Kein Netz, nirgends
Wer alle vier Wochen an dieser Stelle eine Kolumne zum Thema Internet schreibt, und das seit drei Jahren, sollte grob hochrechnen können, dass auch im Dezember 2017 ein Text fällig wird. Dennoch war der Schock groß, als Dienstag die SMS mit der Frage kam, wann ich zu liefern gedenke. Die Nachricht erreichte mich nicht im heimischen Kreuzberg, sondern auf einer staubigen Landstraße in der sÜdlichen Provinz von Uganda. Wie, bitte, soll man eine Kolumne Über Neuigkeiten aus der Netzwelt verfassen, ohne selbst Zugang zum Internet zu haben?
Das Warten
Erster Gedanke: Ab sofort wird Kalender gefÜhrt. Zweiter Gedanke: Irgendwo muss es doch W-Lan geben! In unserem Hotel schon mal nicht. Die Frau am Empfang erklärt, normalerweise funktioniere das Internet einwandfrei, nur heute gebe es Probleme mit dem Router. Aber keine Sorge, es komme jemand zum Reparieren. Morgen frÜh sei das Netz wieder verfÜgbar. Ab acht Uhr. Garantiert.
Als ich am nächsten Tag nachfragte, machte dieselbe Frau ein Gesicht, als habe ich sie um das Rezept fÜr Unsterblichkeit gebeten. Nein, das W-Lan funktioniere nicht, aber keine Sorge, am Abend sei sicher alles repariert … So ging es weiter. Ein Freund, der in der Region lebt, wundert sich, wie ich bloß so leichtgläubig sein könne. Er sagt, wegen des Internets spielten sich in Uganda Dramen ab.
Wolle er Mails checken, benötige er an manchen Tagen 20 Minuten, um auf die GMX-Startseite zu gelangen. Wolle er sich die Tagesschau ansehen, mÜsse er morgens mit dem Laden des Streams anfangen und schaffe es nachmittags mit ein bisschen GlÜck bis zum Wetterbericht.
Die Wechseltatktik
Auf der Suche nach einem Internetzugang landete ich in einem Restaurant, das mit kostenlosem W-Lan warb. Der Kellner brachte Cola, leckere Teigtaschen und einen Zettel mit sechsstelligem Einwahl-Code. Es klappte tatsächlich. FÜr etwa 90 Sekunden. Dann der Hinweis, der Zugang sei abgelaufen. Der freundliche Kellner brachte einen neuen Code und dann noch einen und dann noch einen. Die Einwahl gelang nicht mehr. Der Mann sagte, es gebe womöglich ein Problem mit dem Router.
Nun gehört Uganda keineswegs zu den unterentwickeltsten Regionen Afrikas. Das Land gilt als investorenfreundlich, diverse Internetprovider ringen um Marktanteile. Die wichtigsten heißen MTN, Airtel sowie Uganda Telecom. Ihre Embleme prägen das Stadtbild Kampalas, ihre Werbeschilder hängen an Häuserwänden und Zäunen. Sämtliche Anbieter haben etwas gemeinsam: Sie versprechen schnelles Internet und halten dieses Versprechen – jedenfalls in den ersten Tagen nach dem Anbieterwechsel. Dann nimmt die Geschwindigkeit rätselhafterweise ab und bleibt gedrosselt, bis der Kunde frustriert zum nächsten Anbieter wechselt. Wegen dieser Geschäftstaktik, sagt mein Bekannter, schließen die Einwohner Ugandas grundsätzlich keine Verträge mit langen KÜndigungsfristen ab. Manche besitzen gleich vier oder fÜnf Sim-Karten und nutzen immer die, die gerade das beste Netz hat. Mein Bekannter sagt, es sei die Hölle. Ich kann nicht ÜberprÜfen, ob er recht hat, ich habe ja kein Internet.
Das Gegenteil?
Wer die Internet-Nöte Ugandas erlebt, wÜnscht sich die deutschen Debatten um Netzneutralität und fehlendes Breitband zurÜck. Sind das nur first world problems – oder im Gegenteil: Kann man das Internet gar nicht wichtig genug nehmen?
Aus Berlin meldet sich die Kollegin per SMS und schlägt vor, den Text durchzutelefonieren. Ich lehne ab und klammere mich an meine letzte Hoffnung: In der Nacht zu Freitag bin ich am Flughafen. Vielleicht gibt es dort W-Lan.
Diese Kolumne ist in gedruckter Form im Sonntags-Magazin des Tagesspiegels erschienen. Sie können ihm auf Twitter unter @TSPSonntag folgen.