Google überholt Apple

Wer weiß am besten über seine Nutzer und ihr (künftiges) Leben Bescheid? Die Antwort entscheidet den Kampf der Internetkonzerne.

Es ist ein Etappensieg im Wettkampf um die Zukunft. Als am Dienstagnachmittag deutscher Zeit die New Yorker Börse öffnet, ist die Google-Mutter Alphabet das wertvollste Unternehmen der Welt. 535 Milliarden Dollar (489 Milliarden Euro) Marktkapitalisierung – zum Vergleich: das entspricht ungefähr der Wirtschaftsleistung Polens. Vor allem aber ist es mehr als der Wert des bisher wertvollsten Unternehmens Apple.

Nun sagt Marktkapitalisierung noch nichts über den realen Wert eines Unternehmens aus. Apple verdiente beispielsweise im Weihnachtsquartal (18,4 Milliarden Dollar) mehr Geld als Alphabet im gesamten Jahr (16,4 Milliarden Dollar) Mit rund 60.000 Menschen beschäftigt Alphabet gerade ein Zehntel so viele Mitarbeiter wie Volkswagen. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Dennoch ist Alphabet derzeit der Liebling der Anleger. Der Unternehmensgruppe um die Suchmaschine Google, das Videoportal Youtube und die damit verbundenen Werbenetzwerke trauen sie in den kommenden Jahren offenbar mehr zu als Apple, das für das laufende Vierteljahr mit dem ersten Umsatzrückgang seit mehr als einem Jahrzehnt rechnet. Und bekanntlich wird an der Börse nach eigenem Verständnis die Zukunft gehandelt.

Der Zugang zum Nutzer ist Bares wert

Zukunft, das sind selbstfahrende Autos, das ist das vernetzte Zuhause, das ist auch das ewige Leben. Alles Felder, in denen Alphabet mit seinen zahlreichen Projekten aktiv ist. Zukunft heißt aber vor allem: Wer kontrolliert die persönlichen Geräte, die Startbildschirme der Smartphones, der Tablets, die Bordcomputer des Autos? „Dieser Wettlauf ist mindestens für die kommenden fünf Jahre aktuell“, sagt Digital-Experte Ralf Kaumanns, der sich seit Jahren mit Google und den Rivalen in der Tech- Szene beschäftigt.

Google, Apple, Facebook – alle drei arbeiten intensiv an digitalen Assistenten, die Nutzern ihren Alltag erleichtern sollen. Wie lange dauert heute der Weg zur Arbeit? Gibt es Staus oder Behinderungen im Nahverkehr? Muss deshalb der Wecker 15 Minuten früher klingeln, damit das Flugzeug nicht ohne einen abhebt? Welche aktuellen Nachrichten sind für den späteren Geschäftstermin relevant? Das sind nur einige Fragen, die die Tech-Konzerne mit ihren Assistenzsystemen liebend gerne jedem Smartphonebesitzer beantworten würden.

Denn im Gegenzug hätten sie damit so viele Informationen über das Leben und die Gewohnheiten der Nutzer, dass sie ihnen Werbung maßgeschneidert und situationsbedingt ausliefern könnten. Entsprechend mächtig wäre ihre Position gegenüber den Unternehmen, die Zugang zu den Werbekunden haben wollen. „Wer diesen persönlichen Newsfeed der Nutzer kontrolliert, hat gewonnen“, fasst Kaumanns zusammen. Noch hapert es Googles Now, Apples Proactice Assistant und Facebooks M an künstlicher Intelligenz. Doch die beschriebenen Szenarien sind Experten zufolge innerhalb weniger Jahre technologische Realität.

Werbung auf Youtube ist Wachstumstreiber

Wie wichtig es für die Konzerne ist, diesen Wettstreit für sich zu entscheiden, verdeutlicht ein Blick auf die aktuell veröffentlichten Alphabet-Zahlen. Von Oktober bis Dezember stieg der Überschuss im Jahresvergleich von 4,68 auf 4,92 Milliarden Dollar, wie Alphabet am Montag nach US-Börsenschluss mitteilte. Der Umsatz legte um 18 Prozent auf 21,33 Milliarden Dollar zu. Das Kerngeschäft machen dabei ganz klar die Werbeerlöse aus, die über die Suchmaschine Google und den Mail-Hoster Gmail sowie über die Video-Plattform Youtube und das mobile Betriebssystem Android kommen. Sie kletterten zum Vorjahr um 17 Prozent auf 19,08 Milliarden Dollar.

Den seit Jahren anhaltenden Preisverfall bei den Werbepreisen (Cost per Click) kann das Unternehmen aus dem kalifornischen Mountainview durch ein stetiges Wachstum der Klicks mehr als ausgleichen. Dabei profitiert Alphabet vor allem vom Erfolg von Youtube. Zwar veröffentlicht der Konzern zur Video- Plattform noch immer keine konkreten Zahlen. Doch Finanzchefin Ruth Porat machte in einer Telefonkonferenz nach Vorlage der Quartalszahlen deutlich, dass die Geschäftssparte eine wichtige Säule des jüngsten Erfolgs sei.