Als Rucksacktourist kam Naren Shaam nach Berlin. Nun beschäftigt er mit seinem Startup GoEuro 250 Mitarbeiter. Foto: Mike Wolff

Was nach Airbnb kommt

Die nächste Generation der Online-Reiseportale kommt aus Berlin: Sie zeigen den besten Weg mit Bus und Bahn an, haben die meisten Ferienwohnungen und ersparen das Warten am Eiffelturm.

Vor wenigen Jahren kam Naren Shaam zum ersten Mal als Rucksacktourist nach Berlin. Nun prangt der blaue Schriftzug seines Unternehmens GoEuro groß an dem Eckhaus in der Schönhauser Allee. Alle fünf Etagen hat das Startup in Beschlag genommen, der gebürtige Inder beschäftigt hier am Senefelderplatz inzwischen 250 Mitarbeiter.

Weg zum Flughafen mit einkalkuliert

Sie lösen ein Problem, dass der Gründer damals auf seiner Europareise selbst hatte: Welches Verkehrsmittel ist am besten, um von einer Stadt in die andere zu kommen? Gerade bei Bahnen und Bussen in den verschiedenen Ländern ist es schwer, einen Überblick zu bekommen. Den bietet GoEuro auf seiner Internetseite und App. Nutzer geben Start, Ziel und Reisedaten ein, auf einen Blick können sie dann Preise und Reisedauer für Flüge, Bahn oder Bus vergleichen. „Auch für Flugverbindungen ist das ja immer nicht so einfach“, sagt Shaam. Überall wird nur die Verbindung von Flughafen zu Flughafen angezeigt. Wer noch wissen will, wie lange der Weg zum Flughafen dauert müsse wieder zu Google Maps. GoEuro berechnet daher auch Anreise und Check-In-Zeiten mit ein.

Alle Tickets in einer App buchen

Mehr als 20 Millionen Menschen nutzen das Angebot inzwischen jeden Monat. Das Startup leitet sie an die Reiseanbieter weiter und erhält beim Ticketkauf eine Provision. „95 Prozent der Züge können auch schon direkt bei uns gebucht werden“, sagt Shaam stolz. Auch die Deutsche Bahn. Sein Ziel ist es, das auch für viele Busse und Flüge anzubieten. Denn schon jetzt nutzen mehr als 70 Prozent der Kunden GoEuro auf dem Handy, da ist die Weiterleitung auf andere Seiten unschön. Zudem würde GoEuro so mehr und mehr zur zentralen Anlaufstelle für den digitalen Ticketverkauf: Statt verschiedene Apps für Busse und Bahnen zu nutzen, soll ein GoEuro-Account reichen.

Viereinhalb Jahre nach dem Start ist das Unternehmen zu einem wichtigen Anbieter im Online-Reisegeschäft aufgestiegen. Und könnte zur nächsten Generation von wichtigen Internet-Reiseanbietern gehören. Hotels und Flüge werden schon lange im Netz gebucht. Doch neben den Platzhirschen wie Expedia, Booking.com oder Kayak haben neue Firmen lukrative Nischen gefunden. Drei der vielversprechendsten kommen dabei aus Berlin. Neben GoEuro sind das die Suchmaschine für Ferienwohnungen HomeToGo und der Touren- und Tickethändler Getyourguide.

150 Millionen von Investoren

Das haben auch potente Geldgeber erkannt. An GoEuro haben sich mit Goldman Sachs, Kleiner Perkins, Lakestar, Atomico oder Hasso Plattner Ventures gleich mehrere der bekanntesten Investoren beteiligt. Fast 150 Millionen Dollar haben sie in das Startup gepumpt. Auch deshalb konnte GoEuro so rasant wachsen. Inzwischen hat das Startup die Verbindungen von mehr als 600 Bahnen, Busunternehmen und Fluglinien aus 14 europäischen Ländern integriert. Gerade wurde hinter Dänemark und Schweden ein Häkchen gesetzt. 33 Staaten sind aber noch offen. „In den nächsten 12 bis 18 Monaten wollen wir ganz Europa abdecken“, sagt Shaam. Das sei gar nicht so ambitioniert wie es klinge, denn einerseits seien die verbliebenen Länder viel kleiner, andererseits gäbe es für diese schon viele Verbindungen nur eben noch keine weitgehend komplette Abdeckung.

„Danach werden wir über Europa hinausschauen“, sagt Shaam. Vor allem Asien und Amerika seien interessant - mit Ausnahme der USA. „Da nimmt niemand Zug und Bus“, sagt Shaam. Gerade bei den Verkehrsmitteln am Boden liegt die Stärke des Startups, denn im Gegensatz zu unzähligen Flugbuchungsportalen gibt es da kein vergleichbares Angebot.

Viel mehr Wohnungen als Airbnb. Die Gründer des Startups Hometogo Nils Regge, Patrick Andrä und Wolfgang Heigl. Foto: promo/Hometogo

Genau das hatten Nils Regge, Patrick Andrä und Wolfgang Heigl für ein anderes Segment auch festgestellt: Ferienhäuser. Um einen Überblick über verfügbare Hotels an einem Ort zu bekommen, reichen in der Regel zwei, drei Webseiten. „Doch bei Ferienwohnungen ist der Markt viel fragmentierter als bei Hotels oder Flügen“, sagt Andrä. Um hier für mehr Übersicht zu sorgen, haben sie vor vier Jahren Hometogo als eine Art „Google für Ferienwohnungen“ gegründet. Die Seite ist eine Metasuchmaschine, mit der auf einen Schlag die Angebote von zahlreichen Anbietern wie HomeAway, Booking.com, Novasol oder FeWo-Direkt durchsucht werden.

