Messenger haben erst die private Kommunikation verändert, nun soll das Berufsleben darauf umsteigen. Grafik: promo

Warum Slack die Kommunikation in Firmen erobert

Zuerst wurde Slack hauptsächlich von Startups genutzt. Doch nun ersetzen auch andere Firmen E-Mails zunehmend durch das Kommunikationstool.

Wenn Marc-Alexander Christ morgens aufwacht, greift er noch im Bett nach seinem Smartphone. Er schaut, ob es neue WhatsApp-Nachrichten gibt, gleich danach öffnet er Slack. Die App ist ein Messenger für Firmen und erobert derzeit die Unternehmen im Sturm. „Bei uns ersetzt es den Großteil der internen E-Mails“, sagt Christ.

Wichtigstes Kommunikationstool bei Startups

Er ist einer der Gründer von Sumup. Das Startup verkauft ein kleines Lesegerät für Kreditkarten. Der Clou: Man kann es einfach mit einem Smartphone verwenden und sofort Kartenzahlungen akzeptieren. Ideal für mobile Händler wie Food Trucks oder kleine Läden. 850.000 Händler in 31 Ländern nutzen das bereits.

Rasant gewachsen ist auch das Team: Das Startup beschäftigt 900 Mitarbeiter in neun verschiedenen Städten von Sofia bis Sao Paolo. Christ und die anderen Gründer stammen aus Berlin. Hier sitzt er mit 200 Mitarbeitern, verteilt in verschiedenen Coworkingspaces, bis das neue Büro einzugsbereit ist. Der Großteil des Teams arbeitet jedoch in London. Die Firma hatte 2011 den Hauptsitz in das britische Bankenzentrum verlegt. „Eine vibrierende Finanzszene gab es da ja in Berlin nicht unbedingt“, sagt Christ.

Die Mitarbeiter zwischen London, Berlin und den anderen Standorten zu koordinieren, war von Anfang an eine Herausforderung. Viele Videokonferenzen gehörten zum Alltag. Skype war daher bei Sumup lange intensiv im Einsatz, zumal das Programm auch eine Chatfunktion hat und gleich als interner Nachrichtendienst mit verwendet wurde. „Die meisten haben aber ihren privaten Skype-Account genutzt“, sagt Christ. Da musste man immer erst einmal nach dem Nutzernamen fragen. Zudem blieben so manche Nutzer in den Gruppen, nachdem sie das Unternehmen schon verlassen hatten.

Mit Slack bekommt nun jeder einen Firmenzugang, alle Nutzer stehen damit automatisch in der Kontaktliste, allerdings nur solange sie im Unternehmen sind. Videotelefonate sind mit Slack auch möglich - es ist nur eine von unzähligen Zusatzfunktionen, welche die App anbietet.

60 Prozent der Dax-Konzerne nutzen Slack

Bei Startups ist das Programm damit in kurzer Zeit zum wichtigsten Kommunikationstool geworden. Allein in Berlin nutzen gut 50 000 Menschen den Dienst täglich. Doch inzwischen sprechen sich die Vorzüge auch immer mehr außerhalb der Digitalszene herum. „Slack wird vom Dax-Unternehmen bis zur Zahnarztpraxis im Wedding genutzt“, sagt Europachef Johann Butting. Dabei seien große Unternehmen inzwischen mit Abstand die größte Nutzergruppe. 60 Prozent der Dax-Konzerne setzen das Programm bereits ein. Aber auch Firmen wie Birkenstock, Sixt oder der Heizungsbauer Viessmann.

Mit Slack wiederholt sich nun eine Entwicklung, die sich im Privatleben seit einigen Jahren vollzieht. Vor noch nicht allzu langer Zeit wurden Verabredungen gern per E-Mail getroffen. „Heute ist es lächerlich, seinen Freunden E-Mails zu schicken, um Treffen zu arrangieren“, sagt Slack-Chefentwickler Cal Henderson. Das wurde bei den meisten durch Messenger wie WhatsApp abgelöst. Vor allem jüngere Generationen nutzen E-Mails kaum noch.

Dagegen stöhnen die meisten Büroarbeiter über die tägliche Nachrichtenflut. Insgesamt wurden im Vorjahr in Deutschland 771 Milliarden Mails verschickt - ein großer Teil von oder in Unternehmen. Anderthalb Stunden täglich ist jeder Angestellte laut GfK mit dem Bearbeiten der Digitalpost beschäftigt, im Monat sammeln sich durchschnittlich 600 E-Mails im Postfach an.

WhatsApp hat Datenschutzprobleme

Genau das will Slack ändern. Schließlich nutzen immer mehr Unternehmen ohnehin auch dienstlich WhatsApp, Skype oder andere Chat- und Messengerdienste. Das hat seine Tücken: Oft werden dabei die privaten und beruflichen Accounts vermischt. Zudem kann es zu Datenschutzproblemen kommen. Vor allem seit Ende Mai die neuen europäischen Datenschutzregeln gelten, wird vor der beruflichen Nutzung von WhatsApp gewarnt, da die App automatisch versucht, Zugriff auf alle Kontakte zu bekommen. „Wir erfüllen alle Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung“, verspricht Slack-Manager Butting. Was freilich manchen Kunden noch fehlt, ist eine Speicherung der Daten in Europa, doch daran arbeitet das Unternehmen.

