Stadt statt Autos
Warum müssen Autos eigentlich oberirdisch fahren? Könnten sie nicht, so wie U-Bahnen heute, unterhalb der Stadtoberfläche verkehren? Weniger Stau, mehr Platz für Spielplätze, Parks und Fahrräder wären die Folge. Mit dieser Idee versuchte Lars Hesselgren vom Londoner Architekturbüro PLP Architecture die Zuhörer beim City Car Summit zu überzeugen, der diese Woche in Berlin stattfand. Dort trafen sich Autobauer, Carsharing- Firmen, Verkehrsplaner und Forscher, um über die Mobilitätskonzepte der Zukunft zu beraten. Hesselgrens Idee fand wenig Zuspruch. „Vollkommen unrealistisch“, raunte ein Verkehrsplaner. Aber darum ging es Hesselgren auch gar nicht. Er wollte provozieren, die Stadtplaner und Autobauer darauf hinweisen, dass die technische Entwicklung von Fahrzeugen allein nicht ausreicht, um die Verkehrsprobleme in den Städten zu lösen. Denn, wie die Verkehrsplanerin Annette Albers es für die Stadt Stuttgart beschrieb: Der Pkw- Verkehr hat seinen Höhepunkt noch lange nicht erreicht.
Was sind die Alternativen? Diese Frage verband die Anwesenden auf teils ungewöhnliche Weise. So bietet das Berliner Startup door2door eine Plattform an, mit der Verkehrsbetriebe ihre Routen flexibler planen können. Busse könnten ihre Fahrgäste vor ihrem Haus abholen, je nachdem, wie viele Menschen gerade wohin müssen. Die Firma Electric Feel hingegen erlaubt es, Bikesharing-Flotten klüger zu nutzen, indem intelligente Vorhersagen je nach Wetter und Veranstaltungen in der Stadt es erlauben, dort Fahrräder zur Verfügung zu stellen, wo sie wirklich gebraucht werden. Und Parkopedia will über die Sensoren an Autos und Satellitenbilder messen, wo in der Stadt gerade Parkplätze frei sind, sodass Autofahrer nicht mehr danach suchen müssen.
Carsharing gegen das Verkehrschaos
Die unzähligen Carsharing-Firmen, die sich bei der Konferenz tummelten, waren sich hingegen einig, dass sich das Verkehrschaos erst legt, wenn mehr Menschen auf ein eigenes Auto verzichten und stattdessen Fahrzeuge gemeinsam nutzen. Denn die Mehrheit der Autos in der Stadt steht meistens nur ungenutzt herum. Reine Platzverschwendung.
Gabriele Wendorf von der TU Berlin hat deshalb gemeinsam mit Drive Now und dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ein Pilotprojekt durchgeführt. Zuerst wurde in einer Umfrage erhoben, wie viele Leute ihr Auto eigentlich wirklich brauchen. Dabei kam heraus, dass 32 Prozent der Autobesitzer weder gerne Auto fahren, noch regelmäßig auf ihr Auto angewiesen sind. Carsharing könnte für diese Gruppe das eigene Auto leicht ersetzen. Doch es gibt politisch und gesellschaftlich wenig Akzeptanz für den Vorschlag, Parkplätze zu streichen.
Bänke statt Parkplätze in Charlottenburg
Wendorf und ihre Kollegen haben es deshalb anders versucht: Auf der Mierendorff-Insel in Charlottenburg wurden 2016 testweise einige Parkplätze für Carsharing-Autos reserviert und zudem zwei Parkplätze durch eine schöne Sitzecke ersetzt. Am Ende der Testzeit stellten Anlieger einen Antrag bei der Bezirksversammlung: Die Sitzgelegenheit solle bleiben.
Florian Lennert, Mitarbeiter am Berliner Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) meint, die Bereitschaft von Städtern, auf nachhaltigeren Verkehr umzusteigen, werde sich erst ändern, wenn den Menschen bewusster wird, dass Abgase mehr Menschen töten als Unfälle: „Wenn man Aufkleber auf Zigarettenschachteln kleben kann, dass Rauchen tödlich ist, warum nicht auch auf abgasintensive Autos?“
Was wollen wir eigentlich?
Autonome Autos und intelligente Navigationssysteme, die beiden Lieblingsthemen in den Diskussionen auf der Veranstaltung, werden die Nutzung der Straßen effizienter machen können – unsere Verkehrsprobleme lösen werden sie nicht. „Wir müssen uns dringend als Gesellschaft überlegen, was wir mit diesen neuen Technologien erreichen wollen“, mahnte deshalb Wolfgang Gruel. Er ist Professor an der Media Universität Stuttgart und gleichzeitig Berater bei car2go.