Das war's: Die zehn besten Momente der zehnten re:publica
8.000 Besucherinnen und Besucher kamen dieses Jahr zur re:publica und der parallel stattfindenden Media Convention, 770 davon hielten einen Vortrag auf einer der 17 Bühnen. Wir waren drei Tage lang vor Ort und haben uns überlegt, was die zehn interessantesten Momente der diesjährigen re:publica waren.
Die Rückkehr
Letztes Jahr hatte er pausiert, dieses Jahr kam er zurück: Der Auftritt von Sascha Lobo war sicherlich einer der bestbesuchten Talks. Nach einem zynischen Amoklauf durch die aktuelle deutsche Digitaldebatte machte er dann TROTZDEM einen Lösungsvorschlag: Werdet alle Unternehmer, anstatt zu nörgeln! Seine Fans johlten, andere fragten sich dann doch, wie durchdacht dieser Lösungsvorschlag wirklich ist.
Die Enthüllung
Die Veröffentlichung der lange geheimgehaltenen TTIP-Papiere ist eine der spannendsten Enthüllung der vergangenen Wochen - geschickt hatte Greenpeace dafür die re:publica gewählt. Dabei waren zwar die strittigen Punkte zwischen Amerikanern und Europäern bereits bekannt. Neu war aber, wie weit die beiden Verhandlungspartner auseinanderliegen. Zudem war es spannend zu hören, welchen Aufwand Greenpeace zum Quellenschutz betrieben hatte. Für das Leak ließ sich Greenpeace auf der re:publica ordentlich feiern.
Die Live-Schaltung
Immer wieder beeindruckend: Edward Snowden. Nach außen hat der Whistleblower bereits im Interview mit Glenn Greenwald und Laura Poitras (“Citizenfour”) eine Ruhe und Ausgeglichenheit an den Tag gelegt, die einfach nur überwältigend ist. Seine Situation als politisch Verfolgter hat sich seither nicht wirklich gebessert, doch seine Analysen bleiben messerscharf, wie die Live-Schaltung aus Russland zur re:publica (beziehungsweise Media Convention) gezeigt hat. Schade nur, dass seine Aufforderung zur Verteidigung der Privatsphäre nach diesen drei Tagen wohl wieder weitgehend ignoriert werden dürfte.
Die Softeis-Liebeserklärung
Die Talks von Bloggerin @journelle sind meistens ein Hightlight. So auch dieses Jahr wieder unter dem Titel “Das Internet hat mich dick gemacht”, eine einstündige Rede für mehr Softeis, weniger Fatshaming und eine Welt ohne Ausgrenzung und Vorurteile. Das lässt sich schön zusammenfassen mit ihrem Zitat: “Ich habe nie was gegen gesunde Ernährung gesagt. Einige meiner besten Freunde ernähren sich gesund.”
Der GIF-Vortrag
Machen Computerspiele uns zu schlechteren Menschen? Werden wir durch Killerspiele zu Amokläufern? Deef Pirmasens und Christian Schiffer zeichneten in ihrem “staatstragenden Vortrag” die Debatte um Computerspiele in den letzten Jahren nach – animiert mit den jeweils passenden GIFs. Dabei zeigten sie schön, wie sich die Spieleszene seit ihren Anfängen entwickelt hat, die Debatte darüber jedoch zumeist von unausgegorenen Platitüden lebt.
Die digitale Grenze
Wie werden die Bewegungen von Flüchtlingen stärker kontrolliert, durch Datenbanken oder Stacheldraht. Raphael Bossong von der Viadrina Universität zeigte in seinem nüchternen Vortrag über die verschiedenen EU-Systeme, die Daten über Flüchtlinge sammeln, dass die Zukunft der Flucht sich an der Schnittstelle von Überwachung und staatlicher Gewalt abspielen wird. Dabei stehen derlei Datenbanken in Europa noch ganz am Anfang.
Die Alternative
Peter Sunde, Gründer von Pirate Bay und Flattr, kündigte dieses Jahr nicht viel weniger als eine neue Form des Internets an. Flattr hat sich mit Adblock Plus zusammengetan und Flattr Plus entwickelt. Die Idee: Webseitenbetreiber können sich dort unkompliziert anmelden und bekommen fortan Geld von allen Besuchern, die bei Flattr Plus angemeldet sind. Wie viel Geld sie bekommen, richtet sich danach, wie viel Zeit die Nutzer auf der Seite verbracht haben und wie viel Geld sie im Monat bereit sind für Medieninhalte zu bezahlen. Die Werbung, die auf der Seite eigentlich angezeigt werden würde, wird für diese Nutzer allerdings völlig ausgeblendet. Das könnte den aktuellen Kampf zwischen Online-Werbeanbietern und Adblockern grundsätzlich verändern.
Die dumme Stadt
Sie gilt seit einigen Jahren als heiliger Gral der Stadtplanung und IT-Industrie: Die Smart City. Der englische Soziologe Richard Sennett erklärte sie zu ihrem Gegenteil. Die Smart City verblöde ihre Bewohner. Durch Segregation und neue Aussortierungsmechanismen würden die Metropolen der Welt zunehmend gemeinschaftsfeindlicher: “Das sind soziale Silos, Proteste oder das tägliche Zusammentreffen mit anderen Schichten sollen verhindert werden”, so Sennett. Große IT-Firmen wie IBM versuchten dabei, das Monopol auf die autoritäre Regierung von Großstädten zu erlangen. Sein Alternativvorschlag: Big-Data-Systeme nutzen, um mehr sozialen Austausch und Konflikt zu ermöglichen.
Der Kult
Er wurde schon mehrfach als der Hofnarr der re:publica bezeichnet und spielt seither souverän mit dieser Rolle. Der ehemalige Chief Technology Officer von IBM Gunter Dueck glänzte auch dieses Jahr wieder mit beißender Ironie. Vor allem bei seiner Aufzählung seiner Meinung nach leerer Szenebegriffe wie “Design Thinking”, “Industrie 4.0” oder “agile development” blieb einigen Teilnehmern das Lachen im Hals stecken.
Die Blamage
Günther Oettinger machte sich bei seinem Auftritt auf der Media Convention durch eine zumeist sinnleere Aneinanderreihung englischer Digitalbegriffe keine neuen Freunde. Seine Nachrednerin Barbara von Schewik hingegen glänzte umso mehr. Die Rechtswissenschaftlerin in Stanford legte in ihrem extrem gut strukturierten Vortrag haargenau die Nachteile von Zero Rating und Spezialdiensten von Netzbetreibern dar. Man kann nur hoffen, dass ihr die Richtigen Entscheidungsträger auch zugehört haben.