Spielende Wirtschaft. Das Weltraumspiel „Dreadnought“ des Berliner Spieleherstellers Yager Entertainment ist derzeit eines der erfolgreichsten aus Berlin. Grafik: promo/Yager Entertainment

Weltraumschlachten in Kreuzberg

Zuletzt baute die deutsche Computerspiel-Branche zahlreiche Stellen ab – auch in Berlin. Die Hauptstadt lässt sich davon nicht einschüchtern: Nun erscheinen gleich mehrere Spiele mit guten Erfolgsaussichten.

13,1 Millionen sind eine beeindruckende Zahl. Gerade dann, wenn es sich um Karotten dreht. Nicht das Gemüse, das jährlich durch Berlins Küchen wandert. Sondern die 13,1 Millionen Karotten, die binnen eines Monats im Computerspiel Albion Online geerntet wurden. Schauplatz ist eine mittelalterliche Fantasy-Welt, in der die Spieler wahlweise Kämpfer, Farmer, Händler oder Handwerker sein können. Eine Welt mit Warenhandel und epischen Schlachten.

Im umkämpften Computerspielmarkt ist Albion Online schon jetzt sehr erfolgreich. Die Macher vom Berliner Spielestudio Sandbox Interactive vermeldeten schon in der Testphase mehr als 200.000 Nutzer. Schon vorab haben die Nutzer „Starter-Pakete“ gekauft, um in der Online-Welt spielen zu können. Und Sandbox Interactive damit einen Umsatz von rund 10 Millionen Dollar beschert. Das 50-köpfige Team aus der Pappelallee in Prenzlauer Berg arbeitet nun pausenlos am Ausbau des fiktiven Königreichs, um die Spieler bei der Stange zu halten.

Letztes Jahr wurden viele in der Games-Branche entlassen

Der Erfolg macht der Branche Mut. 2016 war für den Games-Produktionsstandort Deutschland kein sonderlich gutes Jahr: Die Zahl der Beschäftigten sank um 13 Prozent auf 11.140, wie der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) ermittelte. Besonders hart traf es das Hamburger Studio Goodgame, dessen Neuproduktionen nicht den erhofften Erfolg brachten: Von 1200 Mitarbeitern blieben nur 350 übrig. Auch das Berliner Unternehmen Wooga musste 2016 erstmals Kündigungen aussprechen: Die Zahl der Mitarbeiter sank von 300 auf 250. Zwar dürfte der Standort dadurch gestärkt werden, dass der französische Spielegigant Ubisoft noch 2017 ein Berliner Studio mit 50 Mitarbeitern eröffnet, wo internationale Blockbuster produziert werden sollen. Dass die hiesige Games-Branche weiterhin quicklebendig ist, zeigen aber vor allem Start-ups, die hier gegründet werden – und teils ungewöhnliche Ideen mitbringen.

Wie das geht, zeigt die Charlottenburger Firma Thoughtfish. Anfang der Woche veröffentlichte sie „Fightlings“, ein Spiel für Smartphones und Tablets. Das Spiel ähnelt dem Welterfolg Pokémon Go: Auch hier wird die reale Umgebung ins Spiel einbezogen, also Straßen, Plätze, Parks und andere öffentliche Orte. Die Spieler suchen allerdings nicht nach virtuellen Monstern wie in „Pokémon Go“, sondern nach Ressourcen wie Wasser oder Sand. Mit denen beschwören sie Kreaturen, die dann gegen die Monster anderer Spieler antreten. In „Fightlings“ spielen neben dem Ort auch Uhrzeit und Wetter eine Rolle: So finden Teilnehmer bei Sonnenschein auf einem Spielplatz wahrscheinlich Sand, bei Regen eher Matsch. Um die Ressourcen zuzuordnen, zapft Thoughtfish verschiedene Datensätze an. „Wir verwenden zum Beispiel Kartendaten, Tidenhub, Mondphasen und Wetterdaten“, sagt Thoughtfish-Gründerin Christina Barleben, früher Anwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Mit „Fightlings“ will das zehnköpfige Team Spieler an die frische Luft locken. Selbst alltägliche Erledigungen wie Einkaufen oder Gassigehen mit dem Hund sollen dadurch mehr Spaß machen.

