Nichts anbrennen lassen! In Sim City herrscht man über eine Stadt. Dazu gehört natürlich auch die Feuerwehr. Screenshot: EA Sports/promo

Von Grauwal bis Holzfäller: Die seltsamsten Simulationsspiele

Vor 30 Jahren hat William Wright Sim City veröffentlicht. Seither ist ein ganzes Universum von Simulationen entstanden. Das sind die verrücktesten.

Ein Held meiner Kindheit ist zurück. In seiner Videobotschaft auf YouTube habe ich ihn erst nicht erkannt, offenbar müssen sogar Erfinder von Computerspielen altern. William Wright sieht jetzt aus wie der zerknautschte große Bruder von Robert Downey Jr.

Vor 30 Jahren veröffentlichte Wright das revolutionäre Spiel „Sim City“. Man konnte darin Straßen anlegen und Wohnhäuser oder Fabriken bauen, man war Bürgermeister seiner eigenen Stadt, erhob Steuern, plante Strom- und Wasserzufuhr, stellte Polizisten ein. „Sim City“ hat ein ganzes Genre geprägt und berühmt gemacht: das der Simulationen. Bei dieser Art Computerspiel hüpft man nicht supermariomäßig durch Fantasiewelten, sondern versucht, möglichst realitätsnah eine bestimmte Tätigkeit auszuführen, die einem im wahren Leben oft verwehrt bleibt. Das reizt gerade Erwachsene.

Grauwalsimulatoren und die Organisation der Toilette

„Sim City“ inspirierte Hunderte Programmierer zu eigenen Simulationen, heute zählt das Genre zu den vielfältigsten und erfolgreichsten der Branche. Es gibt Kranfahr- und Feuerwehr-Simulationen, Fernbus- und Holzfäller-Simulationen, Bungeesprung-, Abschleppdienst- und Bombenentschärfungs-Simulationen … Einige bedienen Nischen, die auf Außenstehende bizarr wirken. Bei „Klomanager Deluxe“ wird der Betrieb einer öffentlichen Toilette sichergestellt, bei „Operate Now“ ist es nicht so schlimm, wenn mal das Skalpell abrutscht. Einziges Ziel des Farm Animal Transporter Truck Simulators ist tatsächlich, Kühe auf Anhänger zu verladen und sie von einem Ort zum anderen zu bringen.

Oder man wird gleich selbst zum Tier, in diversen Simulatoren kann man sich als Stadttaube, Maus oder Ziege ausprobieren. Googles Play Store bietet allein drei verschiedene Adler-Simulationen an („Wild Eagle Sim 3D“ ist die ausgereifteste!), als extrem beruhigend erweist sich der Grauwal-Simulator inklusive Meeresrauschen.

Die Deutsche Bahn wird pünktlich

Je mehr dieser Spiele man testet, desto deutlicher wird einem: Simulationen müssen gar nicht realistisch sein. Sie müssen sich für den Spieler bloß möglichst realistisch anfühlen. Wer täglich mit dem „Barber Shop Simulator 3D“ übt, kann deshalb noch lange keine Haare schneiden.

Bereits 800.000 Mal wurde der kostenlose DB Train Simulator der Deutschen Bahn heruntergeladen. Mit ihm lassen sich neun unterschiedliche Strecken aus der Perspektive eines ICE-Lokführers abfahren. Kritiker bemängeln, dass ein Level als verloren gilt, sobald der Zug auch nur eine Minute verspätet im Zielbahnhof eintrifft. Sehr witzig, Deutsche Bahn!

Allmächtiger!

Wem dieses Klein-Klein zu öde ist, dem empfiehlt sich das Subgenre der sogenannten Göttersimulationen. Hier wird man grundsätzlich mit „Allmächtiger“ angesprochen, ständig wirft sich jemand vor einem in den Staub und bittet um Regen. Das schmeichelt dem Ego, wird höchstens irgendwann langweilig. Dann straft man sein Volk halt mit Erdbeben oder einer Pestepidemie, es ist sicher verdient.

Nach seinem Welterfolg „Sim City“ ist William Wright dem Genre lange treu geblieben, hat unter anderem einen Ameisensimulator und „The Sims“ erfunden und zog sich schließlich zurück. Das neue Spiel, das Will im Laufe der nächsten Monate auf den Markt bringen möchte, soll „Proxi“ heißen. In seiner kurzen Videobotschaft kündigt er einen Simulator nie da gewesenen Typs an – in dem der Spieler Erinnerungen seines eigenen, tatsächlichen Lebens unterbringen könne. Wie genau das funktioniert, ist noch geheim. Es könnte das Spiel des Jahres werden.

Diese Kolumne ist in gedruckter Form im Sonntags-Magazin des Tagesspiegels erschienen. Sie können ihm auf Twitter unter @TSPSonntag folgen.