Alleine vor leerer Halle. Ist das die Zukunft der Arbeit? Und wenn ja, wer programmiert die Maschinen? Foto: yoh4nn/Ghetty Images/iStock

Die zwei Seiten der Schnittstelle

Während vielen Dienstleistern aufgrund der Digitalisierung der Arbeitsplatzverlust droht, sind Programmierer immer schwerer zu bekommen – und zu koordinieren.

Wenn Sie Ihren Job beschreiben können, kann er auch automatisiert werden“, hat der Zukunftsforscher Gerd Leonhard 2016 gesagt. Die Digitalisierung und die Weiterentwicklung von Robotern, so die These, werden zahllose Berufe und Arbeitsplätze obsolet machen. Für die USA prognostizierten Oxford-Forscher 2013 in einer Studie, dass bis zu 47 Prozent der Arbeitsplätze bedroht sind. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung untersuchte das Phänomen kürzlich für Deutschland. Das Ergebnis: Büroberufe und das Personalwesen könnten bis 2035 einen Einbruch von mehr als 20 Prozent erleben. Aber auch Techniker, Elektriker und Mechaniker müssten um ihre Arbeitsplätze fürchten. Gleichzeitig entstehen Berufe, die sich noch vor wenigen Jahren kaum jemand vorstellen konnte.

Ein Grundrecht auf Weiterbildung?

„Wir werden alle Datenanalysten werden müssen“, sagte Thomas Gottschlich, Geschäftsleitung Telefónica Deutschland am Donnerstagabend zur Eröffnung der Data Debates zum Thema „Arbeitswelt der Zukunft“ im Telefónica-Basecamp in Berlin-Mitte. Dort diskutierte Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff mit DGB-Chef Reiner Hoffmann, Staatsminister Helge Braun (CDU) und Katharina Heuer von der Deutschen Gesellschaft für Personalführung. „Unser Ziel muss es sein, wegfallende Jobs durch neue zu ersetzen“, sagte Braun und stellte außerdem die These in den Raum, dass Maschinen die Arbeit der Menschen immer gesünder gemacht hätten.

Mit neuen Jobs allein ist aber noch nicht gesagt, dass diejenigen sie machen können, deren Jobs wegautomatisiert wurden. „Wir brauchen ein Grundrecht auf Weiterbildung“, forderte deswegen Hoffmann. Braun schlug dann vor, man könne doch die Hörsäle in den Semesterferien freiräumen, damit Arbeitnehmer auch im Beruf immer wieder an die Uni zurückkehren könnten. Während Hoffmann vor allem stabile Rahmenbedingungen und Anreize forderte, war Heuer der Meinung, dass die Menschen für ihre Bildung selbst stärker Verantwortung übernehmen müssten.

Die Schnittstellen als neue gesellschaftliche Grenzen?

Ob bei dieser ewige Flexibilisierung des neuen Arbeitsmarktes, diesem Immer-auf-dem-Weg-sein, wirklich rein durch Weiterbildung allen Menschen übergeholfen werden kann, blieb dabei allerdings offen. Was machen mit den Menschen, die sich einfach nicht ständig umorientieren wollen – oder können? Wer pflegebedürftige Angehörige hat oder alleinerziehend ist, wird vielleicht weniger Möglichkeiten haben, sich nach der Arbeit fortzubilden. So bleibt das Risiko nicht aus, dass die Digitalisierung eine gesellschaftliche Polarisierung befördert, die Julia Kloiber von der Open Knowledge Foundation kürzlich knallhart auf den Punkt brachte: Die neue Grenze der Gesellschaft könnten die APIs sein, die Schnittstellen der Plattformsoftware. Auf der einen Seite die hochqualifizierten Programmierer, auf der anderen die prekär beschäftigten Dienstleister, die uns per Klickbefehl Essen, Kleidung und Putzangebote nach Hause liefern.

