Jeder hört, was er will

Das Audio-Startup Holoplot hat es geschafft, ein Soundsystem zu bauen, das bis zu 16 verschiedene Songs gleichzeitig im gleichen Raum abspielen kann - ohne dass man die jeweils anderen Songs hört.

Lautsprecher haben ein Problem. Wenn sie laut sind, hören es alle. Aber was wäre, wenn man ein Soundsystem bauen könnte, dass genau steuern kann, wer im Raum etwas hört und wer nicht? Genau das hat ein Berliner Startup, Holoplot, geschafft. Auf der weltweit größten Technologie- und Digitalkonferenz South by Southwest (SXSW) in Austin, Texas, haben sie dafür nun den Interactive Innovation Award bekommen.

„Das Team hat jahrelang sehr hart und gut gearbeitet, um zu diesem Punkt zu kommen“, sagte der Geschäftsführer von Holoplot Roman Sick in Austin. Gerade gegen so viele sehr gute internationale Wettbewerber sei das ein Erfolg.

Verschiedene Musik in ein und demselben Raum

Tatsächlich könnte die futuristische Lautsprecherwand von Sick und seinen fünf Mitarbeitern die Audioindustrie ziemlich auf den Kopf stellen. Denn während es schon jetzt mit Systemen wie Dolby Sourround möglich ist, Klang aus verschiedenen Richtungen zu erzeugen, kann man mit der Lautsprecherwand von Holoplot Räume deteailgetreu akustisch nachbilden. Sick erklärt den Vorteil so: „Wir sind in der Lage, Schall zu kontrollieren und ihn über eine Distanz von bis zu 100 Metern auf einzelne Personen oder Gruppen sehr präzise auszurichten. Nur die Person, auf die der Schall gerichtet ist, hört den Sound.“ Die Personen, die neben ihr steht, höre den Klang nicht.

Das ermöglicht erst einmal eine bessere Tonqualität. So hat Holoplot sein System gemeinsam mit der Deutschen Bahn am Frankfurter Hauptbahnhof und am Bahnsteig des Frankfurter Flughafens getestet. Dabei stieg nicht nur die Verständlichkeit der Lautsprecheransagen stark an. Es wurde auch möglich, beispielsweise einen Teil des Bahnsteigs mit englischen Ansagen zu bespielen, einen anderen Abschnitt mit deutschen.

Es wird also möglich, in ein und demselben Raum verschiedene Gruppen mit völlig unterschiedlichen Inhalten zu bespielen. Bis zu 16 Kanäle kann das System gleichzeitig aussenden.

Sound über Bande

Dahinter steckt eine aufwendige Software. Im Gegensatz zu herkömmlichen Lautsprechern wird nicht einfach Klang aus verschiedenen Richtungen ausgesendet. Stattdessen werden die Schallwellen von einer Stelle aus so gegen Wände, Decke und Boden geschleudert, dass sie den Zuschauer anschließend aus der richtigen Richtung erreichen.

„Das, was wir als Akustik wahrnehmen, ist zum großen Teil nicht der Klang selbst, sondern die Reflexion des Klangs durch den Raum“, erklärt Sick. Und genau dieses Prinzip macht sich die Firma zunutze. Man nennt das „Wellenfeld-Synthese“. Dabei formt sich der Klang aus sehr vielen kleinen Wellen erst an dem Punkt im Raum, an dem sich die kleinen Wellen überlagern, erzählt Sick: „Mit unserem Soundsystem behandeln wir Sound wie in einer Konzerthalle. Dort entsteht der Klang auch erst durch die Schallquelle wie beispielsweise eine Geige.“ Es ist so, als wirft man viele kleine Steine ins Wasser, deren Wellen sich zu größeren Wellen vereinigen. Die Kombination dieser beiden Ideen, Sound über die Wände spielen und Wellenfeldsysnthese, das ist das Revolutionäre.

Im Gegensatz zu bisherigen Lautsprecheranlagen wird es nun möglich, ganze akustische Erkundungsgärten zu entwerfen. Der Zuhörer könnte durch eine Halle gehen, an einem Ort Bach hören, zehn Meter weiter Techno, von Klassik keine Spur mehr. Oder es wäre möglich, durch ein Büro zu laufen, das so klingt, als sitzen hier und dort plötzlich Vögel über einem, und hinter den Schränken brüllen die Affen.

Kommt bald die individualisierte Audiowerbung

Bislang richtet sich Holoplot, die im Dachgeschoss einer ehemaligen Fabrik in Tempelhof ihre Büros haben, allerdings vor allem an Eventfirmen. Messen, Produktpräsentationen, Konferenzen – sie alle brauchen nämlich eine sehr gute Tonqualität in oft schwer zu bespielenden Räumlichkeiten.

Die durchschlagende Idee zu dem Hunderte von Einzellautsprechern umfassenden System hatte der frühere Tonmeister Helmut Oellers, der noch immer Teil des Teams aus Ingenieuren, Sounddesignern und Tontechnikern ist. Beim jetzigen Modell gibt der Benutzer die Maße des Raums in ein iPad ein, wählt dann, aus welchem Material die Wände bestehen und schon geht es los.

Supermärkte haben sich bislang noch nicht gemeldet. Es wird also glücklicherweise noch eine Weile dauern, bis jeder im Laden zielgenau mit Werbung beschallt wird. Die Berliner Erfinder wollen erst einmal versuchen, ihr System auch in anderen Ländern zu verkaufen. Ihr Erfolg in Texas war dafür sicher ein Schritt in die richtige Richtung.