Slack eignet sich vor allem, um die firmeninternen Mails zu ersetzen. Bei vielen Unternehmen machen die schon mindestens die Hälfte der Nachrichten aus. Doch was ist der Vorteil, wenn die Nachrichten vom Mail-Postfach in die Slack-App verlagert werden? „Man kann sich viel besser einen Überblick über Diskussionen und Themen verschaffen“, sagt Sumup-Gründer Christ. Denn bei Slack wird die Kommunikation in so genannten thematischen Kanälen organisiert, die jeder nach Bedarf anlegen kann. Bei Sumup reichen diese Gruppen von allgemeinen Angelegenheiten, die die ganze Firma betreffen, über Marketing, Personal, technische Themen bis hin zu privaten Kanälen, in denen Mitarbeiter sich zum Sport oder Feierabendbier verabreden.

Mehr als ein E-Mail-Ersatz

„Slack erhöht auch die Transparenz in der Firma noch weiter“, sagt Christ. Denn der Großteil der Kanäle ist offen und damit für jeden Mitarbeiter einsehbar. Es gibt aber natürlich auch die Möglichkeit, in geschlossenen Gruppen zu kommunizieren oder Direktnachrichten an einzelne oder mehrere Personen zu schicken. Auch Kanäle für Nutzer außerhalb der Firma können eingerichtet werden, um da mit Kunden oder Dienstleistern zu kommunizieren.

Der Dienst ist jedoch noch weit mehr als ein E-Mail-Ersatz. Gerade Startups, aber auch viele andere Unternehmen, nutzen heutzutage zahlreiche Dienste. Von Internetspeichern wie Dropbox über Spezialsoftware für Kundensupport oder Marketing bis hin zum Google Kalender lassen die sich in Slack integrieren. Mehr als 1000 Anwendungen gibt es inzwischen als eigene Apps für Slack, dazu kommen unzählige Programme, die sich Unternehmen individuell schreiben. Der Berliner Lebensmittel-Lieferdienst HelloFresh nutzt mehr als 30 Anwendungen intensiv. „Slack bietet einen zentralen Ort, an dem alle Fäden zusammenlaufen“, sagt Nuno Simaria, Technikchef von Hellofresh. Von Informationen über Softwarefehler bis zu Kundenanfragen.

Kollaboration ist Kommunikation“, sagt Europachef Butting, der zuvor für Dropbox und Google gearbeitet hat. Bei letzteren hat er sogar mal ein Memo unter diesem Motto verfasst. „Jahrelang wurden Kollaborationstools immer um Dokumente und Dateien herum gebaut“, sagt Butting. Er fand, die Kommunikation sollte im Zentrum stehen, Dateien bei Bedarf einbezogen werden. „Als ich Slack zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich, endlich hat es jemand kapiert.“

Abfallprodukt einer Spieleentwicklung

Zukunft der Arbeit? Das Hauptquartier von Slack liegt in San Francisco. Foto: promo/Weinkopf

Die Macher haben das Programm für den eigenen Bedarf geschrieben. Eigentlich ist das inzwischen mit fünf Milliarden Dollar bewertete Startup ein Abfallprodukt. Ursprünglich wollten Stewart Butterfield und Cal Henderson, die zuvor den populären Fotodienst Flickr aufgebaut und dann an Yahoo verkauft hatten, ein Computerspiel entwickeln. Für die eigene Arbeitsorganisation schrieben sie nebenbei ein Kommunikationsprogramm, da sie auch mit den vorhandenen Alternativen unzufrieden waren. Die Spielidee scheiterte, doch sie merkten schnell, dass ihr interner Messenger auch für andere attraktiv sein könnte.

Inzwischen sollen sogar schon Amazon und Microsoft eine Übernahme durchgespielt haben. Denn vor allem für den führenden Bürosoftwareanbieter wird Slack zum Herausforderer. Mit „Microsoft Teams“ hat der Softwareriese schon eine eigene Slack-Alternative auf den Markt gebracht.

„E-Mail ist die Kakerlake des Internets“

Vielleicht auch, weil Butterfield von einem Verkauf nichts wissen will: „Wenn es für sie Sinn macht, uns zu kaufen, macht es für uns Sinn, unabhängig zu bleiben“. Stattdessen glaubt er, den Windows-Konzern herausfordern zu können. „Wer Anfang der Achtziger gesagt hätte, Microsoft werde größer als IBM, den hätte man auch ausgelacht“, sagt er.

Nur ob das mit dem Abschaffen der E-Mail klappt, da sind sie bei Slack skeptischer. „Die E-Mail ist die Kakerlake des Internets“, sagt Technikchef Henderson gern, “nicht auszurotten”.