Ein ekliger Batzen Hetze: Wie Breitbart über Berlin berichtet
Niederträchtiges Internetdings mit neun Buchstaben? „Breitbart“! Mehr als eine Million US-Leser konsumieren auf der Plattform jeden Tag Hetze gegen Migranten, Schwule und immer wieder gegen den Islam. Seit ihr Chef Stephen Bannon engster Berater von Präsident Trump ist, kennt man Breitbart auch in Deutschland, zumindest dem Namen nach. Dieses Jahr soll ein deutschsprachiger Ableger starten, wahrscheinlich noch vor der Bundestagswahl. Wie das wohl wird? Wer auf der Mutterseite stöbert, bemerkt, dass Breitbart schon jetzt intensiv über Deutschland berichtet. Besonders über Berlin, und das erstaunlicherweise mit einer Detailfreude, die der „New York Times“ oder dem „Guardian“ fehlt. Breitbart-Leser wissen um die Hintergründe des Rücktritts von Andrej Holm, den Werdegang der Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli, die Räumungsversuche in der Rigaer Straße, die Durchsuchung der Fussilet 33.
Breitbart-Leser wissen, dass die meisten Berliner Linksextremisten in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln leben. Gut, es passieren reichlich Fehler. Mal ist Martin Schulz SPD-Parteivorsitzender, mal fanden die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im Dezember statt, mal wird eine gewisse „Franzfurter Allgeimeine Zeitung“ zitiert. Aus dem „Welt“-Artikel mit der Überschrift „Berlins Unterwelt ist verloren an die arabischen Clans“ zimmert sich Breitbart einen eigenen Text namens „Berlin ist verloren an die arabischen Clans“ zusammen. Aber das sind Lappalien. Richtig dreiste Lügengeschichten denkt sich Breitbart nicht aus – abgesehen von der Behauptung, eine Horde Muslime habe in Dortmund zu Silvester eine Kirche niedergebrannt. Dafür hat sich die Plattform bis heute nicht entschuldigt. Man beharrt darauf, dass einzelne Fakten der Geschichte ja stimmten. Zum Beispiel, dass eine Feuerwerksrakete gegen eine Dortmunder Kirche geflogen sei. Oder dass auch Muslime unter den Feiernden in der Silvesternacht waren.
Die Niedertracht der Scheuklappen
Kann man Breitbart also, mit viel gutem Willen, als seriöses Medium bezeichnen? Nee, überhaupt nicht. Der Trick ihrer Niedertracht besteht einfach darin, dass die Redakteure mit gigantischen Scheuklappen berichten. Sämtliche Nachrichten, in denen Migranten oder sonstige Minderheiten positiv auffallen, als Chance gesehen werden oder sich jedenfalls nicht negativ von der Mehrheitsbevölkerung unterscheiden, werden unterschlagen. Es ist, als beschränke man sich auf die Polizeimeldungsspalten aller deutschen Tageszeitungen, filtere diejenigen heraus, in denen Täter Migrationshintergrund haben, lösche den ganzen Rest und klumpe das Konzentrat zu einem ekligen Batzen Hetze zusammen. Wer täglich Breitbart liest, kann im Grunde nur xenophob werden.
So erklärt sich dann auch, weshalb das Portal Meldungen aus Berlin bringt, die andere internationale Medien niemals aufgreifen würden. Die sozialdemokratische Innenstaatssekretärin Sawsan Chebli ist eben vor allem deshalb interessant, weil sie den Islam praktiziert und einmal in einem Interview erklärt hat, wie sie die Scharia auslegt.
Es muss ein Riesenaufwand sein, aus allen Ecken der Welt Lokalmeldungen zu fischen, die halbwegs zur eigenen Anschauung passen. Jeder Fitzel wird gebraucht. Dank Breitbart wissen interessierte US-Leser, dass es im Dezember 2015 zu einer Schlägerei vor dem Schicki-Club Adagio am Potsdamer Platz kam. Einer der Beteiligten war nämlich Moslem.
Diese Kolumne ist in gedruckter Form im Sonntags-Magazin des Tagesspiegels erschienen. Sie können ihm auf Twitter unter @TSPSonntag folgen.