Nach Berlin kräht derzeit jeder Hahn – auch der gallische. Illustration: Tagesspiegel

Oh, lá, lá Berlin

Die Initiative French Tech Hubs will französischen Startups helfen, in Berlin Fuß zu fassen. Konkurrenz gibt es derweil um englische Fintechs.

Mathias will seinen Kunden eine ganz neue Perspektive auf die Hauptstadt geben – und zwar aus der Luft. Der Pilot bietet einen Rundflug in seinem Flugzeug an, los geht’s in Strausberg über Friedrichshain, Kreuzberg, das Olympiastadion und dann an der Havel entlang nach Potsdam. Rund 45 Minuten, für 98 Euro pro Person. Vermittelt wird die Reise über die Mitflugzentrale Wingly, ein deutsch-französisches Startup, das Piloten und Privatpersonen zusammenbringt und nun den Berliner Markt erobern will. Helfen soll dabei die Initiative French Tech Hubs, eine spezielle Wirtschaftsförderung für junge Tech-Unternehmen aus Frankreich und Deutschland.

Champagner statt Club Mate

Zum Start gab es am Donnerstagabend im Rainmaking Loft, einem Coworking-Space in Mitte, selbstverständlich Champagner statt Club-Mate – und auch sonst unterscheiden sich die Gründerkulturen der beiden Nachbarländer durchaus, erklärt Lucas Friscic von der Wirtschaftsförderung Business France: „Der Markt in Frankreich ist eher von Startups geprägt, die sich auf Big Data und das Internet der Dinge konzentrieren, in Berlin stehen eher E-Commerce und digitale Lösungen im Mittelpunkt.“ Aber gerade deshalb könnten die jungen Unternehmen in beiden Ländern von Initiativen wie dem French Tech Hub über den gemeinsamen Austausch profitieren. „Mentoren vor Ort sollen den französischen Startups dabei helfen, in den lokalen Märkten Fuß zu fassen. Auch sollen sie Kontakte herstellen, beispielsweise zu Investoren oder potenziellen Kunden“, erläutert Friscic. „Denn wer heute schnell wachsen will, kommt um eine Internationalisierung nicht herum.“

Frankreichs Botschafter Philipp Etienne betonte am Donnerstagabend die Wichtigkeit der Initiative. „Das französische und deutsche Startup-Ökosystem zu verbinden, gehört zu meinen Top-Prioritäten als Botschafter“, sagte er.

Französische Startups auf dem Weg in die Welt

Neben Berlin gibt es bereits 21 weitere solcher French Tech Hubs weltweit. Axelle Lemaire, die französische Staatssekretärin für Digitales und Innovation, hatte die Initiative vor drei Jahren lanciert, um junge Unternehmer zu ermutigen, den Schritt ins Ausland zu wagen und ihr Unternehmen dort größer aufzuziehen. Im Silicon Valley ist das French Tech Hub ebenso vertreten wie in Südafrika, Dubai, Tokio, Schanghai, Moskau, Tel Aviv und London. Gefördert werde die Initiative allerdings nur ideell, nicht finanziell, sagt Friscic. Sie soll aber nicht nur aus Frankreich Brücken schlagen in andere Länder, sondern ebenso ausländischen Startups den Weg auf den französischen Markt erleichtern. Mit dem „French Tech Ticket“ werden 2017 beispielsweise 200 Unternehmen bei ihrer Niederlassung in Frankreich unterstützt.

Wie Frankreich starten immer mehr Länder solche Initiativen. Die Konkurrenz um die jungen und dynamischen Tech-Unternehmen ist weltweit groß, wer hätte nicht gerne das nächste Facebook oder Google in seiner Heimat ansässig? Auch in Berlin werden immer mehr solcher Initiativen gestartet (siehe Kasten), um von der vibrierenden Startup-Kultur der Hauptstadt zu profitieren. Wirtschaftsförderungsinitiativen wie Berlin Partner werben in aller Welt für den Tech-Standort Berlin.

Konkurrenz um Fintechs?

