»Wir wollen eine Plattform in den Händen der Künstler und Fans, sagt Peter Harris, Gründer von resonate. Foto: promo

Die Streaming-Genossenschaft

Das genossenschaftliche Startup Resonate will Künstler besser bezahlen und die Vormacht der Major-Labels schwächen. Musiker und Hörer bekommen Gewinnanteile.

„Die Musikindustrie steht am Beginn eines goldenen Zeitalters“, hat Daniel Ek, Gründer und CEO von Spotify in den letzten Jahren immer wieder aufgesagt. Und tatsächlich: 2016 konnte die internationale Tonträgerindustrie den höchsten Umsatszuwachs der letzten zwei Jahrzehnte verzeichnen, wie der Verband IFPI errechnet hat. 15,7 Milliarden Dollar haben die Labels letztes Jahr eingenommen – 30 Prozent davon durch Streaming.

Musiker bekommen nicht einmal zehn Prozent

Doch der Haken bleibt: Das meiste davon landet bei den Labels. Bei den Musikern kommt oft wenig an. Die Wirtschaftsberater von Ernst & Young haben im Auftrag des Verbands der französischen Musikindustrie Syndicat National de l’Édition Phonographique (SNEP) analysiert, wer welche Anteile der Spotify-Monatsgebühr von 9,99 Euro erhält. Diesen Betrag zahlen Nutzer monatlich, um Musik werbefrei im Stream hören zu können.

Sie fanden heraus, dass Spotify 2,08 Euro einbehält, 1,67 Euro Steuern zahlt und insgesamt 6,24 an die Musikindustrie weiterreicht. Davon behalten die Labels wiederum 4,56 Euro ein und zahlen an Songwriter und Komponisten 1 Euro aus, an Musiker wiederum nur 68 Cent. „Das Internet hat einfach neue Oligarchien der Musik hervorgebracht“, sagt Peter Harris. Der Künstler, Webentwickler und Gründer von Resonate hat aber keine Lust, die Hoffnung aus den Kindertagen des Internets aufzugeben, dass Digitalisierung eine dezentralere Vertriebsstruktur für Künstler ermöglichen und den Major-Labels die Pop-Dominanz streitig machen könnte. Im Gegenteil. Der Wahlberliner stellt gemeinsam mit zehn global verteilten Mitstreitern gerade eine Streaming-Plattform auf die Beine, die das Prinzip der jetzigen Dienste auf den Kopf stellt. Sie sagen: Streaming mit seiner Idee der Flatrate sei einfach kein nachhaltiges Geschäftsmodell. Außer wenigen Stars mit millionenfacher Hörerschaft kann davon kein Musiker leben. Und das selbst dann, wenn ihre eingefleischten Fans sie auf Spotify rauf und runter hören.

Geld für Lieblingssongs

Um dieses Problem zu lösen, basiert Resonate auf dem Prinzip „Stream-to-own“. Dabei bezahlt der Nutzer beim ersten Hören eines Tracks gerade einmal 0,2 Cent, nur etwa ein Drittel dessen, was Künstler bei Spotify pro Track bekommen. So soll es möglich sein, Songs fast kostenlos probezuhören – mit dem Gefühl, für Musik, die man dann nicht mochte, auch nichts bezahlt zu haben. Mit jedem weiteren Hören des Songs steigt die Gebühr jedoch. Nach fünfmal Hören hat man sieben Cent bezahlt. Und nach neun mal ungefähr einen Euro. Wenn man diesen Preis erreicht hat, der dem Kaufpreis eines Songs auf iTunes entspricht, gehört einem der Titel. Das heißt, ab dann zahlt man nie wieder dafür. Auf diese Weise sollen Fans ermächtigt werden, die Künstler ihrer Lieblingslieder ernsthaft zu unterstützen – damit auch mittelbekannte Musiker wieder von ihrer Arbeit leben können.

Was dabei wegfällt, sind monatliche Grundgebühren, wie sie bei Spotify, Apple Music oder Tidal anfallen. Wer nicht hört, zahlt nichts. Und wer immer die gleichen Evergreens hört, zahlt dafür auch nicht immer neu. Nun würde das alleine nicht reichen, um mehr Geld zu den Musikern zu bringen, weil die Major-Labels dazwischen stehen, sagt Harris. Denn die Deals zwischen Labels und Künstlern sind meist intransparent und die Abrechnung kompliziert. Um das zu ändern, basiert Resonate auf der Blockchain. Diese Technologie, die auch hinter der Digitalwährung Bitcoin steckt, erlaubt es, bei minimalen Überweisungskosten sowohl Geld zu verteilen als auch Rechte an Musik zu sichern. Der Vorteil: Die Einnahmen können nahezu in Echtzeit vom Hörer an den Künstler, sowie alle Bandmitglieder, Plattenfirmen oder Texteschreiber verteilt werden, inklusive 100 Prozent transparenter Abrechnung für alle.

Die Plattform gehört Musikern und Fans gemeinsam

Das alleine würde schon zu höheren Gewinnen für Musiker führen, sagt Harris. Aber der Mann mit Nerdbrille und aufmerksamem Blick dahinter will alles. Zwar bleibt eine Gebühr bei der Plattform, branchenübliche 30 Prozent. Was mit diesen Gewinnen passiert, entscheiden jedoch die Besitzer der Plattform. Und das sind die Musiker und Hörer. Erstere sind automatisch Anteilseigner, zweitere können es für fünf Euro im Jahr werden. Förderer können mehr bezahlen. Jeder Anteilseigner hat eine Stimme, egal wie viel er beisteuert. An den Gewinnen der Plattform werden alle beteiligt. Oder können gemeinsam abstimmen, das Geld erst einmal in die Weiterentwicklung der Plattform zu stecken. Das soll Vormachtstellungen von Investoren verhindern.

„Das Ziel ist eine Plattform, in der Fans und Musiker direkt verbunden sind und gleichzeitig selbst die Plattform kontrollieren“, sagt Harris. 1300 Künstler und 175 Labels sind schon auf der Betaversion von Resonate vertreten, 300 Hörer schon wahlberechtigte Mitglieder. In drei bis sechs Monaten soll das Genossenschaftsstreaming richtig starten. Sein Erfolg könnte darüber entscheiden, ob das Netz doch noch zum goldenen Zeitalter für die Musik wird – und die Musiker.