auch New York und München gehen gegen Airbnb vor

Solche Konflikte gibt es in vielen Städten, weltweit versuchen Lokalpolitiker das Phänomen Airbnb mit strengen Regeln unter Kontrolle zu bekommen. Aus dem kleinen Startup, dass vor zehn Jahren mit der Idee startete, Nutzer könnten Luftmatratzen und Frühstück (Airbed and Breakfast) vermieten, ist längst ein Großkonzern geworden. Fünf Millionen Unterkünfte in 191 Ländern listet Airbnb. Zum Vergleich: Der weltgrößte Hotelkonzern Marriott hat mit seinen rund 30 Marken etwa 1,3 Millionen Zimmer im Angebot.

Vor allem bei vielen Städtetouristen hat Airbnb die Art des Reisens verändert (http://digitalpresent.tagesspiegel.de/was-nach-airbnb-kommt )und macht Hotels massiv Konkurrenz. Allein in Berlin bietet die Plattform mehr als 25000 Übernachtungsangebote. In vielen Städten wird Airbnb daher jedoch für steigende Mieten mitverantwortlich gemacht. So fordert München nun von der Plattform Daten zu allen Wohnungen, die mehr als acht Wochen pro Jahr angeboten werden und droht mit 300000 Euro Zwangsgeld. Auch in New York hat der Bürgermeister gerade eine Verordnung unterzeichnet, die Anbieter wie Airbnb zwingt, Daten zu den Vermietern rauszugeben.

4200 Berliner Wohnungen dauerhaft angeboten

Die Größe des Airbnb-Effekts auf den Wohnungsmarkt ist jedoch schwer zu beziffern. So werden laut dem Portal „Insideairbnb“ in Berlin 26.300 Übernachtungsmöglichkeiten angeboten, davon sind 4200 komplette Wohnungen, die mehr oder weniger ganzjährig angeboten werden. Bei insgesamt 1,9 Millionen Wohnungen in der Stadt dürfte die Mietexplosion der jüngsten Vergangenheit noch einige andere Ursachen haben als Airbnb.

Doch klar ist auch, dass ein Großteil der Angebote gerade in den ohnehin gefragten Bezirken liegt. Und auch wenn ein großer Teil der Anbieter gelegentlich einzelne Zimmer anbietet und damit die klassische Sharing-Idee weiterverfolgt, gibt es eben auch professionelle Vermieter, die ihre Wohnungen lieber dauerhaft an Touristen vermieten (http://digitalpresent.tagesspiegel.de/die-falschen-versprechen-der-sharing-economy0). In gut 2800 Fällen offerieren sie in Berlin gleich mehrere Angebote. Inzwischen gibt es sogar Startups wie Airgreets, Airhosted oder Misterporter, die Vermietern die Betreuung abnehmen.

So wird Airbnb zum Teil auch Opfer seines eigenen Erfolges. Und mancher, der auf Reisen selbst gern dort bucht, findet es weniger toll, wenn im eigenen Kiez normale Wohnungen in Urlaubsunterkünfte verwandelt werden. Es ist ein Dilemma, denn manchmal ist Airbnb nicht nur Teil des Problems, sondern auch der Lösung: So gibt es auch Fälle, in denen sich Menschen hohe Mieten nur leisten können, indem sie gleichzeitig Zimmer auf der Plattform vermieten.

Auch Airbnb-Gründer konnten Miete nicht zahlen

Solche Probleme gab es freilich schon vor Airbnb, letztlich sind sie sogar der Grund dafür, dass die Plattform überhaupt existiert. Firmengründer Chesky war 2007 nach San Francisco gezogen, doch weil er schon bald seinen Mietanteil von 1200 Dollar nicht bezahlen konnte, beschlossen er und sein Kumpel Joe Gebbia, Schlafplätze auf Luftmatratzen an Besucher einer Designkonferenz zu vermieten. Sie bauten eine erste Website und begannen, Übernachtungen während anderer Veranstaltungen zu vermitteln. Es sollte eine Übergangslösung sein, bis sie eine richtig große Startup-Idee hätten.

