Abgestürzter Foto-Dinosaurier: Kodak musste 2012 Insolvenz anmelden. Foto: Adam Fenster/Reuters

Ein Berliner will Kodak mit Digitalwährung wiederbeleben

Die eigene Kryptowährung KodakCoin soll das Geschäft mit Fotos umkrempeln. Ein anderer Berliner macht dabei Konkurrenz.

Für Menschen wie Jan Denecke wurde das Wort umtriebig erfunden. Der 44-Jährige arbeitet als Rechtsanwalt in der eigenen Berliner Kanzlei Denecke, Priess & Partner. Deutlich mehr Menschen kennen wahrscheinlich eines seiner Nebenprojekte: Denecke ist seit drei Jahren einer der Macher des „Haubentaucher“, ein hipper Club mit riesigem Pool auf dem RAW-Gelände im Friedrichshain, bei dem auch Promis wie Til Schweiger gern einmal vorbeischauen. Zuvor hatte er mit Partnern schon eine Strandbar hinter der East-Side-Gallery betrieben.

Aktienkurs mit Kryptoplan vervierfacht

Doch jetzt plant Denecke seinen größten Coup: Er will den Foto-Dinosaurier Kodak widerbeleben. Dafür entwickelt er mit seinem Team gerade eine eigene Digitalwährung, den KodakCoin. Allein die Ankündigung sorgte im Januar für Euphorie bei den Aktionären. Auf einen Schlag vervierfachte sich der Aktienkurs. Ist das nur die neueste Episode des grassierenden Irrsinns um den Bitcoin und andere Kryptowährungen oder tatsächlich eine Chance für den abgestürzten Pionier der Fotografie?

Das 1890 gegründete US-Unternehmen war über Jahrzehnte einer der führenden Anbieter von Filmen und anderem Fotozubehör. Doch obwohl Kodak 1991 die erste Digitalkamera auf den Markt gebracht hatte, geriet es durch die Digitalisierung in eine massive Krise und stellte 2012 einen Insolvenzantrag. Das ursprüngliche Kerngeschäft der Filmproduktion wurde verkauft und Kodak positioniert sich nun als Technologieunternehmen. Zudem lizensiert das Unternehmen seine weiterhin populäre Marke, unter der Partnerfirmen von Kameras über Smartphones, Fernseher und Drohnen bis hin zu Skateboards eine enorm breite Palette von Produkten anbieten.

KodakCoin soll 20 Millionen Dollar einbringen

Und bald auch eine Bitcoin-Alternative. Am 31. Januar soll es losgehen, dann können Interessenten den KodakCoin zum ersten Mal kaufen. Über ein sogenanntes “Initial Coin Offering (ICO)” - das Pendant der Kryptowelt zum Börsengang, der im englischen mit IPO (Initial Public Offering) abgekürzt wird, werden die Digitalmünzen gegen harte Dollar angeboten. Mindestens 20 Millionen Dollar sollen dabei zusammenkommen. Eigentlich eine überschaubare Summe, schließlich verspricht Kodak dabei nichts weniger als “eine neue Ökonomie der Fotografie”. Fotografen und Bildagenturen sollen nämlich mit dem Kodakcoin viel einfacher die Rechte an Bildern verkaufen können.

Genau deswegen leitet Jan Denecke das Projekt, denn der Anwalt beschäftigt sich seit 15 Jahren vor allem mit Urheberrechtsverletzungen. “Es wird schon lange nach Lösungen für unberechtigte Nutzungen im Internet gesucht”, sagt Denecke. Doch ob Kopierschutz oder Wasserzeichen, die bisherigen Varianten konnten nie erfolgreich verhindern, dass im Digitalzeitalter Inhalte widerrechtlich kopiert werden.

“Schlüssel zur Lösung eines unlösbaren Problems”

Das soll sich jetzt ändern und wie so viele andere Branchen, hoffen Kodak und Denecke dabei auf die Blockchain, die Technologie hinter Kryptowährungen wie dem Bitcoin. Kodak-Chef Jeff Clarke bezeichnet sie als “Schlüssel zur Lösung eines unlösbaren Problems”. Die Blockchain ist letztlich eine dezentrale Datenbank in der alle Transaktionen gespeichert werden und von allen Nutzern eingesehen werden können. “So kann man den Lebenslauf eines Bildes festschreiben”, sagt Denecke. Es könne gespeichert und nachvollzogen werden, wer das Bild ursprünglich gemacht hat, an welche Fotoagenturen es verkauft wurde und wer dann dort wiederum Lizenzrechte erworben hat.

