Tanzen sie uns bald auf der Nase herum? Zwei vom britischen Künstler Giles Walker entwickelte Roboter tanzen bei der CES in Las Vegas an einer Stange. Foto: Jae C. Hong/AP/dpa

Rebellion der Maschinen

Das Internet der Dinge soll durch die Vernetzung aller Geräte unser Leben vereinfachen. Doch immer häufiger stellen sich die Automaten gegen ihre Besitzer.

Vor 33 Jahren, lange vor „Friedhof der Kuscheltiere“ und „Der dunkle Turm“, schrieb Gruselautor Stephen King das Drehbuch für einen Spielfilm. Darin wird die Erde vom Schweif eines Kometen berührt, wodurch alle technischen Geräte Eigenleben entwickeln und gegen die Menschheit rebellieren. Elektrische Rasenmäher jagen ihre Besitzer durch Gärten, Getränkeautomaten schießen mit Cola-Dosen. Auch die Küchenmaschinen wollen Blut sehen. Von Kritikern wurde „Rhea M – Es begann ohne Warnung“ verrissen, das „Lexikon des Internationalen Films“ nennt das Werk einen „unlogisch aufgebauten und enttäuschend platt inszenierten B-Film“. Stephen King entschuldigte sich später. Er sei in dieser Phase seines Lebens durchgängig zugekokst gewesen.

Angriff der Fehlfunktionen

Vielleicht wäre es Zeit, „Rhea M“ neu zu verfilmen. Denn dass elektronische Geräte, die uns eigentlich nützen sollen, sich letztendlich gegen uns stellen, ist durchaus realistisch, ganz ohne Kometenschweif. Je mehr Kühlschränke, Fernseher oder Lampen miteinander vernetzt und damit Teil des „Internets der Dinge“ werden, desto häufiger treten logischerweise Fehlfunktionen auf. Weil die smarten Geräte gehackt oder mit Schadsoftware verseucht werden, weil Hersteller nicht an alle Eventualitäten dachten oder halt einfach wegen Murphy’s Law.

»Internet of Fails«. Der CCC-Vortrag von Barbara Wimmer in voller Länge als Video.

An einer Universität in den USA wurden vernetzte Sprudelmaschinen und Lichtanlagen von Unbekannten dazu gebracht, den Server der Hochschule durch sinnlose Massenanfragen lahmzulegen. Anderswo verschickten manipulierte Kühlschränke und Fernseher tausendfach Spam-Mails. Ein Vibratorenmodell nahm alle Geräusche auf, die sein Benutzer beim Betrieb machte, und speicherte sie ohne dessen Wissen auf seinem Smartphone. Auf der Jahreskonferenz des Chaos Computer Clubs in Leipzig hat die Autorin Barbara Wimmer neulich einen lehrreichen Vortrag über die Risiken des „Internets der Dinge“ gehalten. Sie berichtete von einer Kamera, mit der eine Frau tagsüber ihren Hund überwachen wollte – die dann aber gehackt wurde und fortan der Frau hinterherzoomte. Eines Tages grüßte die Kamera gar: „Hola, señorita.“

»Zerstört die Puppen!«

Besonders skeptisch sieht Wimmer die Kopplung von Kinderspielzeug ans Internet. Ein kalifornischer Hersteller erfand ein Stofftier, das per Knopfdruck Sprachmitteilungen aufnahm und verschickte. Tatsächlich wurden alle Nachrichten in der Cloud gespeichert – und drei Millionen davon später von Unbekannten geleakt. Oder zum Beispiel Cayla. Eine Puppe für Vierjährige mit integriertem Mikro und ungesicherter Funkverbindung. Die Bundesnetzagentur wertete Cayla als illegales Spionagegerät. Alle Eltern wurden aufgefordert, die Puppen zu zerstören. Die Stiftung Warentest warnt inzwischen generell vor vernetztem Spielzeug. Das FBI ebenfalls.

Laut Schätzungen sind bis jetzt weltweit 14 Millionen Geräte verkauft worden, die sich dem „Internet of things“ zurechnen lassen. In drei Jahren sollen es 20 Millionen sein. Auf der Technikmesse CES in Las Vegas wurden diese Woche etliche neue Modelle vorgestellt. Unter anderem der Roboter CLOi, der mit den übrigen vernetzten Apparaten eines Haushalts kommunizieren und seinem Besitzer etwa auf Zuruf verraten kann, ob die Waschmaschine bald durch ist. Auf der Messe sollte CLOi erstmals vor größerem Publikum agieren. Er hat einfach gestreikt, während der gesamten Präsentation keinen einzigen Befehl beachtet. Zwischendurch hat er, ungelogen, einmal mit den Augen gezwinkert.

Diese Kolumne ist in gedruckter Form im Sonntags-Magazin des Tagesspiegels erschienen. Sie können ihm auf Twitter unter @TSPSonntag folgen.