Taxis in Berlin: Uber gibt nicht auf
Hermann Waldner ist ein Urgestein des Berliner Taxigewerbes. 1971 nach Berlin gezogen, verdiente er sich neben seinem Pädagogik-Studium ab 1979 nebenbei Geld als Taxifahrer, 1981 macht er sich mit einem gebrauchten Taxi selbstständig. Als die Wende kam, kaufte er dann mit drei anderen Unternehmern den volkseigenen Taxibetrieb Ostberlin, inklusive 1.300 Fahrer - und eigener Funkvermittlung, die man in Spreefunk umbenannte. Als er im Jahr 2000 noch Taxifunk kaufte, entstand Taxifunk-Berlin, die erste stadtweite Funkzentrale. Waldner ist jetzt 64 Jahre alt, hat seine Expansion vorangetrieben und ist Chef von Taxi Berlin, einem Zusammenschluss der größten Berliner Taxizentralen. 6.500 der 8.000 hier gemeldeten Taxen können darüber erreicht werden.
Der Wahlkampf der Taxifahrer
Am Mittwochnachmittag stand er vor 200 Kollegen seiner Branche beim Zukunftskongress des Deutschen Taxi- und Mietwagenverbands (BZP) in einem Hotel unweit des Checkpoint Charlie. Waldner, Mitglied des Präsidiums, sagt jetzt: „Wir müssen darauf achten, dass wir kein Einfallstor schaffen für milliardenschwere Anbieter von außen.“ Ein Raunen geht durch das Publikum, das größtenteils aus Männern besteht, die Papier und Smartphone in großen Händen halten. Innungsvorsitzende, Genossenschaftsvertreter, Taxiunternehmer. Es ist wohl die mittelständischste Versammlung der ganzen Woche in Berlin.
Raunen kommt an diesem Tag immer auf, wenn der Name Uber fällt, der amerikanische Fahrtenvermittler, der hier meist nur „das U“ genannt wird und einige Tage zuvor gerade seinen skandalgebeutelten Chef Travis Kalanick gechasst hatte. Das Unternehmen wird derzeit mit mehr als 70 Milliarden Dollar bewertet, hat weltweit 12.000 Mitarbeiter und 1,5 Millionen Fahrer in seiner App. Mit seinem anfänglichen Versuch mit Uber Pop in Deutschland Fahrten an den Taxiunternehmen vorbei zu vermitteln, hat sich die Firma zum meistgehassten Feind der Branche gemacht. Es ist keine, die man zum Feind haben will. Sie befördert alleine in Berlin 40 Millionen Personen im Jahr. So ist es auch kein Wunder, dass jede große Partei an dem Tag ihre verkehrspolitischen Sprecher auf deren Podium geschickt hat. Wahlkampf ohne Taxifahrer wäre politischer Selbstmord. Die FDP ist nicht da.
»Wir sind doch schon digital«
Der Taxiverband selbst in Person ihres Präsidenten Michael Müller zeigt Videoclips über die Digitalisierung der Taxibranche. Müller sagt: „Der Vorwurf, das Taxigewerbe sei verkrustet und analog ist falsch. Wir sind viel digitaler, als uns vorgeworfen wird.“ Die Videos zeigen Rechenzentren in denen Fahrten vermittelt werden und freundliche Mitarbeiterinnen in Taxizentralen, die Kunden über Navi zum Taxi führen und gleich noch fragen, ob man Hilfe beim Tragen braucht. Man kann Taxis dort per Whatsapp, SMS, App und per Telefon buchen.
70 Prozent aller Buchungen passieren laut BZP dennoch weiterhin telefonisch. Waldner, der 2011 Taxi.eu, eine der drei großen deutschen Taxi-Apps auf den Markt gebracht hat, die von den Zentralen selbst betrieben werden, weiß auch warum: „Die Buchung per Telefon geht im Schnitt einfach schneller als per App.“
Welche Gesetze Uber bislang aufhalten
In der Debatte mit den verkehrspolitischen Sprechern von CDU, SPD, Linke und Grünen geht es dann vor allem um das Personenbeförderungsgesetz. Das verbietet vor allem vier Dinge. Erstens, Passagiere ohne Zulassung gegen Bezahlung mitzunehmen. Diese Zulassung erzwingt eine Ortskenntnisprüfung, für die Taxifahrer wochenlang Orte, Straßen und Strecken in der Stadt auswendig lernen müssen. Zweitens legt es für Mietwagen, die das Gesetz strikt von Taxis trennt, fest, dass sie nach jedem Auftrag wieder zum Betriebssitz zurückkehren müssen. Ein Mietwagenchauffeur darf also jemanden zum Flughafen bringen, aber nicht danach von dort einfach einen anderen Passagier mitnehmen. Drittens sind Taxis an feste Preise gebunden. Und zuletzt ist im Gesetz festgelegt, dass Mietwagen nur im Ganzen und nicht plätzeweise gemietet werden dürfen. Das verbietet Mietwagenunternehmern, Fahrten mit mehreren Passagieren durchzuführen. Genau solches Pooling mit mehreren Fahrgästen pro Auto macht bei Uber inzwischen in San Francisco 50 Prozent der Fahrten aus, denn die Fahrpreise sind dadurch deutlich niedriger.
