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Der sonntägliche Flohmarkt im Mauerpark ist längst zu einer beliebten Touristenattraktion geworden. Fast mehr noch als um den Trödel geht es hier um Berlin-Souvenirs von Designern, Häppchen von den Foodtrucks und das Sehen und Gesehenwerden. All das fehlt natürlich im Internet, trotzdem boomt auch dort der Handel mit Gebrauchtwaren.
Neue Online-Anbieter für Second-Hand-Kleidung
Immer wieder drängen neue Anbieter auf den Markt. So hat sich gerade das skandinavische Startup Zadaa in einem Co-Working-Space am Potsdamer Platz eingemietet und bietet sein Angebot nun auch hierzulande an. „Unser Ziel ist es, alle Kleiderschränke der Welt zu vernetzen“, sagt Iiro Kormi, der das Startup vor drei Jahren in Finnland gegründet hat. Zadaa funktioniert per App und ist eine Mischung aus Marktplatz und sozialem Netzwerk: Die Nutzer kaufen und verkaufen Kleidung von Personen mit gleicher Größe und ähnlichem Geschmack. Dabei gibt es auch hierzulande schon länger auf Kleidung spezialisierte Anbieter wie Kleiderkreisel, Mädchenflohmarkt oder Rebelle. Seit dem Vorjahr liefert auch Thredup, der größte US-Händler für Secondhandkleidung, nach Deutschland.
Doch obwohl Gebrauchtwarenplattformen wie Ebay schon zu den ersten großen Erfolgsgeschichten im Internet in den Neunzigerjahren gehörten, gibt es bis heute Unternehmen, die sich mit neuen Angeboten versuchen. Das sind einerseits Startups wie Shpock auf deren Flohmarkt-App inzwischen Waren im Wert von sechs Milliarden Euro gehandelt werden, jeden Monat gehen hier zehn Millionen Nutzer auf die Jagd nach Schnäppchen und besonders individuellen Stücken. Auf der anderen Seite machen auch große Konzerne Ebay & Co. Konkurrenz. So bietet Facebook inzwischen einen eigenen Marktplatz für Gebrauchtes.
Ikea steigt in Gebrauchthandel ein
Und Ikea will nun nicht länger zusehen, wie dort oder bei Ebay Kleinanzeigen gebrauchte Billy-Regale neue Besitzer finden. Seit September testen die Schweden selbst den An- und Verkauf von gebrauchten Möbeln. Zunächst wird das neue Angebot in fünf Filialen getestet - darunter in Berlin-Lichtenberg. Mit dem Einstieg in die Kreislaufwirtschaft gibt sich der Konzern umweltfreundlich, gleichzeitig sollen die Käufer und Verkäufer natürlich auch animiert werden, beim Kauf noch andere, neue Ikea-Produkte mitzunehmen. „Sie wollen es ihren Kunden leicht machen, neue Möbel zu kaufen, indem man die alten problemlos zurücknimmt“, sagt Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU.
Denn längst nicht jeder hat Zeit und Lust, seine gebrauchten Dinge, für manchmal nur einige Euro im Internet anzubieten. Hier helfen die Berliner Unternehmen Re-buy oder Momox. Sie kaufen in großem Stil Gebrauchtwaren auf und bieten sie dann auf eigenen Plattformen wieder an. Das Geschäft wächst rasant: Im Vorjahr meldete Momox erstmals einen Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro. 1300 Mitarbeiter beschäftigt Momox inzwischen. Hunderte Pakete kommen jeden Tag in den großen Hallen in Neuenhagen bei Berlin oder Leipzig an, wo Bücher, DVDs, Computerspiele und auch Klamotten in langen Regalreihen lagern.
Das größte Wachstum erfährt das Segment Kleidung. 25 Millionen Euro betrug der Umsatz 2017, in diesem Jahr legte das Wachstum um mehr als 70 Prozent zu. Weiter verkauft wird über Ebay und Amazon, nach eigenen Angaben sind die Berliner der zweitgrößte Amazon-Händler weltweit und die Nummer vier bei Ebay. Aber auch über die eigenen Tochterplattformen Medimops für Medien und Ubup für Kleidung werden die Waren angeboten. Seit Kurzem bewirbt das Unternehmen seine eigenen Secondhandmärkte mit TV-Spots. „Wir wollen damit unabhängiger von anderen Verkaufsplattformen werden“, sagt Momox-Chef Heiner Kroke.
