Stehen oft auf dem Schlauch. Chatbots sind noch ausbaufähig. Grafik: The Noun Project/Maxim Kulikov; Hendrik lehmann

Chatbots sind schwer von Begriff

In Messengern können Nutzer mit tausenden virtuellen Assistenten chatten. Leider hakt die Konversation meistens sehr.

Antonia Ermacora bringt ihrem Kind gerade neue Farbtöne bei. Rot, Grün oder Gelb kennt Emma schon, heute kommt Roségold dran. Für den Farbunterricht sucht Ermacora auf ihrem Laptop bei Zalando ein Paar mattschimmernde Schuhe und T-Shirts in dem Modeton heraus. Es folgen einige Eingaben und Klicks, schon ist der Lernprozess abgeschlossen.

Denn die nicht einmal ein Jahr alte Emma ist kein Mensch sondern ein Softwareprogramm, ein sogenannter Chatbot. Man kann sich mit Emma im Messenger von Facebook unterhalten, der Bot soll den Klamottenkauf vereinfachen. Nutzer schreiben einfach: „Ich suche Schuhe in Roségold“, Emma antwortet mit passenden Produktvorschlägen.

34.000 Chatbots allein für Messenger

Bislang arbeitet Ermacoras Startup Chatshopper dabei nur mit Zalando zusammen. „Wir sprechen aber auch schon mit anderen Anbietern“, sagt die Berliner Gründerin. Denn Ermacora hat ein großes Problem: 70 Prozent der Anfragen kommen auf Englisch. Doch wenn den Nutzern die Vorschläge des Shopping-Bots gefallen, folgt die Enttäuschung: Zalando liefert nicht in die USA.

Chat-Bauer. Antonia Ermacora und Matthias Nannt wollen klügere Chatbots bauen. Foto: promo/chatShopper

Allerdings haben US-Kunden genug Alternativen. Mehr als 34.000 Chatbots wie Emma gibt es inzwischen allein für den Facebook Messenger. Neben Kleidung kann man damit Blumen oder Essen bestellen, die digitalen Helfer sagen wie das Wetter wird oder schicken die neuesten Nachrichten zum Lieblingssportclub.

Die Anbieter reagieren damit auf einen Trend. Smartphone-Nutzer verbringen immer mehr Zeit mit Messengern wie WhatsApp. Viele andere Apps werden dagegen immer weniger genutzt. So wurden in den USA seit 2014 38 Prozent weniger neue Apps heruntergeladen. Daher drängen zahlreiche Unternehmen mit ihren Angeboten in die Chatprogramme.

Vorbild China

Vorbild ist dabei China. Mit dem dort populärsten Messengerdienst WeChat kaufen die Chinesen Flug-, oder Kinotickets und erledigen Finanzgeschäfte. „Chatbots sind die neuen Apps“, glaubt auch Microsoft-Chef Satya Nadella.

Und so entwickeln auch immer mehr deutsche Unternehmen die kleinen Kommunikationsroboter. Zalando selbst testet in Großbritannien einen Shopping-Bot namens Jaff. Opel hat gerade das Programm Chad veröffentlicht, interessierte Kunden können mit dem Bot auf Facebook einen Termin für Probefahrten vereinbaren. Derzeit allerdings nur in Stuttgart und Düsseldorf; München kommt in der kommenden Woche dazu. Weitere Städte sollen folgen, Pläne für Berlin gibt es aber noch nicht.