Mehr als doppelt so viele Angebote wie Airbnb

Damit können die Berliner mehr als elf Millionen Häuser und Ferienwohnungen weltweit vermitteln. Die große US-Zimmerbörse Airbnb listet dagegen nur 4,5 Millionen Inserate. Seit dem vergangenen Jahr nennt sich das UnternehmenHometogo auch stolz größte Ferienhaussuchmaschine der Welt. Allerdings streitet das Startup mit einem anderen Konkurrenten aus den USA um diesen Titel. Tripping.com bezeichnet sich ebenfalls als Nummer Eins für Ferienwohnungen. „Wir mahnen sie deshalb nicht ab, aber die Aussage ist schwer nachvollziehbar“, sagt Andrä. Tatsächlich waren die Amerikaner mal größer, da sie auch früher gestartet waren. Doch vor etwa einem Jahr hätten die Deutschen den Konkurrent überholt und inzwischen vier bis fünfmal so viele Nutzer. „Auch in den USA sind wir jetzt größer“, sagt Andrä. Ein Grund sieht er vor allem in der Erfahrung des Teams: Mitgründer Regge hat das Ferienhausportal Casamundo aufgebaut und dann verkauft, Heigl hatte die Flugsuchmaschine Swoodoo gegründet, die inzwischen dem US-Reisevermittler Kayak gehört.

Zalando beerbt

Die Ambitionen zeigt auch der Firmensitz, ein altes Umspannwerk im Prenzlauer Berg. Hometogo hat die Räume in dem dunkelroten Backsteingebäude direkt von Zalando übernommen, hinter dem Empfang stehen verschiedene Urkunden und Pokale, darunter der im Vorjahr verliehene Preis als das am schnellsten wachsende deutsche Startup. Inzwischen beschäftigt das Jungunternehmen 150 Mitarbeiter, die Hälfte davon Entwickler. „Die technische Integration der Partner ist ein unglaublicher Aufwand“, sagt Andrä. Auch hier unterscheidet sich das Geschäft enorm vom Hotel-, oder Flugverkauf. Denn dabei gibt es jeweils nur eine handvoll Buchungssysteme. Dagegen nutzen die 250 angebundenen Ferienwohnungsportale fast alle unterschiedliche Software. Wenn die Systeme verbunden sind, muss sichergestellt werden, dass bei technischen Änderungen der Partner weiter die richtigen Preise und Verfügbarkeiten angezeigt werden. Zudem sorgt Hometogo dafür, dass Ferienhäuser oder Zimmer die von mehreren Partnern angeboten werden nur einmal angezeigt werden. Dabei wird in der Regel der Anbieter mit dem günstigsten Preis angezeigt.

Nur Airbnb fehlt noch als Partner. Seit etwa einem Jahr leitet Hometogo Nutzer zwar auch an die Amerikaner weiter, doch auf eine direkte Einbindung der Airbnb-Angebote müssen die Berliner wohl noch warten. „Im Moment gibt es keinerlei solcher Pläne“, erklärt Airbnb.

Keine Angst vor Airbnb

Der US-Riese macht nun auch dem Berliner Startup Getyourguide Konkurrenz. Denn seit dem vergangenen Sommer bietet Airbnb auch in Berlin „Entdeckungen“ ein. Dabei werden Rundgänge mit Reiseführern, Bootstouren oder Bierverkostungen verkauft. Das Angebot soll bis Jahresende auch auf andere deutsche Städte und insgesamt 1000 Ziele weltweit ausgeweitet werden. Eine Kampfansage. Getyourguide bietet zwar in 2000 Städten mehr als 30.000 Aktivitäten für Touristen an, hat dafür aber neun Jahre gebraucht.

Firmenchef Johannes Reck gibt sich trotzdem entspannt: „Von Airbnb erwarte ich für uns definitiv keinen Wettbewerb.“ Denn dort können die Nutzer so wie Zimmer selbst Stadtführungen und andere Aktivitäten anbieten. Dadurch gibt zwar coolere Angebote, wie Street-Art-Touren, aber oft eine geringe Verfügbarkeit, sagt Reck. Denn er hatte auch einst mit dieser Idee angefangen, wechselte dann aber das Modell und bietet nun vor allem die ohnehin beliebten Attraktionen. Die meisten Berlinbesucher wollten eine Spreerundfahrt oder auf den Fernsehturm. Reck verkauft die Tickets vorab und egal ob Reichstagskuppel oder Eiffelturm: Die Touristen sparen sich so langes Schlange stehen. Gerade diese Angebote sind neben Klassikern wie Stadtrundfahrten immer gefragter.

Schon 2015 hat das Startup so 17 Millionen Euro eingenommen, inzwischen dürfte der Unsatz deutlich höher liegen, Zahlen nennt Reck nicht. Der Chef von Booking.com soll schon einmal Kaufinteresse geäußert haben, doch billig würde das nicht. Investoren wie der Private-Equity-Riese KKR haben insgesamt 170 Millionen Dollar in das Startup gesteckt. Allein im letzten November flossen 75 Millionen.

Die Kasse ist also gut gefüllt. Damit will Getyourguide das Geschäft in Asien und Amerika ausbauen. Bislang kommen drei Viertel der Nutzer noch aus Europa. Auch das Team von 500 Mitarbeitern soll wachsen. 350 davon arbeiten in Berlin. Doch nachdem der Schweizer Reck sein Unternehmen nach der Gründung von Zürich in die deutsche Hauptstadt verlegt hatte, baut er nun den Alpenstandort wieder aus. „In Berlin ist der Wettbewerb um Programmierer inzwischen beinhart“, sagt Reck. Da sei es fast einfacher, in der Schweiz gute Entwickler zu finden.