Nicht zögern, einfach machen. Miriam Wohlfahrt macht in der Fintech-Szene Karriere. Foto: promo

Frauen, die mit Geld umgehen

Die meisten Startups werden von Männern gegründet – vor allem im Finanzbereich. Doch langsam ändert sich das.

Allein unter Männern zu sein, das ist Christine Kiefer gewöhnt. Als sie Informatik studierte, saßen neben ihr kaum Frauen im Hörsaal. Auch später, im Handelsraum von Goldman Sachs in London, war die Zahl ihrer Kolleginnen überschaubar. Heute leitet Kiefer in Berlin das Startup Pair, eine Art Online-Inkassounternehmen. Und immer noch hat sie viel mehr Kollegen als Kolleginnen. Gerade einmal 13 Prozent der Techfirmen werden von Frauen gegründet. Besonders groß ist der Frauenmangel bei den Fintechs – bei Startups, die Finanzdienstleistungen fürs Netz entwickeln. Doch auch wenn nur wenige Frauen Fintechs führen: Ein paar gibt es, auch in Berlin. Und die tun mittlerweile viel dafür, dass sie bald nicht mehr allein sind unter Männern.

Kampfgeist. Christine Kiefer wünscht sich mehr Kolleginnen. Foto: Doris Spiekermann-Klaas

Fintechs – das sind die jungen Wilden der Finanzindustrie. Die Techfirmen entwickeln Apps, mit denen das Bankgeschäft schneller, billiger und einfacher werden soll. Sie helfen Verbrauchern, ihr Geld im Internet anzulegen. Sie bringen online Kreditnehmer und -geber zusammen. Oder sie kümmern sich wie Kiefers Startup Pair darum, im Netz das Geld von säumigen Kunden einzusammeln. Dass es bei den Fintechs besonders wenige Chefinnen gibt, ist dabei nicht überraschend. Schließlich kämpfen auch die klassischen Banken mit der Frauenquote. Nur sehr langsam gelingt es den Geldinstituten, Frauen in ihre Vorstände zu holen. Die Zahl der Bankchefinnen ist noch immer überschaubar. Frauen arbeiten oft in der Filiale, steigen aber selten in die Geschäftsführung auf. Dieser Frauenmangel in der „Old Economy“ überträgt sich auf die Startups. Denn wer ein Fintech gründen will, braucht Erfahrung: Die Finanzprodukte sind komplex, die Branche ist streng reguliert. Anders als bei Startups, die im Onlinehandel unterwegs sind, haben die Fintech-Gründer meist bereits bei Banken gearbeitet – so wie auch Christine Kiefer.

Die Fintech-Ladies organisieren sich

Die 34-Jährige will mit gutem Beispiel vorangehen. Gerade hat sie in Berlin die Fintech-Ladies gegründet – ein Netzwerk für Frauen aus der Fintech-Szene. „In meinem Freundeskreis arbeiten viele in der Startupszene“, sagt Kiefer. „Aber nicht immer hat man die Möglichkeit, sich im privaten Umfeld über Themen auszutauschen, die einen als Gründer bewegen, wie die nächste Finanzierungsrunde oder Führungsthemen.“ Kiefer suchte daher bewusst andere Frauen, die in einer ähnlichen Position sind wie sie, um sich mit ihnen zu vernetzen, zu diskutieren.

Beim ersten Treffen der Fintech-Ladies waren sie noch zu zehnt. Inzwischen bekommt Kiefer jedoch immer mehr Anfragen. Auch Bankerinnen melden sich bei ihr. Studentinnen schreiben ihr Mails, weil sie später in der Branche Karriere machen wollen. Sogar aus dem Ausland kommen Anfragen. Das zeigt: Es gibt Frauen, die sich für die Fintech-Branche interessieren. Man muss sie nur finden.

