Vom Weltmeister zum Startup-Gründer
Schon als Weltmeister war Erik Pfannmöller ein Mathefreak. Der Kanute erstellte sich eine riesige Tabelle mit einem Trainingsplan fürs ganze Jahr. Nach eingehender Analyse wollte er von seinen Trainern und Betreuern wissen, warum man nicht im Februar die Anzahl bestimmter Trainingseinheiten erhöht. „Weil wir das schon immer so gemacht haben haben“, lautete die unbefriedigende Antwort.
Für Pfannmöller war das der Anfang vom Ende. Mit nur 23 Jahren beschloss er als amtierender Weltmeister im Kanuslalom und Weltranglistenerster, die Paddel in die Ecke zu stellen. „Der Sport war zu viel physische und zu wenig psychische Belastung“, sagt Pfannmöller heute, gut zehn Jahre später. Stattdessen studierte er an der Handelshochschule Leipzig Betriebswirtschaft. Das Ziel: ein Unternehmen zu gründen.
Viele Sportler investieren in Startups
Damit ist der Ex-Weltmeister einer von vielen Sportlern, die eine zweite Karriere in der Wirtschaft starten. Immer mehr Stars investieren einen Teil ihrer verdienten Millionen in Startups. Davon profitieren auch zahlreiche Berliner Jungunternehmen wie Fanmiles, Stoyo, What3Words oder Scondoo, an denen Philipp Lahm, Nico Rosberg oder Robert Lewandowski beteiligt sind. Manche übernehmen sogar komplette Firmen oder gründen sie gleich selbst. Oft haben die Unternehmen einen Bezug zum Sport, so gehört Ex-Fußballnationalspieler Simon Rolfes jetzt das Aachener Unternehmen Goalcontrol, das bei der WM in Brasilien die Torlinientechnik lieferte. Doch es gibt auch Fälle wie vom Kapitän der Handballnationalmannschaft: Uwe Gensheimer hat ein Startup gegründet, das im Netz bunte Ringelsocken verkauft.
Die meisten Sportler wechseln vom Platz erst auf den Chefsessel, wenn die Karriere endet. Pfannmöller machte diesen Schritt schon viel früher. Dabei hätte er nach eigener Einschätzung noch zehn Jahre professionell Kanu fahren können. Auch wenn man damit nicht reich wird, habe er gut vom Sport gelebt. „In mir hat aber schon immer ein Unternehmer gesteckt“, sagt Pfannmöller. Und so hat der 33-Jährige aus Halle an der Saale inzwischen schon drei Startups gegründet.
Das Gutscheinportal Teambon verkaufte er schon nach zwei Monaten an den Wettbewerber Daily Deal. Mit MySportsWorld folgte ein Onlineshop für Sportartikel, der zu einem Unternehmen mit 70 Mitarbeitern und 20 Millionen Euro Umsatz wuchs. Nach drei Jahren stieg Pfannmöller aus, um wieder etwas Neues zu starten: seine aktuelle Firma Solvemate, mit der er in einem typischen Kreuzberger Startup-Büro sitzt.
Roboter haben 400.000 Kundenanfragen beantwortet
Die Tischtennisplatte fungiert gleichzeitig als Konferenztisch. Im Nebenraum, wo die Programmierer arbeiten, hängt an der Wand eine automatische Zähltafel. Sie zeigt gerade die Zahl 400.528. Es sind die Kundenanfragen, die in diesem Jahr bereits von Pfannmöllers Software beantwortet wurden. Solvemate entwickelt sogenannte Chatbots, die für Unternehmen Fragen von Kunden automatisch beantworten. Zu den Nutzern gehören große Versicherungen und Banken, wie die Berliner Sparkasse. „Service-Fuchs Freddy“ heißt das System hier, damit können die Kunden mit wenigen Klicks ihre Geldkarte sperren oder nach Antworten auf Probleme beim Onlinebanking fragen.
Auf die Idee ist Pfannmöller durch seinen Vater gekommen, als der mal wieder Schwierigkeiten mit dem Computer hatte. Mit wenigen Fragen konnte Pfannmöller das E-Mail-Problem so weit eingrenzen, dass die Lösung klar war. Dabei erinnerte er sich, wie ähnlich es in seiner vorherigen Onlinehandelsfirma war: 200.000 Kundenanfragen waren dort jährlich eingegangen. Für die meisten hatten die Mitarbeiter standardisierte Antwortrichtlinien. Eigentlich könnten das dann auch Algorithmen übernehmen, dachte sich Pfannmöller. Das wäre günstiger und vor allem schneller. „Kunden erwarten heute Antworten in Echtzeit“, sagt der Unternehmer. Doch im Schnitt müssten sie mehr als 15 Stunden warten.
Pfannmöller hat vor etwa vier Jahren begonnen, sich mit Künstlicher Intelligenz (KI) zu beschäftigen: „Mir war klar, dass KI die Welt transformieren wird.“ Er las dazu dicke Bücher und schaute Hunderte Stunden Onlinevideos, beispielsweise über maschinelles Lernen: „Das ist alles keine Raketenwissenschaft.“
Sportlerinnen sind selten dabei
Das gilt fürs Gründen generell. Doch auffallend ist, dass unter den Startup-Gründern und -Investoren aus der Sportszene so viele (Ex-)Profifußballer sind - und so wenige (Ex-)Sportlerinnen. Zwar ist der Anteil weiblicher Gründer in der Startup-Szene generell gering mit 15 Prozent. Im Sport kommen aber noch einmal besondere Komponenten hinzu: So müssen selbst viele Profisportlerinnen nebenbei arbeiten, weil sie vom Sport allein nicht leben können.
„Männliche Sportstars verdienen dagegen oft Millionen, sie können sich das Risiko einer Fehlinvestition also viel eher leisten“, erklärt Stephanie Birkner, Professorin für Female Entrepreneurship an der Universität Oldenburg. Durch ihren VIP-Status hätten männliche Sportler auch eher Zugang zu Netzwerken, in denen sie von interessanten Investitionsmöglichkeiten erfahren. Oft sollen sie durch ihren Status eine Marke oder Geschäftsidee aufwerten.
„Im Sport sind alle nett, beim Geschäft ist es umgekehrt“
Sowohl für Sportler wie Nichtsportler gilt, dass es Mut zum Gründen braucht - auch hier seien die männlichen Sportler im Vorteil, erklärt Birkner: „Sie bekommen bereits zu Beginn ihrer Karriere ein sehr gutes Persönlichkeitscoaching und bauen ein großes Ego und Selbstbewusstsein auf. Deshalb trauen sie sich dann vielleicht auch eher zu, selbst ein Unternehmen zu gründen.“
Für Pfannmöller sind Zielstrebigkeit und Durchhaltevermögen die wichtigsten Parallelen zwischen Sport und Geschäftswelt. Statt bestimmte Titel zu erreichen, wolle man eine bestimmte Anzahl an Kunden gewinnen. Allerdings sei der unternehmerische Erfolg weniger planbar. Und noch einen Unterschied musste Pfannmöller lernen: „Im Sport sind eigentlich alle nett zueinander, im Geschäftsleben ist es genau umgekehrt.“