Alarmstufe Rot: Lobo macht's trotzdem
„Letztes Jahr war ich nicht auf der re:publica, weil ich ich dachte, ich habe nun jahrelang in leichten Abwandlungen immer das Gleiche gesagt“, sagt Sascha Lobo in den knallvollen Hauptsaal der re:publica hinein. Titel seines Vortrags heute: „The age of trotzdem“. Das Programm: Weitermachen statt weiter nörgeln.
Die Ernüchterung
„Dieses Mal werde ich die Leute hier nicht beschimpfen, habe ich vorher in den Medien gesagt. Aber never change a running game“, sagt Lobo. Der nächste Lacher. Aber er meint natürlich nicht die anderen, sondern „uns alle“. Nur, wer ist diese wir? „Ich richte mich an diejenigen, die sich, wie ich, für die Avantgarde halten, weil sie genauso wie ich noch viel früher als alle anderen Snapchat nicht verstanden haben.“ Vor allem aber, habe sich die optimistische Welt für ihn verkehrt, seitdem mit dem Erstarken des Terrorismus klar wurde, dass das Internet nicht einfach zu einer besseren Welt beitragen würde. Und weil sich mithilfe der Sozialen Medien ein neuer Rechtspopulismus a la AfD verbreitet habe.
Und die Überwachung? Naja, er habe 82 Artikel gegen die Vorratsdatenspeicherung geschrieben – und sie ist trotzdem gekommen. „Ihr merkt schon, da ist so ein ganz bisschen Selbstmitleid dabei, aber ich glaube, das trifft euch ganz gut“, sagt Lobo. Aber genug des Selbstmitleids. Ein neuer, digitaler Gesellschaftsoptimismus müsse her. Lobo schlägt dann auch eine einfache „Ein-Schritt-Lösung“ vor. Das Anti-Sein überwinden und „trotzdem“ weitermachen. Da das leider nicht alleine geht, wie er sagt, kündigt er einen unangenehmen Umschwung seines Vortrags in „einen dieser Mitmach-Vorträge“ an. Nach drei Versuchen grölen dann auch genug Teilnehmer der re:publica „Trotzdem!“, wenn Lobo sie dazu auffordert.
Im Anschluss folgt ein Amoklauf durch die aktuelle Digitallandschaft in Deutschland. Überwachung? 17 islamistische Attentäter gab von 2014 bis 2016, 15 davon waren den Behörden bekannt, acht zur Fahndung ausgeschrieben. „Dennoch wird uns erzählt, dass wir weiterhin gegen den Terror überwacht werden müssen.“ Infrastruktur? Er erinnert daran, dass Sigmar Gabriel verkündigt hatte, dass Deutschland bis 2025 die beste Digitalinfrastruktur der Welt haben wird. Und heute? Liegt Deutschland bei der Durchdringung mit Glasfaserkabeln auf dem drittletzten Platz, kurz vor Jordanien. „Ich glaube, dass jedes Land die Digitaldebatte hat, die es verdient“, sagt Lobo und dieses Mal rufen die Zuschauer schon von alleine „trotzdem“.
Werdet alle Unternehmer!
Zwischen den komödianten Attacken gibt es weiter Kritik: Lobo verweist auf den Begriff des Plattform-Kapitalismus und behauptet, er habe ihn erfunden. Das Relevante sei nicht mehr, dass es Snapchat gibt, sondern dass es Snapcash gibt, also die Funktion, dass man durch das Eintragen eines Betrags in Snapchat direkt eine Überweisung an den Empfänger der Nachricht tätigen kann. Wie sich nun eine Generation, die mit diesem System aufwächst, jemals wieder an das deutsche Bankensystem mit seinen Überweisungsdauern von zwei Tagen gewöhnen soll.
Als Lobo dann auch noch darauf aufmerksam macht, dass die AfD mit 237.000 Facebookfans genauso viele Fans hat, wie SPD, CDU und FDP zusammen, wird es ruhig. Dann kommt endlich der erste Lösungsvorschlag: Wenn die Unternehmen, die die Vormacht in den Sozialen Medien hätten, nicht ihre Macht nutzten, dann müssten die Anwesenden das tun: „Überführt euren Aktivismus endlich in die ökonomischen Ebene. Macht aus eurem Aktivismus ein Unternehmen, mit dem ihr eure Miete bezahlen könnt und noch drei Mitarbeiter.“ Wie genau dann diese Unternehmen den neuen Kampf der Gerechten gegen Rechts führen sollen, beantwortet er leider nicht. Aber TROTZDEM, es müsse endlich etwas passieren, mehr machen, weniger reden, produzieren statt konsumieren. Sollten wir, also die Anwesenden, das nicht tun, droht Sascha Lobo zum Abschluss, werde er die peinlichsten gelöschten Tweets, Fotos und Blogbeiträge aller Anwesenden wieder herauskramen, um uns zu erpressen.