Mode kaufen von unterwegs. Roman Kirsch hat den Mode-Discounter Lesara zu einem der erfolgreichsten Berliner Startups gemacht. Foto: Kai-Uwe Heinrich

Primark fuer das Smartphone

Mit Billig-Klamotten ist Lesara zum schnellstwachsenden Startup Deutschlands aufgestiegen. Verkauft wird fast nur via Handy. Die Verkaufspraktiken sind umstritten.

Bislang konnten die Mitarbeiter und Besucher von Lesara auf einen Blick sehen, wie weit sich der Berliner Online-Modehändler schon ausgebreitet hat. Auf einer schwarzen Weltkarte im Eingangsbereich waren kleine Lesara-Fähnchen in jedes Land gesteckt, wo die Berliner schon den Verkauf gestartet haben. 25 sind es inzwischen. Doch mit der Expansion stieg auch die Zahl der Mitarbeiter auf über 250. Die alten Büros in der Schwedter Straße wurden zu eng. Deshalb ist das Startup aus dem Prenzlauer Berg ins Schicklerhaus zwischen Jannowitzbrücke und Alexa gezogen. Noch war keine Zeit, die Karte wieder aufzuhängen.

Seit der Gründung 2013 hat Roman Kirsch den Online-Discounter zu einem der erfolgreichsten Berliner Jungunternehmen gemacht: Das Fachmagazin Gründerszene und KPMG kürten Lesara im Vorjahr zum wachstumsstärksten Startup Deutschlands. Um 1425 Prozent hatte der Umsatz in den vergangenen drei Jahren zugelegt. In diesem Jahr will Kirsch die Grenze von 150 Millionen Euro knacken. „Knapp 50 Prozent machen wir schon außerhalb des deutschsprachigen Raums“, sagt er stolz.

Mode und aufblasbare Brezeln

Gerade sind Schweden und Spanien dazugekommen, für den Gründer zwei Länder mit „Symbolcharakter“. Schließlich ist es die Heimat der Modeketten H&M und Zara, die als Pioniere des sogenannten Fast-Fashion-Segments, neue Trends besonders schnell und günstig in die Läden bringen. Doch im Internethandel hinken sie hinterher: So bietet H&M nur in gut der Hälfte aller 64 Märkte überhaupt Bestellungen im Netz an. Die boomende Billigkette Primark bietet derweil gar keinen Online-Shop, obwohl viele Fans schon seit Jahren danach fragen. In genau diese Lücke stößt nun Lesara. Das Unternehmen bietet Kleidung besonders günstig an. Dazu kommt noch Schnickschnack wie aufblasbare Brezeln für den Pool oder Solar-Leuchten in Bienenform. Drei Viertel des Umsatzes werden aber mit Textilien erzielt. Dominiert da nicht schon Zalando den Markt? „Es liegen Welten zwischen deren Preisen und H&M“, sagt Kirsch. So zahlen Zalando-Kunden im Schnitt mehr als 60 Euro pro Einkauf, bei H&M sind es gerade einmal 20 Euro.

Bei Lesara liegt der Durchschnittspreis unter zehn Euro. Man will 20 bis 25 Prozent günstiger sein, als traditionelle Händler mit vergleichbarer Qualität. „Wir versuchen dabei aber nicht, weiße T-Shirts günstiger als Primark oder H&M anzubieten“, sagt Kirsch. Solche Basisprodukte in Farben wie schwarz, weiß oder grau verkaufen sich zwar traditionell am besten. Online seien die Leute aber mutiger und würden auch gewagtere Schnitte und Muster probieren. „Interessanterweise sind die Retouren dabei trotzdem nicht höher“, sagt Kirsch.

Bei 9,99 Euro sind Impulskäufe wahrscheinlicher

Seine Kunden lockt er vor allem über das Handy, dafür ist der Shop optimiert. Während bei anderen Anbietern 70 Prozent der Artikel über die Suche ausgewählt werden, sind es bei Lesara nur zwei, drei Prozent. Dafür setzt das Startup auf personalisierte Vorschläge und will so zu Impulskäufen animieren. „Man kauft in der Tram spontan kein Sofa für 1000 Euro, dafür aber ein Kleid für 9,99 Euro“, sagt Kirsch. Tatsächlich bestellen schon 73 Prozent der Lesara-Kunden via Smartphone. Zum Vergleich: Bei Zalando ist es etwas mehr als die Hälfte.

Kirsch lockt seine Kunden dabei auch mit dem konsequenten Einsatz von Streichpreisen. Damit sorgte man immer wieder für Kritik: Bei jedem Artikel wird ein teurer Ursprungspreis durchgestrichen, die vermeintliche Reduzierung als Prozentwert hervorgehoben. Zum einen bezieht sich das auf die Unverbindliche Preisempfehlung der Hersteller. Doch viele Artikel gibt Lesara selbst bei chinesischen Herstellern in Auftrag. Woher kommen da die Vergleichspreise? Kirsch verweist auf andere Anbieter, Lesara nennt in einer Fußnote auf seiner Seite beispielsweise einen Anbieter namens Style Discount. Transparent geht anders. Umstritten ist auch das Konzept an sich. „Bei diesen Mode-Dumpingpreisen tut es nicht weh, wenn man es drei Wochen lang anzieht und dann wegschmeißt“, sagt Jenny Teufel vom Freiburger Öko-Institut. Das sei sozial und ökologisch nicht zu rechtfertigen, zumal vieles sich hinterher nicht einmal mehr als Second Hand weiterverkaufen lässt. Primark & Co. sehen sich dieser Kritik auch ausgesetzt.

Als Konkurrenten sieht Lesara aber andere Unternehmen. Die App Wish aus den USA zum Beispiel, die schon 300 Millionen Kunden hat und oft noch niedrigere Preise anbietet. Denn über die Plattform verkaufen Produzenten aus China selbst – dafür fallen Steuern und Zölle zunächst weg. Die muss der Kunde dann im Zweifel selbst zahlen.