Die neue Chefin fürs Digitale
Was Städte wie New York, Boston und Brisbane längst haben, gibt es nun auch in Berlin: Einen Chief Digital beziehungsweise Chief Information Officer – oder wie es ins Behördendeutsch übersetzt so hübsch heißt: eine IT-Staatssekretärin. Sabine Smentek (SPD), 55, übernimmt das Amt, das mit dem neuen Koalitionsvertrag der rot-rot-grünen Regierung erstmals für die Hauptstadt geschaffen worden und Innensenator Andreas Geisel (SPD) zugeordnet ist. Zu Smenteks Hauptaufgaben wird die dringend notwendige Digitalisierung der Verwaltung gehören. Doch bereits vor ihrem Amtsantritt gibt es Zweifel, ob sie für dieses wichtige Amt überhaupt geeignet ist.
Smentek habe einen “Versorgungsposten” bekommen
Smentek fehle es an „IT-Affinität“, kritisiert Burkard Dregger von der CDU, bei ihrer Wahl handele es sich um einen „Versorgungsposten“. Wünschenswert für die Umsetzung des neuen E-Government-Gesetzes sei ein unabhängiger und in der Sache qualifizierter Experte gewesen. „Leider hat sich die SPD aus innerparteilichen Parteiproporz-Gründen und zur Befriedung innerparteilicher Querelen für die notwendige Versorgung einer abgewählten Funktionärin entschieden“, erklärt Dregger.
Kritik vom Bundesverband Deutsche Startups
Auch Florian Nöll, Vorsitzender des Bundesverbands Deutsche Startups, meint, dass die neue Landesregierung eine „Chance vertan“ und keinen Digitalsenator für Berlin benannt habe. Damit bleibe die IT-Staatssekretärin die „wichtigste Kämpferin für die Digitalisierung der Verwaltung“. Bei der Besetzung habe der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) „angesichts von tausenden Digitalexperten in der Stadt aus dem Vollen schöpfen“ können. „Er hat sich anders entschieden“, bedauert Nöll, der ebenfalls Mitglied der CDU ist.
Smentek bisher nicht in Erscheinung getreten
Die FDP ist über die Besetzung der wichtigen Position durch Smentek ebenfalls überrascht. „Sie ist bisher nicht in Erscheinung getreten mit einer besonderen Expertise für IT-Infrastruktur und wird sich sicher schnell einarbeiten müssen angesichts der Komplexität der Aufgabe“, sagt Florian Swyter von der FDP. Eine Komplexität, die „man fast schon mit der des Flughafens BER vergleichen“ könne angesichts der veralteten und unterschiedlichen IT-Struktur in den verschiedenen Bezirksämtern.
Zwar ist die Kritik der CDU durchaus wohlfeil, schließlich ist es dem früheren Innensenator Frank Henkel (CDU) in den vergangenen fünf Jahren nicht gelungen, einen IT-Staatssekretär zu berufen. Richtig ist dennoch, dass Sabine Smentek in der Berliner Digitalszene bisher keine, zumindest keine auffällige Rolle gespielt hat. Zuletzt war sie Bezirksstadträtin für Jugend, Schule und Sport und Facility Management in Mitte, Ende Oktober verlor sie bei einer Kampfabstimmung um das Amt des Baustadtrats knapp gegen ihren Parteifreund Ephraim Gothe. Darauf folgte ihre Ernennung zur IT-Staatssekretärin.
Geisel verteidigt Smentek
Dass es sich hierbei lediglich um einen „Versorgungsposten“ handelt, weist Smentek jedoch entschieden zurück. Genauso wie der Sprecher der Senatsverwaltung für Inneres, Martin Pallgen: „Es bestehen überhaupt keine Zweifel an der Qualifikation“, betont Pallgen. „Sabine Smentek verfügt über 20 Jahre Berufserfahrung als Unternehmensberaterin/Organisationsberaterin mit dem Schwerpunkt öffentliche Verwaltung/Verwaltungsmodernisierung, davon war sie 15 Jahre lang selbstständig – und betreute regelmäßig Projekte mit IT-Bezug.“ Und auch Innensenator Geisel ist von seiner Wahl überzeugt: „Frau Smentek ist die richtige Frau an der richtigen Stelle“, sagte Geisel dem Tagesspiegel.
Nach ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau bei der Berliner Sparkasse hat Smentek unter anderem als Beraterin bei Price Waterhouse Coopers im Bereich Öffentlicher Dienst gearbeitet, auch Senator Geisel war dort früher tätig gewesen. Später hat sich Smentek dann als Unternehmensberaterin selbstständig gemacht und unter anderem Verwaltungen bei der Modernisierung begleitet, wie sie vorab erzählte. Das habe auch den Bereich EDV umfasst.
Auf die IT-Staatssekretärin wartet eine Herkules-Aufgabe
Als IT-Staatssekretärin wartet nun eine Herkules-Aufgabe auf sie. So hat sich die neue Regierung laut Koalitionsvertrag vorgenommen, dass „Verwaltungsabläufe von der Antragstellung bis zur Zustellung eines Bescheids“ künftig online abgewickelt werden sollen. Ein Service-Konto sowie eine entsprechende App sollen ein „kundenorientiertes, interaktives, intuitives und barrierefreies Anliegenmanagement“ ermöglichen, „das eine Statusverfolgung von Bürgeranliegen und -anträgen sowie ein Terminmanagement zulässt“. Auch die Umsetzung des E-Government-Gesetzes soll 2017 durch die IT-Staatssekretärin entscheidend vorangebracht werden.
Zu Smenteks Aufgaben wird auch die enge Abstimmung mit der für Digitalwirtschaft zuständigen Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) gehören. „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit“, sagte Pop dem Tagesspiegel. „Gemeinsam werden wir gute Lösungen für die drängenden Fragen finden.“
Große Erwartungen
Die Erwartungen sind groß. Berlin müsse sich in dieser Legislaturperiode zum Ziel setzen, „seine Landesverwaltung zu der modernsten in Deutschland umzubauen“, betont Joachim Bühler, Geschäftsleiter Politik & Wirtschaft des IT-Branchenverbands Bitkom. Gerade deshalb sei es besonders wichtig, diese Aufgabe in einer Person zu bündeln, „die gleichermaßen fachlich kompetent und innerhalb der Landesregierung auch durchsetzungsfähig ist“.
Nach den ersten 100 Tagen im Amt dürfte Smentek eine erste Bilanz ihrer Arbeit ziehen. Vielleicht funktioniert bis dahin auch ihre eigene Website. Noch befindet sich Smentek.net nämlich „under construction“.