Elektronik mieten statt Kaufen
Auch Grover hat mit gebrauchten Gegenständen zu tun, doch die Mission des Startups geht noch deutlich darüber hinaus, Dingen ein zweites Leben zu verschaffen. Gründer Michael Cassau will Konsumenten dazu verhelfen, immer das neueste iPhone oder andere Unterhaltungselektronik zu haben, ohne sie überhaupt kaufen zu müssen. Bei Grover können sie Handys, Computer, Kameras, aber auch Drohnen oder Staubsaugerroboter mieten. „Man kann so die Sachen richtig ausprobieren“, sagt Cassau. Gerade Produkte wie Drohnen, aber auch teure Kameras werden oft nur für einen Monat geliehen, das ist der kürzeste Zeitraum, den das Startup anbietet. Dabei werden sie getestet oder beispielsweise im Urlaub oder zu anderen speziellen Anlässen genutzt.
Doch die Mehrheit der monatlich zehntausend Nutzer greift inzwischen schon zur Zwölf-Monats-Option. Vor allem die besonders populären Produkte wie Smartphones oder Laptops werden längerfristig gemietet. Denn dabei sinkt auch die Monatsgebühr. Wer die Geräte dauerhaft behalten möchte, kann sie dann auch kaufen. „Das machen aber weniger als zehn Prozent“, sagt Cassau. „Wir überlegen daher, ob wir die Option überhaupt beibehalten.“ Die meisten erfüllen offenbar Cassaus Bild des neuen Konsumenten: Sie nutzen die neueste Technik für einige Monate und tauschen sie dann einfach gegen das noch aktuellere Modell.
„Kaufen ist ineffizient“, sagt Cassau. Stattdessen setze sich die Netflix-Kultur in immer mehr Bereichen durch. Wie bei Filmen oder Musik zahlen Kunden nicht mehr, um Gegenstände zu besitzen, sondern stattdessen für Zugang und Nutzung. Doch funktioniert das wirklich für Geräte wie Smartphones oder Laptops, die man täglich nutzt? „Als Spotify gestartet ist, sagten auch viele, sie würden nie auf ihre Musiksammlung auf CD oder bei iTunes verzichten“, entgegnet Cassau. Doch die junge Generation sammelt ihre Musik längst nur noch in Playlists bei Spotify & Co.
Auto und iPhone leihen
Für Cassaus These spricht auch, dass andere Unternehmen ebenfalls auf Abomodelle setzen. Grover selbst kooperiert mit Media Markt oder Conrad. Otto vermietet ebenfalls Elektrogeräte. Selbst die Autobranche hat das Flatrate-Modell für sich entdeckt. Startups wie Cluno und Like2Drive bieten Fahrzeuge zur Miete, Sixt offeriert von der Dieselaffäre verunsicherten Käufern Neuwagen im Abo und auch die Hersteller selbst setzen auf das Modell. Porsche testet es derzeit in den USA, Mercedes in einigen deutschen Städten wie Bochum und Essen. Ab 750 Euro im Monat gibt es die A- oder B-Klasse. Für 1800 Euro kann man zwischen der S-Klassen-Limousine und dem Cabrio fürs Wochenende wechseln.
Auch bei Grover muss man freilich genau rechnen, ob sich Mieten-statt-Kaufen lohnt. Schließlich kostet das iPhone X im Monat immer noch mindestens 75 Euro, im Jahr summiert sich das auf fast 900 Euro. Bei anderen Geräten wird in zwölf Monaten sogar mehr fällig als beim Kauf im Laden. Es gebe hier manchmal das Feedback, dass die Gebühren zu hoch seien, räumt Cassau ein.
Wohl auch deswegen tüftelt er derzeit an einem neuen Flatratemodell namens „Grover Mix“. Dabei können die Nutzer gleich drei Geräte gleichzeitig nutzen, idealerweise ab 99 Euro im Monat. Noch kalkuliert das Team, wie sich das Ganze sowohl für das Startup als auch für die Nutzer rechnet. Ende des Jahres soll das neue Kombi-Angebot dann starten.