Inside @realDonaldTrump
Erst kürzlich lästerte er auf Twitter über die „New York Times“, den Fernsehsender ESPN und die Moderatorin Jemele Hill. Er verspottete einen Parteifreund, den republikanischen Senator Bob Corker. Er beschwerte sich über die Footballliga NFL und deren Protest gegen Rassismus, lobte sich mehrfach selbst und empfahl ein Buch, das ihn als „Chef-Philosophen“ preist. Er giftete gegen die Partei der Demokraten und die Nordkoreapolitik seiner Amtsvorgänger. Er verhöhnte Senat sowie Repräsentantenhaus. Und da war erst Dienstag.
Wer dachte, Donald Trump werde sein Twitterverhalten im Laufe der Präsidentschaft mäßigen, lag falsch. Während sich das Spektakel in Deutschland mit einer Mischung aus Unglauben und Amüsement verfolgen lässt und man sich einreden kann, Trump sei so zumindest beschäftigt und habe keine Zeit, noch ganz andere Tasten zu drücken, hat sich in den USA eine neue Forschungsdisziplin entwickelt. Jeder Tweet wird akribisch dokumentiert und gedeutet. Es gibt Studien, Statistiken und Balkendiagramme über die Twitterei des Präsidenten. Die Erkenntnisse sind ziemlich spannend.
Kein Staatsoberhaupt hat mehr Follower
Mit 40 Millionen Followern ist Donald Trump soeben am Papst vorbeigezogen und nun das meistgefolgte amtierende Staatsoberhaupt (Barack Obama hat 95 Millionen). Im Durchschnitt setzt er sechs Tweets pro Tag ab, den ersten morgens zwischen sieben und halb acht. Da hat er bereits eine Stunde TV-Nachrichten gesehen. Im Urlaub kommt der erste Tweet 90 Minuten später, das Tagespensum bleibt aber gleich. Trumps meistgebrauchte Schimpfwörter sind „Verlierer“, „dämlich“ und „schrecklich“, gefolgt von „dumm“ und „schwach“. Er hat erst 15 Mal den Klimawandel geleugnet, aber mehr als 300 Mal die Medien angegriffen.
Toll ist auch die Liste der 17 Superlative, die Trump sich zuspricht (unter anderem hält er sich für den besten Twitterer aller Zeiten, den am wenigsten rassistischsten Menschen und denjenigen, dessen Parfum am längsten hält). Bis heute wurden 26 Fälle bekannt, in denen er einen anderen Nutzer blockte (zum Beispiel für die Behauptung, Russland habe ihm im Wahlkampf geholfen, aber auch für ein simples „LOL Keiner mag dich“).
Eine Vorliebe für Großbuchstaben und Beschimpfungen
In den ersten Monaten nutzte der Präsident trotz Sicherheitsbedenken sein altes Android-Gerät, ab September ein modifiziertes iPhone. Bewiesen ist inzwischen, dass nicht jeder seiner Tweets tatsächlich von ihm stammt. Dan Scavino, einst Trumps Taschenträger beim Golf, hat als sein Social-Media-Direktor Zugriff aufs Profil und nutzt dieses ausgiebig. Beide haben einen Hang zu Beschimpfungen und Großbuchstaben, dennoch gibt es Unterscheidungsmerkmale: Enthält ein Tweet weder Bilder noch Hashtags und keine Spielereien außer maximal einem @-Zeichen, stammt er von Trump. Scavino twittert bloß tagsüber zwischen 10 und 18 Uhr und kontrolliert seine Botschaften auf Rechtschreibfehler. Bedeutet: Das berühmte „covfefe“ war von Trump, die Fotomontage, die Hillary Clinton mit Dollarnoten und Davidstern-Silhouette zeigte, von Scavino.
Spekuliert wird, dass auch die Kommunikationschefin des Weißen Hauses einen Zugang zum Konto besitzt, um notfalls Löschungen vorzunehmen. Bisher wurden 215 Trump-Tweets entfernt. Darunter drei, in denen er seinen Freund Luther Strange für die Republikaner-Vorwahl in Alabama empfahl - die Tilgung erfolgte wenige Stunden nach Stranges Wahlschlappe. Juristen sind uneins, ob sich Trump dadurch strafbar macht, denn der „Presidential Records Act“ verbietet US-Präsidenten eigentlich, die Zeugnisse ihrer Kommunikation zu vernichten.
Diese Kolumne ist in gedruckter Form im Sonntags-Magazin des Tagesspiegels erschienen. Sie können ihm auf Twitter unter @TSPSonntag folgen.