Schlaflos unglücklich. Viele leiden unter Schlafproblemen. Was tun? Foto: dpa/Kens Kalaene

Ein Podcast gegen Einschlafprobleme

Unser Autor kann nicht einschlafen. Im Netz hat er nach Gegenmitteln gesucht – und ist fündig geworden.

Als pflichtbewusster Großstadtbewohner habe ich mir neulich eine Einschlafstörung zugelegt. Plötzlich war sie da, keine Ahnung, wieso. Die ergoogelten Ratschläge (Abendsport, Müdeglotzen, Milch mit Honig) halfen nicht. Zum Glück bietet der Play Store eine Reihe von Apps an, die auf Knopfdruck beruhigende Geräusche abspielen. Ich entschied mich für „Wasser und Gong“, wegen der guten Nutzerbewertungen. Im Modus „Zen-Brunnen“ ließ sich einstellen, wie laut es plätschern und in welchen Abständen dazu ein Gong ertönen sollte. Hörte sich nett an, machte aber leider gar nicht müde, und nach fünf Minuten nervte es.

Viele Erwachsene schwören zum Einschlafen auf Kinderkassetten. Weil die nach früher klingen. Ich versuchte es, doch statt einzuschläfern, regten sie mich auf. Wie widerlich die Geschichten von TKKG sind! Da wird gegen Obdachlose und Sintis gehetzt, das N-Wort fällt, es gibt frauenfeindliche Sprüche und einen Aufruf zur Lynchjustiz. Kostprobe: „Wer mit Pennern umgeht, muss den Wind im Rücken haben.“ Warum war mir das nicht schon als Kind aufgestoßen? Kaum besser ist „Fünf Freunde“. Da wundert sich Julian, dass seine Cousine keine Lust habe „auf alles, was Mädchen doch gewöhnlich tun: Betten machen, Kochen, Geschirrspülen“. „Die drei Fragezeichen“ und „Bibi Blocksberg“ wiederum sind so unterhaltsam, dass man sie unbedingt zu Ende hören möchte. Also nix Schlaf.

Die Vorzüge des Truthahnfrittierens

Es waren furchtbare Nächte. Bis ich auf Tobias Baier stieß. Der Mann betreibt den „Einschlafen-Podcast“, quasi eine Radiosendung im Internet, deren einzelne Folgen sich aufs Smartphone runterladen lassen. Sein Konzept ist, derart langweiliges Zeug aus seinem Alltag daherzureden, dass der Zuhörer einschläft. Mal spricht Baier 40 Minuten lang über die Vorzüge des Truthahnfrittierens, mal erzählt er vom Schottlandurlaub oder dem letzten Elternabend, zu dem er erst gar nicht gehen wolle, aber dann doch, und am Ende sei es eigentlich ganz okay gewesen. Dabei schweift er ab, verliert sich in irrelevanten Details, wiederholt sich. Wenn ich nur daran denke, muss ich aufpassen, dass mein Kopf nicht auf die Tastatur sackt.

Seinen Service verrichtet Tobias Baier mit einer sensationell sanften, angenehmen Stimme. Einer, bei der man sich direkt geborgen fühlt. Dagegen macht Domian Krächzlaute. Zum Abschluss jeder Folge liest Baier angeblich noch Kant vor oder irische Elfenmärchen. Ich kann das nicht bestätigen. Ich habe es nie geschafft, so lange wachzubleiben.

Ist das nicht arg demütigend: zu wissen, dass andere wegdösen, sobald man den Mund aufmacht? Und geht ihm das im normalen Leben auch so? Besser mal anrufen. Am Telefon klingt Tobias Baier genau wie im Podcast. Verdammt schwer, ihn nicht zu duzen, so vertraut ist die Stimme. Baier sagt, er sei hauptberuflich Programmmanager bei Adobe, lebe in der Nähe von Hamburg und betreibe den Podcast schon seit sechs Jahren. Jede Folge werde bis zu 40 000 Mal heruntergeladen.

Grüffelos und liebe Hasen

Seine Frau und viele seiner Freunde hören den Podcast übrigens nicht. Sie können dabei nicht einschlafen – weil sie das Gehörte zu interessant finden, um abzuschalten! So ist das nämlich: Die langweiligsten Alltäglichkeiten werden für uns relevant, wenn wir sie mit einer Person verbinden, die uns etwas bedeutet. Dann sagt Baier noch, es gebe auch Hörer, die seinen Podcast gar nicht als Einschlafhilfe verstehen, sondern tagsüber nebenher laufen lassen. Manche sogar beim Autofahren.

Angefangen habe es damit, dass er seinen kleinen Töchtern vorgelesen habe. Was denn so? Moment, sagt Tobias Baier, die Bücher stünden ja alle noch im Regal. Dann liest er die ganzen Titel vor: „,Weißt du eigentlich, wie lieb ich Dich hab?’ Oder auch: ,Der Hase mit der roten Nase.’ Oder das hier: ,Der Grüffelo und das Grüffelokind.’ Oder hier: ,Im Urwald hält’s kein Tier mehr aus, das liegt an der Bananenmaus’ Oder auch ,Zeig mir den Regenbogen’#,+ööjüp##mojjk.# .iüi ,ö öö #lllö llll- käö,i#i,ö,i#jikj#ö.j

Diese Kolumne ist in gedruckter Form im Sonntags-Magazin des Tagesspiegels erschienen. Sie können ihm auf Twitter unter @TSPSonntag folgen.