Lufthansa scheitert am BER

Auch Lufthansa hat Ende vergangenen Jahres die virtuelle Assistentin Mildred eingeführt, eine Comicfigur mit schwarzer Brille und pinkfarbenen Haaren. Ein Dialog mit Mildred zeigt jedoch, welche Verständigungsschwierigkeiten es mit den Chatmaschinen oft noch gibt:

„Ich würde gern vom BER fliegen.“

Das ist natürlich etwas gemein, aber eine Alternative von Tegel wäre ja auch okay. Mildred legt los:

„Ich werde nach Berlin suchen. Wo möchtest Du Deine Reise beginnen?“

„Wie gesagt in Berlin.“

„Ich suche nach dem günstigsten Flug von Berlin nach Berlin. Schade, für diese Verbindung habe ich keine Preise gefunden.“

Auf ganz konkrete Anfragen, zum Beispiel „Ich möchte am kommenden Freitag von Berlin nach München“ antwortet der Bot in Sekunden mit einem Angebot. Wenn man davon jedoch nur etwas abweicht, ist der Bot schnell überfordert. Statt ein Angebot für einen anderen Tag zu suchen, schlägt er einen Flug nach Krakau vor. Und auch die Antwort auf die Frage, warum Mildred mich nun plötzlich nach Polen schicken will, ist verblüffend: „Leider konnte ich keinen Flughafen in der Nähe von Berlin finden“.

Mit den Schwierigkeiten ist der Chatroboter der Lufthansa nicht allein. „99 Prozent der Bots sind richtig schlecht“, sagt Entwicklerin Ermacora. Das liege auch daran, dass es so einfach sei, einen Chatbot zu bauen.

Microsoft im Bot-Markt

Wie simpel das geht, demonstrierte Peter Jaeger am Donnerstag bei der Microsoft-Konferenz „Explained“. Jaeger ist Mitglied der Geschäftsleitung von Microsoft Deutschland, er trägt den schönen Titel „Senior Director Developer Experience & Evangelism DX“. Der Technik-Vordenker steht auf der Bühne und öffnet ein Programm auf seinem Rechner. Dort hinein kopiert er den Link zu einem 10-Fragen-zu-Windows10-Artikel eines Computermagazins. Einige Klicks und keine fünf Minuten später hat die Software daraus einen Bot gebaut. Jaeger fügt ihn in Skype ein, tippt dort im Chatfenster: „Was kostet Windows10?“. Und erhält prompt eine passende Antwort.

Mit der Software von Microsoft wurden schon 70 000 Bots entwickelt. Sie können auf verschiedenen Plattformen genutzt werden, von Facebook über den bei Startups beliebten Kommunikationsdienst Slack bis hin zu Skype. Und wahrscheinlich auch bald bei WhatsApp. Der hierzulande populärste Messenger lässt bislang die Integration von Chatbots nicht zu. Insider erwarten jedoch, dass Facebook auf seiner nächsten Entwicklerkonferenz im April die Integration bei seiner Tochter WhatsApp ankündigt.

Fehlende Intelligenz

Das dürfte den Hype um Chatbots weiter befeuern. Doch um sich dauerhaft durchsetzen zu können, muss auch die Qualität deutlich steigen. Schließlich räumt selbst der Chef des Facebook-Messengers, David Marcus, ein, dass ein Großteil der Bots noch nicht ausgereift sei. „Das war aber bei den ersten Apps und Websites genauso“, sagt Marcus.

„Die Erwartungen an Bots sind viel höher, als das, was sie erfüllen können“, sagt Fabian Westerheide, Gründer des Berliner Wagniskapitalfonds Asgard. Er investiert vor allem in Startups, die Künstliche Intelligenz nutzen. Entwickler von Chatbots gehören bislang nicht dazu. “Das Problem ist, dass oft keine Intelligenz dahinter ist und die Bots in den meisten Fällen nicht lernen”, sagt Westerheide.

Auch immer mehr Entwickler reagieren auf die Schwierigkeiten, indem sie den Nutzern bestimmte Auswahlmöglichkeiten geben und den Dialog so steuern. Facebook unterstützt diesen Trend zum Beispiel. „Button-Bots“ nennt Chatshopper-Gründerin Ermacora diese Angebote abschätzig, in denen die Nutzer virtuelle Knöpfe drücken können. „Der Ansatz mit Sprache und Dialogen ist die natürlichere und bessere Lösung“, sagt Ermacora. „Doch das richtig gut umzusetzen, ist doch schwieriger, als wir am Anfang dachten.“