Ein Hertz für Tiere
Der zeitgenössische Diskurs über die Wirkmacht des Internets krankt an thematischer Verengung. Im Vordergrund steht, zumindest hierzulande, fast immer die Frage, welche Vor- und Nachteile die Digitalisierung dem Menschen bringt. Kurz: Was nutzt uns das Internet? Viel zu selten wird erörtert, was das Internet eigentlich unseren Haustieren nutzt.
In den USA und Australien sind sie schon weiter. Startups haben Hunde- und Katzenhalsbänder mit GPS-Funktion entwickelt. Auf dem Smartphone kann der Halter jederzeit sehen, wo sich sein Tier gerade aufhält. Ausgereiftere Modelle zählen Schritte mit, messen Spitzengeschwindigkeiten, dokumentieren Kalorienverbrauch und Schlafzeiten. Sie errechnen, ob sich ein Tier für sein Alter genügend bewegt. Das Halsband „FitBit“ (270 Euro) zeichnet zudem Herzschlag und Atemfrequenz auf, bei besorgniserregenden Langzeitveränderungen schlägt es Alarm. Ein Modell für Katzen misst die Höhe der Sprünge. Zu kleine Distanzen können ein Indiz für Arthrose sein.
Die unsichtbare Leine
Einen besonderen Service bietet das Halsband des Konkurrenten „FitBark“ (70 Euro). Schnallt sich der Halter einen eigenen Sender um, verrät die App im „Challenge-Modus“ jeden Abend, wer von beiden sich an diesem Tag mehr bewegt hat. Was allerdings unfair ist. Das Tier ahnt ja nicht, dass es sich um einen Wettbewerb handelt.
Wie immer gilt: Die technische Innovation lässt sich auch für destruktive Zwecke nutzen. Das Halsband „SportDog TEK“ (500 Euro) etwa vibriert unangenehm, sobald das Tier eine vorher festgelegte unsichtbare Linie überschreitet. So bleibt es im Garten, selbst wenn mal die Pforte offensteht. „SportDog TEK“ ist quasi Elektrozaun und elektronische Fußfessel in einem.
Babyfon für den Hund
Dann gibt es „PetChatz“ (350 Euro). Eine Plastikbox, die an einer Wand in der Wohnung auf Augenhöhe des Haustieres angebracht wird. Sie ist für Hunde und Katzen gedacht, die tagsüber mehrere Stunden alleingelassen werden, weil ihre Bezugsperson zum Beispiel arbeiten muss. PetChatz hat Bildschirm und Lautsprecher, sodass der Halter von unterwegs übers Smartphone anrufen und dann auf das Tier einreden kann. Per Knopfdruck spuckt der Apparat Leckerlis aus und kann vorher gespeicherte Geruchsproben freisetzen. Bei Youtube findet sich ein Video, in dem eine Verhaltenstrainerin erklärt, wie man sein Tier am besten an die neue Technik gewöhnt. 1. Enthusiastisch auf das Gerät hinweisen. 2. Dran schnuppern lassen.
Wegen des kommerziellen Erfolgs hat das Unternehmen inzwischen ein Zusatzgerät auf den Markt gebracht: einen kaffeetassengroßen, am Boden liegenden Sensor, der registriert, wenn eine Pfote dagegentippt. So kann das Tier nun auch seinen Menschen kontaktieren. Erste Erfahrungsberichte auf Amazon klingen verhalten positiv. Eine Käuferin schreibt, ihr Hund habe sie bereits einmal angerufen. Bloß sei sie sich nicht sicher, ob es Sehnsucht oder Zufall war.
Roboter fürs Gassigehen
Klingt alles überflüssig? Ist ja erst der Anfang. Experten schätzen, dass der jährliche weltweite Umsatz für digitale Haustierprodukte bald zwei Milliarden US-Dollar ausmachen wird. Gearbeitet wird etwa an Robotern, die bei schlechtem Wetter das Gassigehen übernehmen. Als Killerapplikation könnte sich nach Markteinführung das im US-Bundesstaat New York entwickelte Bändchen namens „DogStar“ erweisen. Es wird um den Schwanz eines Hundes geschnallt und soll dann aus der Art des Wedelns feinste Unterschiede in der emotionalen Verfassung seines Trägers errechnen.
Diese Kolumne ist in gedruckter Form im Sonntags-Magazin des Tagesspiegels erschienen. Sie können ihm auf Twitter unter @TSPSonntag folgen.