Medienboard fördert Spieleindustrie

Beim Geschäftsmodell unterscheidet sich Thoughtfish graduell von Sandbox Interactive. Während die Albion-Macher „Starter-Pakete“ und Spielwährung verkaufen, setzt „Fightlings“ komplett auf „free-to-play“: Spieler können die App gratis herunterladen, Geld verdient Thoughtfish mit dem Verkauf virtueller Gegenstände im Spiel. Die Produktion von „Fightlings“ hat das Medienboard Berlin-Brandenburg mit 48.000 Euro gefördert, einem zinslosen Darlehen, das nur im Erfolgsfall zurückgezahlt werden muss. Weitere Gelder erhielt Thoughtfish von der Investitionsbank Berlin.

Das Medienboard ist die zentrale Anlaufstelle für Studios in der Hauptstadtregion, die öffentliche Fördergelder anstreben. Das Förderprogramm für Innovative Audiovisuelle Inhalte verfügt über ein Jahresbudget von 1,3 Millionen Euro für Spiele, Virtual-Reality- und Transmedia-Projekte. Das EU-Förderprogramm „Creative Europe Media“ stellt weitere drei Millionen Euro zur Verfügung.

Welraumschlachten aus Kreuzberg

Anders als Thoughtfish gehört das Kreuzberger Unternehmen Yager zu den traditionsreichen Berliner Spielestudios: Bereits 1999 gegründet, machte es sich 2012 mit dem Antikriegsspiel „Spec Ops: The Line“ einen Namen.

Yager befindet sich gerade in einer heißen Phase. Rund 100 Mitarbeiter aus 16 Nationen arbeiten in der Pfuelstraße aktuell daran, dass ihr Spiel „Dreadnought“ wie geplant im August auf der Spielekonsole Playstation 4 erscheint. Die PC-Version des grafisch beeindruckenden Strategiespiels mit riesigen Raumschiffen ist schon verfügbar.

Neuland betritt Yager bei der Monetarisierung: Ihre bisherigen Spiele kosteten zwischen 50 und 70 Euro. „Dreadnought“ ist das erste Free-to-play-Projekt: Ähnlich wie bei „Fightlings“ können sich Spieler aber Waffen, Schilde oder zusätzliche Energiequellen im Spiel kaufen. Umso wichtiger ist aber, dass die Balance in den Multiplayer-Schlachten gewahrt bleibt.

Gamer-Austausch

Ob Thoughtfish, Yager oder Sandbox Interactive: Sie alle profitieren von der Attraktivität des Standorts. „Berlin ist eine tolle Stadt, die viele Talente anzieht“, sagt Christina Barleben. „Wir haben verschiedenste Schulen und Unis, die uns talentierten Nachwuchs liefern.“ Auch Verbände helfen beim Aufbau internationaler Verbindungen. Zum Beispiel BerlinBalticNordic.net, eine Initiative des Netzwerks der Medien- und Digitalwirtschaft „media:net berlinbrandenburg“: Sie knüpft Kontakte zwischen Berlin und den baltischen und nordischen Ländern. „Das Ziel von BBN.net ist es, ein nachhaltiges Netzwerk für die Start-up-, Games- und digitalen Medienindustrien aufzubauen“, sagt Projektleiterin Rebecca Lautner.

Ende April gastierten Berliner Start-ups in der estnischen Hauptstadt Tallinn; Anfang Juli besuchten baltische, ukrainische, polnische und finnische Spieleentwickler im Gegenzug die Hauptstadt im Rahmen von „48h Berlin“. Die Teilnehmer besuchten große Spielestudios wie GameDuell, Wooga und Yager. Dessen Geschäftsführer Timo Ullmann begrüßt die Initiative: „Wir sind immer daran interessiert, neue Entwickler kennenzulernen. Manchmal ist das der Beginn einer Zusammenarbeit.“ Weitere Programmpunkte waren das Independent-Zentrum Saftladen in der Adalbertstraße, wo unter anderem die Firmen „Maschinen-Mensch“ und das „Studio Fizbin“ zu Hause sind. Auch Exozet am Platz der Luftbrücke empfing die Besucher. Dort werden Virtual-Reality-Projekte entwickelt. Der internationale Austausch soll im Oktober weitergehen: Dann steht „48h Warschau“ auf dem Programm.