Hardware für die Stadt der Zukunft
Stellen Sie sich ein Gebäude vor, das Ihnen zuhört! Stellen Sie sich vor, Ihr Haus weiß, wie viele Leute gerade in welchem Raum sind, ob der Raum dadurch wärmer wird, ob er gelüftet werden muss oder ob er leer steht! Der Gründer von Bead ist in Höchstform, während er sein Loblied auf das vermessene Bürogebäude singt. Wenn das Gebäude das wüsste, sagt er, und dazu noch das Wetter draußen kennt, würden Sie extrem viel Geld sparen. Denn Firmengebäude verschwenden noch immer bis zu 30 Prozent Heizkosten. Mit seinem intelligenten Sensorsystem soll sich das ändern, Millionen Euro Einsparpotential! Das Publikum klatscht euphorisch.
Pitch me if you can!
Der Pitch findet im Betahaus in Kreuzberg statt und ist Teil der Abschlusspräsentation von Hardware.co: einem Startup-Accelerator für junge Firmen, die nicht neue Verkaufsplattformen bauen wollen wie Deliveroo oder Apps wie Tinder – sondern Maschinen.
Die Startups hier unterscheiden sich stark von denen bei anderen Acceleratoren, die es in Berlin inzwischen zu Hauf gibt. Denn wer Hardware baut, hat in der Regel schon einen wesentlich reiferen Business-Plan, sagt Maximilian von der Ahé, Gründer vom Betahaus und Mitinitiator des Programms, das gerade die fünfte Runde durchlaufen hat. Ein lukratives Unterfangen für sein Haus, eines der ältesten Coworking-Spaces in Berlin. Man hat inzwischen ein zweites Geschäftsmodell im Veranstalten solcher Events gefunden und die Sponsoren für diese Art der Startup-Förderung sind finanzstark: Audi ist anwesend, Siemens auch, die Deutsche Bahn und Bosch sind ebenfalls an Bord. Nun sitzen Abgesandte der Industriekonzerne in der Jury vor der Bühne und klatschen zur Aufforderung des Moderators, der zwischen den Präsentationen an seinem Drumcomputer spielt.
Die Startup-Teams aus aller Welt werden im Vorhinein gemeinsam ausgesucht. Dann kommen sie für zwei Wochen nach Berlin und bekommen Coaching von Investoren, Branchenexperten und Teammotivationstrainern. „Wir sehen uns als Flaschenhals“, sagt von der Ahé. Hier sollen Startups, Investoren und Firmen noch schneller herausfinden, „ob es zwischen ihnen klickt“. Genaugenommen sei es ein „Pre-Accelerator“, ein Bootcamp vor dem Eintritt in einen größeren Accelerator, wie ihn die Bahn oder Siemens selbst betreiben.
Intelligente Werbung auf Autos
Der sonnengebräunte Moderator dreht die Lautstärke hoch und ein anderes Startup kommt auf die Bühne: Car2Ad. „Außenwerbung in der Stadt hat ein Problem“, sagt Florian Hackenberger, „vor meiner Haustür sehe ich oft das gleiche Plakat, wie dort, wo ich wieder aus der U-Bahn aussteige, ganz unabhängig davon, wie viele Menschen daran vorbeilaufen.“ Er und sein Mitstreiter Valentin Jahn wollen das ändern – mit vernetzten Werbedisplays auf Autodächern. Auf den Displays kann Online-Werbung nach den gleichen Prinzipien angezeigt werden wie Werbebanner auf Internetseiten. Weil die Displays WLAN-Empfang und einen GPS-Sensor haben, werden zudem zwei Dinge möglich. Erstens können sie messen, wie viele Leute gerade an ihnen vorbeilaufen, indem sie die Mobiltelefone der Vorbeilaufenden erkennen und zählen. Sie merken so, ob gerade 20 oder 200 Leute in der Nähe der Werbung sind. Entsprechend wird dann der Preis für die Werbung festgelegt. Zweitens weiß die Anzeige, wo sie ist. Also kann ein Werbekunde festlegen, seine Anzeige nur anzuzeigen, wenn das Auto am Ku’Damm steht oder nahe seines Geschäfts.
Was nach Zukunft klingt, will das Berliner Startup schon in wenigen Wochen auf die Straßen bringen. Dafür haben sie sich mit Drive By geeinigt, einem neuen Carsharing-Anbieter, der spätesten Anfang Mai mit 25 Autos in Berlin startet und nach gefahrenen Kilometern abrechnet. Auf fünf Autos sollen die trackenden Werbedisplays montiert sein, die Werbung anzeigen, wenn die Autos nicht gefahren werden. „Langfristig könnten solche Displays aber genauso gut an Haltestellen oder in Bussen funktionieren“, sagt Jahn. Man könnte beispielsweise Werbung für ein Restaurant anzeigen, das sich in der Nähe der nächsten Haltestelle befindet.
Bis vorbeifahrende Autos einen mit Online-Werbung verfolgen, wird es aber noch dauern. Die Straßenverkehrsordnung erlaubt keine leuchtende Werbung auf fahrenden Fahrzeugen. Sie würde vom Verkehr ablenken. Deshalb darf das Startup die Werbung auf dem Autodach erstmal nur anzeigen, wenn der Wagen steht.
Mit Dronen in die Pampa
Apropos vom Verkehr ablenken. Verkehr besteht bekanntermaßen zu großen Teilen aus Lastwagen. Und die können nicht fliegen. Blöd eigentlich, findet Svilen Rangelov. Der vollbärtige Bulgare hat mit seinem Bruder Dronamics gegründet, eine Dronenfirma, die den Frachttransport auf dem Luftweg massentauglich machen will. Er hasst eigentlich Bärte. Aber der Ökonom hat mit seinem Bruder, einem Luftfahrtingenieur, beschlossen, sich erst zu rasieren, wenn der erste Transport gelandet ist. In Asien und Afrika laufen bereits Genehmigungsverfahren, 2018 soll die erste Ladung ausgeliefert werden.
Die 16 Meter breite Drone fliegt autonom und kann 350 Kilo transportieren: so viel, wie in einen Kofferraum passt. Die Drone soll etwa kleine Ortschaften in entlegenen Gebieten anfliegen. Da Lastwagen dorthin lange brauchen, könnte das billiger sein. Durch den fehlenden Piloten und die Abschaffung des meisten Bodenpersonals soll der Transport nur 50 Prozent dessen kosten, was reguläre Fluglogistik verschlingt. Inzwischen kooperieren die Brüder bereits mit Nasa, Lufthansa und Boeing. Technik, die das Militär schon lange nutzt, soll nun den Logistikmarkt umkrempeln, sagt Rangelov. Vielleicht fahren wir also bald mit Werbung auf dem Dach in ein Gebäude, das uns bereits erwartet und lassen uns im Winter frische Erdbeeren aus Bolivien liefern. Im Betahaus wirkt es so.