Der Start des Berliner French Tech Hubs fällt allerdings in eine politisch heikle Zeit. Nach dem Brexit-Votum bemühen sich Paris und die deutsche Hauptstadt insbesondere um die bisher in London ansässigen Fintechs, die jungen Startups aus der Banken- und Finanzbranche. Bringt sich Frankreich dabei nicht automatisch in die Bredouille, wenn es nun ausgerechnet den Startup-Standort Berlin stärkt?

„Nein“, versichert Friscic, „die Stärkung des einen Standorts bedeutet ja nicht automatisch die Schwächung des anderen.“ Zumal es auch um einen freundschaftlichen Austausch zwischen beiden Ländern gehe. Unterstützt wird die Initiative in Berlin von sogenannten Markenbotschaftern, zu denen Gunnar Graef von Deutsche Ventures, Alexis Hue von Oppex und Ulrich Schmitz von Axel Springer gehören.

Wie viele Startups dem Berliner Hub angehören werden, steht noch nicht fest. Wingly-Mitgründer Lars Klein möchte gerne dabei sein. „Wenn man expandieren will, ist es immer sehr hilfreich, wenn man auf solche Netzwerke zurückgreifen kann“, erklärt er. Er schätzt es zudem, in beiden Startup-Kulturen zu Hause zu sein. „Berlin ist kreativer, Paris bodenständiger, das ergänzt sich sehr gut“, sagt Klein, der ursprünglich aus Koblenz stammt. Von dort hat er bereits die Mitflugzentrale in die französische Hauptstadt genutzt. Bald hofft er sogar, selbst am Steuer zu sitzen. Er macht gerade seinen Pilotenschein.


Auch andere Länder fördern Startups in Berlin

Von Berlins kreativer Digitalszene wollen viele Startups gerne profitieren und siedeln sich deshalb in der Hauptstadt an, um von hier aus dann auf dem deutschen oder europäischen Markt Fuß zu fassen. Oft werden sie dabei von ihren Heimatländern unterstützt.

Solche Programme gibt es derzeit beispielsweise von koreanischen und portugiesischen Startup-Verbänden in den Co-Workingspaces Betahaus und Ahoy. Die jungen Tech-Unternehmen sollen hier Netzwerke knüpfen und so ins Gespräch mit potenziellen Investoren und Kunden kommen.

Australien

Am 14. November eröffnet ebenfalls Australiens Botschafterin Lynette Wood ein „Landing Pad“, einen Landeplatz für australische Startups in Berlin. Einige der „besten und innovativsten“ Gründer kommen im Rahmen der Initiative nach Berlin, „der Startup-Hauptstadt Europas“, kündigt die Botschaft an. Im Fokus soll dabei vor allem auch eine mögliche Zusammenarbeit mit mittelständischen Unternehmen stehen, aber auch mit großen Konzernen und Investoren. Insgesamt 36 Millionen australische Dollar wolle die Regierung in den kommenden fünf Jahren investieren, um Innovationen und wissenschaftliche Kooperationen von Australiern im Ausland zu fördern, hatte Handelsminister Steven Cibo im April angekündigt. Wie hoch die Investitionen in den Berliner Standort sind, soll kommende Woche angekündigt werden. Ähnliche „Landeplätze“ für Startups hat Australien auch im Silicon Valley und in Tel Aviv gestartet.

China

China ist ebenfalls in Berlin aktiv, im Accelerator Techcode sollen deutsche Startups auf den Markteintritt in China vorbereitet werden.

Berlin im Ausland

Auch die Berliner Wirtschaftsförderung Berlin Partner wirbt im Rahmen ihrer „Start Alliance“ für die Hauptstadt als Standort für Tech-Gründer. Mit Tel Aviv, Paris, New York und Schanghai gibt es bereits vier Partnerstädte, ab dem 14. November werden aus jeder Stadt jeweils Startups für drei Wochen nach Berlin kommen. Zum Programm gehören beispielsweise ein Pitch-Training, Beratungen zu rechtlichen und Visa-Fragen, am Ende gibt es einen Demo-Day, wo sich die Unternehmen vor einer Runde aus Investoren präsentieren können. sal