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur hat kürzlich ein Gutachten vorgelegt, in dem vorgeschlagen wurde, alle vier Punkte stark zu liberalisieren. Damit würden Niedrigpreismodelle wie das von Uber möglich. Die verkehrspolitischen Sprecher der Parteien versicherten den Taxifahrern, dass sie in diesen Bereichen keine großen Veränderungen des Gesetzes anstreben, wenngleich alle außer der Linken betonten, das Gesetz müsse angepasst werden. Die Fahrer sind da anderer Meinung. Geteilte Fahrten seien schon im jetzigen Gesetz mit Sondergenehmigung möglich. Waldner will solche geteilten Fahrten in seiner App Taxi.eu spätestens Anfang 2018 für normale Taxis in Berlin ermöglichen. Der Preis pro Taxi insgesamt darf allerdings nie unter den Taxitarif fallen, egal wie viele Passagiere darin sitzen.
»Wir verstehen uns nicht als Konkurrenz zum Taxi«
Aber was ist denn nun mit Uber selbst? Das Unternehmen mit Sitz bei der Factory an der Brunnenstraße in Mitte empfängt in hellen Räumen voller Apple-Computer und mit italienischer Kaffeemaschine. Deutschland-Chef Christoph Weigler sagt: „Wir verstehen uns nicht als Konkurrenz zum Taxi.“ Die Zielgruppe seien diejenigen, die noch immer jeden Tag alleine im Auto zur Arbeit fahren. Dafür sei der Preis die wesentlichste Stellschraube. Bei 20 Prozent unter dem Taxipreis würden Masseneffekte spürbar. Andere Bevölkerungsgruppen könnten sich dann leisten, sich fahren zu lassen. „Unsere Erfahrung ist, dass man mit dem Einsatz von Technologie eine wesentlich höhere Auslastung für die Fahrzeuge erreichen kann und dadurch niedrigere Preise möglich sind – bei stabilen Umsätzen für die Fahrer“, sagt Weigler.
Weil die Uber-App etwa durch „Forward Dispatching“ schon während einer Fahrt mögliche Anschlusskunden in der Nähe des Ankunftsorts vermittelt und aktuelle Verkehrsdaten einbezieht, sei es möglich, Auslastungsquoten von über 50 Prozent zu erreichen. Eine Ortskenntnisprüfung sei in Zeiten von Navigationssystemen lediglich ein Hindernis dabei, genügend Fahrer dafür zu bekommen. Taxifahrer reden im Vergleich dazu von rund einem Drittel Auslastung – und bezweifeln solche Effizienzversprechen. „Der Kuchen wird nicht per se größer durch intelligente Algorithmen“, sagt Wilhelmsmeyer.
Uber versucht es trotzdem weiter in Deutschland, wenngleich derzeit nur noch in München und Berlin. Dazu wurde der Dienst gesplittet in UberTaxi und UberX. Bei UberTaxi gelten normale Taxitarife, Fahrer kann nur werden, wer eine Lizenz hat. Mehr als 1000 Fahrer haben sich in Berlin schon angemeldet, sagt Uber. Für UberX hingegen hat man sich mit dem Berliner Limousinenservice Rocvin zusammengetan, der bis vor Kurzem noch den Fahrdienst für den Bundestag betrieb. Die freigewordenen Autos können nun in der Uber-App gebucht werden. Damit seien die Preise je nach gebuchtem Auto bis zu 20 Prozent niedriger als bei Taxis. Weil das Mietwagen sind, müssen die Fahrer allerdings nach jedem Auftrag zurück in die Zentrale in Kreuzberg. Es sei denn, eine Anschlussbuchung geschieht schon vor der Fahrt, während der Fahrt oder auf dem Rückweg. „Als Fahrer bei Uber mitzumachen, grenzt schon an Demenz“, sagt Wilhelmsmeyer vom BZP. „Nicht nur die Nutzer sind unsere Kunden, sondern auch die Fahrer“, heißt es dagegen bei Uber. Sie klagen derzeit auf EU-Ebene. Die Zukunft der Mobilität lasse sich nicht aufhalten.