»In der Startup-Szene ist es leichter, Familie und Führungsrolle zu vereinbaren«

Keine Lust auf Vorurteile. Wenn Carolin Gabor ihre Töchter ins Bett gebracht hat, klappt sie den Laptop wieder auf. Foto: Doris Spiekermann-Klaas

Zum Beispiel Carolin Gabor. Die 39-Jährige konnte und wollte sich lange nicht so recht entscheiden: Will sie bei einer Bank oder doch lieber bei einem Techunternehmen arbeiten? Begonnen hat sie ihre Karriere bei der Deutschen Bank. Später war sie Geschäftsführerin beim Vergleichsportal Toptarif, danach bei Autohaus24. Seit diesem Freitag ist sie eine der Geschäftsführerinnen von Finleap, einer Berliner Startup-Schmiede, die Fintechs in Serie gründet. In der Führungsmannschaft ist Gabor dort die erste und einzige Frau unter sechs Männern. Sie soll den Startups beim Wachsen helfen. „Wenn die Gründungsphase abgeschlossen und das Unternehmen auf dem Markt ist, kommen ganz andere Herausforderungen auf die Gründer zu“, sagt Gabor. Erreicht man die Zielgruppe? Verdient die Firma genug Geld mit dem Geschäftsmodell? Sollte man irgendwann verkaufen? Es sind Fragen, die Gabor kennt. Toptarif zum Beispiel hat sie profitabel gemacht und an die Konkurrenz verkauft. Diese Erfahrung will sie nun weitergeben.

Dass bislang so wenige Frauen eine Führungsrolle bei einem Startup anstreben, kann sie nicht verstehen. Möglicherweise habe es mit Vorurteilen zu tun. Zum Beispiel dem, dass der Job nicht zur Familienplanung passt. Dabei sagt Gabor: „In der Startup-Szene ist es sehr viel leichter, Familie und eine Führungsrolle zu vereinbaren, als bei einem Großkonzern.“ Anders als bei alteingesessenen Unternehmen gibt es gerade bei den jungen Techfirmen keine Präsenzkultur. Gabor geht jeden Abend pünktlich nach Hause. Sie hat zwei Töchter, die fünf und sieben Jahre alt sind. „Von 18 bis 20 Uhr ist Familienzeit“, sagt sie. Sind die Kinder im Bett, klappt sie den Laptop wieder auf, schreibt Mails, plant den nächsten Tag.

»Führungsrollen müssen in Teilzeit möglich sein«

Dass das funktionieren kann, gleichzeitig ein Kind und ein Startup großziehen, weiß auch Miriam Wohlfarth aus eigener Erfahrung. Bereits 2009 hat sie die Berliner Fintech-Firma Ratepay gegründet, die Kunden ermöglicht, beim Onlineshopping per Rechnung oder Ratenkauf zu zahlen. Als ihre Firma an den Start gegangen ist, kam ihre Tochter gerade in die Schule. „Das war stressig. Aber mit guter Organisation bekommt man das hin“, sagt sie. Es ärgert Wohlfarth, wenn sie auf einer Branchenveranstaltung mal wieder die einzige Frau ist. Unter ihren Mitarbeitern nimmt sie auf diejenigen mit Familie daher besonders Rücksicht. „Es muss auch möglich sein, eine Führungsposition in Teilzeit auszufüllen“, sagt sie. „Und wenn das Kind krank ist, dann macht man halt Homeoffice.“

Dennoch beschäftigt auch Wohlfarth nicht so viele Frauen, wie sie gerne würde. „Derzeit sind gut 30 Prozent unserer Mitarbeiter Frauen. Wenn es nach mir geht, dürften es ruhig 50 Prozent sein“, sagt sie. Doch das hängt nicht nur von ihr ab – ihr fehlen die Bewerberinnen. Wenn sich von vornherein weniger Frauen bewerben, bekommen auch weniger einen Job. Das ist bei Startups nicht anders als in alteingesessenen Betrieben.

»Noch sind wir ganz am Anfang«

„Frauen brauchen mehr Erfolge, um zu sagen, jetzt trau ich mich, den Chefposten zu übernehmen“, sagt Carolin Gabor. Sie selbst engagiert sich deshalb zum Beispiel im Frauenbeirat der Hypovereinsbank, in dem Managerinnen und Gründerinnen zusammenkommen. Auch bei den Treffen der Fintech-Ladies wird sie demnächst dabei sein. Geht es nach deren Gründerin, Kristine Kiefer, soll das Netzwerk schnell wachsen. Langfristig könnten die Fintech-Ladies etwa auch Konferenzen und Workshops veranstalten, um noch mehr Frauen aus der Fintech-Szene zusammenzubringen. „Noch sind wir ganz am Anfang“, sagt Kiefer.