Hoffen auf „neue Ökonomie der Fotografie“. Kodak-Chef Jeff Clarke und KodakOne-Macher Jan Denecke. Foto: Promo

Denn gerade die Lizenzabfragen seien bei der Nutzung von Bildern oft der Flaschenhals. Oft gäbe es Menschen, die ein Foto legal nutzen möchten und nicht wissen, wie und wo man die Rechte dazu erwerben könne. Mit der Plattform KodakOne und der Blockchain soll das künftig ganz einfach werden. Ein bisschen dauert die Entwicklung jedoch noch: Ende 2018 soll die Betaversion für Agenturen verfügbar sein, im zweiten oder dritten Quartal 2019 solle die Plattform dann auch Fotografen offenstehen.

Doch vorher will ein anderer Berliner dem Kodak-Team einen Strich durch die Rechnung machen. Denn Marcus Schmitt arbeitet an genau der gleichen Idee. Copytrack-Token heißt seine Digitalwährung und bis Freitag hat er davon schon fast zehn Millionen Einheiten verkauft. Etwa 7,5 Millionen Euro hat Schmitt dabei von mehr als 11.000 Interessenten eingenommen.

„Trotzdem war ich etwas erschrocken, als ich von dem Kodak-Projekt gehört habe“, sagt Schmitt. Schließlich habe der Name eine enorme Zugkraft. Und vor allem hat er sich geärgert, dass plötzlich ein vermeintlicher Nachahmer auf den Markt trat. „Wir wussten schnell, woher sie die Idee haben“, sagt Schmitt. Schließlich kennt er Denecke gut, beide haben in der Vergangenheit schon zusammengearbeitet. Der wiederum weist den Vorwurf des Ideenklaus zurück. Schließlich würde schon länger versucht, die Blockchain zum Management für Urheberrechte zu nutzen. Und die Planungen für das Projekt liefen schon seit Monaten, solange hätten sich jedoch auch die Verhandlungen mit Kodak hingezogen.

Konkurrent Copytrack treibt Geld für geklaute Bilder ein

Schmitt ist Chef der Plattform Copytrack, das Unternehmen aus Kreuzberg hilft Fotografen im Kampf gegen Bilderklau. Die können ihre Fotos bei Copytrack hochladen, 60 Millionen Bilder stehen schon auf der Plattform. Dann durchsucht das Unternehmen automatisch das Internet danach ab, ob diese woanders auftauchen. Wenn das ohne Erlaubnis des Fotografen passiert, versucht Copytrack Lizenzgebühren einzutreiben. Das geschieht jeden Monat bis zu dreitausend Mal, dabei kommen Forderungen von zwei Millionen Euro zusammen. Im Erfolgsfall behält Copytrack eine Provision von 30 Prozent ein.

Künftig soll das alles mit der neuen Digitalwährung und einem Register in der Blockchain noch einfacher werden. Das soll schon im zweiten Quartal dieses Jahres verfügbar sein – und damit deutlich früher als die Kodak-Konkurrenz. Die sieht Schmitt daher inzwischen auch viel gelassener. Denn da Copytrack bereits 5000 Kunden habe, sieht er sich in einer deutlich besseren Marktposition.

Zweifel am Blockchain-Projekt

Denn so gut die Projekte in der Theorie klingen, praktisch wird ihr Erfolg davon abhängen, ob eine kritische Masse an Fotografen und Bildagenturen die neue Technologie auch nutzt.

Doch egal ob Fotografen künftig nun ihre Bilder in der Blockchain von Copytrack oder Kodak speichern, eine zentrale Frage ist weiterhin ungeklärt: Wieso soll die Speicherung von Bildrechten in der Blockchain verhindern, dass diese trotzdem kopiert und anderer Stelle genutzt werden? Das könne sie auch nicht, müssen beide einräumen. Dafür mache sie das Verfolgen und Eintreiben von Rechten einfacher. „Man kann sich den ganzen Umtauschwahnsinn und buchhalterischen Aufwand sparen“. sagt Denecke. Denn wenn heute ein Fotograf aus Japan Geld für eine Bildnutzung aus den USA verlange, werden oft schon für Gebühren bei den Auslandsüberweisungen mittlere zweistellige Beträge fällig.

Bruce Pon hat trotzdem seine Zweifel, ob das gelingt. Er hat das schließlich selbst probiert: Schon 2013 gründete der das Berliner Startup Ascribe und bot Künstlern die Möglichkeit, die Rechte an ihren digitalen Werken in der Blockchain zu speichern. „Wir waren unserer Zeit voraus“, sagt Pon, der sich nun auf die Blockchain-Datenbank BigchainDB konzentriert. Doch unabhängig davon gebe es bei so einem weltumspannenden Rechteverwaltungsprojekt viel zu viele ungeklärte technische, rechtliche und organisatorische Fragen. „Das bestehende Modell mit ein bisschen Blockchain hier und da zu überarbeiten wird nicht funktionieren“, sagt Pon.