Der Arbeitnehmer-Markt

Interessanterweise entfaltet sich gerade auf jener anderen Seite der Schnittstelle, bei den Software-Entwicklern, eine gegenteilige Dynamik. Denn die zu ergattern, wird immer schwieriger. Damit kennt sich Thomas Jajeh, Gründer von Twago ganz gut aus. Twago, eine Freelancer-Plattform, die erst im vergangenen Jahr von der Zeitarbeitsfirma Randstad aufgekauft wurde, vermittelt Programmierer, Designer und App-Entwickler an Firmen – und Projekte von Firmen an Freelancer. Er sagt: „Es ist kein Arbeitgeber-Markt mehr in Deutschland im hochqualifizierten Sektor. Es ist ein Arbeitnehmer-Markt.“ Die Arbeitswelt müsse gerade für Millenials inzwischen ganz andere Werte befriedigen, „Freizeit, Flexibilität und persönliche Unabhängigkeit beispielsweise“. Auf Solo-Selbständigkeit werde in Deutschland völlig undifferenziert geschaut.

Zwar glaubt auch Jajeh, dass es notwendig sei, Lösungen für schwächere Gruppen zu finden und eine Grundsicherung wichtig sei. „Aber wer über 40 Euro die Stunde verdient, der macht das freiwillig“, sagt er und erzählt, dass er selbst gerade einige seiner Webentwickler gerne fest anstellen würde, diese aber freiberuflich bleiben wollten.

Softwareprojekte als Dienstleistung

Auf Basis von genau solchen Freiberuflern hat Berlins größter Startup-Konzern Rocket Internet derweil ein neues Geschäftsmodell entwickelt. Deren CTO Ronny Rentner hat im November die Launchcircle gegründet, eine Ausgründung von Rocket selbst. Das Startup im Startup will eine Agentur 2.0 sein, sagt Rentner. Launchcircle bietet Gründern genauso wie Großkonzernen „schlüsselfertige Softwareentwicklung“. Das heißt, Kunden können sich an Launchcircle wenden, wenn sie beispielsweise ein Online-Shop-System brauchen oder auch einen kompletten Marktplatz mit Webseite.

„Weil wir bei Rocket selbst die ganze Zeit Startups gründen und die Software dafür bauen, können wir das inzwischen einfach sehr gut“, sagt Rentner. Dadurch könne man den Kunden in kürzester Zeit einen groben Kostenrahmen nennen und Festpreise anbieten. Die Mitarbeiter für die einzelnen Projekte akquiriert Rocket aus seinem internationalen Netzwerk. Denn weil die Rocket-Startups oft in viele verschiedene Länder expandieren, sei man dort überall mit lokalen Freelancern vernetzt. „Dadurch können wir einen sehr breiten Teil der benötigten Technologien abdecken, die sich ja ständig weiterentwickeln“, sagt er.

Firmen mit festen IT-Mitarbeitern haben im Gegensatz dazu das Problem, dass diese meist auf bestimmte Programmiersprachen und Systeme spezialisiert sind. Das ist aber nicht immer die Programmiersprache, die für das aktuelle Projekt die sinnvollste ist. Natürlich sind auch die Freelancern in Indien oder der Ukraine billiger als in Deutschland – was sicherlich positiv zu Buche schlägt. Man versuche aber, Leute in der gleichen Zeitzone zu finden.

Feedback Loops

„So können wir die sehr guten Projektabläufe, die wir hier haben, nutzen, um die Projekte so effizient wie möglich abzuwickeln“, sagt Rentner. Und wenn es knapp wird im Projektplan, werden festangestellte Entwickler von Rocket dazugeschaltet; so, wie es auch bei anderen Rocket-Gründungen gemacht wird. Ein weiterer Vorteil liegt auf der Hand: Weil Rentner gleichzeitig CTO bei Rocket und Chef von Launchcircle ist, können nicht nur Rocket-Prozesse auf Projekte von Kunden angewendet werden. Man kann umgekehrt auch Ideen aus den Projekten der Kunden später für Rocket-Projekte nutzen. Langfristig ist das Ziel, Launchcircle als eigenständige Firma groß zu machen. Wie viele Festangestellte man dafür dann braucht, bleibt natürlich offen.