Der Designer Michael aus Salt Lake City war vor zehn Jahren einer der ersten drei Airbnb-Gäste – damals noch auf einer Luftmatratze in der Wohnung der Gründer. Foto: promo

Der Erfolg war überschaubar: Bei der Digitalkonferenz SXSW hatte Airbnb 2008 einen Kunden, beim Parteitag der Demokraten mit 80.000 Besuchern buchten 80 Leute. Investoren sagten reihenweise ab, keiner glaubte, dass Menschen massenhaft Fremde bei sich wohnen lassen würden. Die Gründer standen vor dem Aus, um ihre Schulden bezahlen zu können, gestalteten die gelernten Designer Müslipackungen mit Politikerbildern im Cartoon-Stil. Ihre letzte Hoffnung war dann ein Nachhilfekurs für Startups bei Y-Combinator. Der Anbieter wurde dank des späteren Erfolgs von Airbnb zum Vorbild für viele dieser Accelerator-Programme auch hierzulande. Bei einem Vortrag an der Stanford Universität erinnerte sich Chesky an das erste Treffen mit dem Gründer von Y-Combinator: „Er sagte uns, wir seien die Kakerlaken der Startups, die alles überleben könnten. Das war das beste Kompliment, das wir je bekommen hatten.“

Warnung vor den Samwer-Brüdern

Von da an ging es aufwärts. Airbnb begann zu wachsen. Das wurde auch bald in Berlin registriert, wo vor allem die Samwer-Brüder mit Rocket Internet neue US-Ideen gnadenlos kopierten. „Wir wurden vor den Samwers gewarnt“, sagt Chesky. Tatsächlich starteten sie 2011 den Airbnb-Klon Wimdu, steckten 90 Millionen Dollar hinein, öffneten in wenigen Monaten Büros in 20 Ländern und heuerten 400 Leute an. Airbnb hatte zu diesem Zeitpunkt 40 Mitarbeiter. Eine „existenzielle Bedrohung“ sei der Konkurrent gewesen, sagt Chesky. „Andrew Mason warnte uns, dass die Samwer-Brüder unbarmherzig waren und alles tun würden, um uns zu töten.“

Mason hatte damals das Schnäppchenportal Groupon gegründet und den Samwer-Klon CityDeal geschluckt, der im Rekordtempo Europa besetzte. Es war damals die Strategie von Oliver Samwer und seinen Brüdern, eine so erfolgreiche Kopie zu erschaffen, dass das Original daran nicht vorbeikam. „Sie haben uns auch angeboten, ihren Klon zu kaufen“, sagt Chesky. Doch der lehnte ab. Diesen Rat hatte er sich zuvor bei Mark Zuckerberg geholt. Das bessere Produkt würde gewinnen, sagte der Facebook-Chef.

Auch Berlusconi half nichts

Er sollte Recht behalten. Airbnb forcierte die Expansion in Europa und stellte selbst 100 Leute ein. Wimdu war dagegen weit weniger erfolgreich als viele andere Samwer-Firmen. Es gab immer wieder Entlassungen. Als weiteren Investor konnten die Berliner nur Silvio Berlusconis Mediaset gewinnen, in fünf Jahren häufte das Startup fast 60 Millionen Euro Verluste an. Lange suchten die Samwers einen Käufer, 2016 dann wollte Wimdu mit dem ebenfalls kriselnden Hamburger Wettbewerber 9Flats fusionieren. Kurz darauf wurde Wimdu vom US-Reisekonzern Wyndham übernommen, zu dem die Hotelkette Ramada und der Ferienwohnungsvermittler Novasol gehören. In diesem Februar gab es dann den nächsten Verkauf: Der Finanzinvestor Platinum Equity übernahm das europäische Geschäft von Wyndham.

Wimdu beschäftigt noch 130 Mitarbeiter, etwa die Hälfte davon in Berlin. Die Plattform bietet nach eigenen Angaben 350000 Ferienwohnungen an. „Wir wollen wieder wachsen“, sagt ein Wimdu- Sprecher. Ein Fokus liegt auf Skandinavien, weiteres müsse noch geplant werden. Er räumt auch ein, dass die Eigentümerwechsel beim Umsetzen einer Wachstumsstrategie nicht immer geholfen hätten. Zudem hat auch Wimdu mit dem politischen Widerstand in Städten wie Berlin zu kämpfen. Die Plattform hat gegen das Zweckentfremdungsverbot geklagt. „Wir rechnen damit, dass das Verfassungsgericht noch in diesem Jahr entscheidet“, sagt der Sprecher. Das könnte dann womöglich auch dem alten US-Rivalen Chesky helfen.