Fliegen ohne Falle. Drohnen können genutzt werden, um gewinnbringende Geheimnisse auszuforschen. Foto: Getty Images/iStockphoto/Maxiphoto

Wie Firmen und Behörden Drohnen abwehren wollen

Anschläge, Spionage, Spanner. Drohnen werden in immer mehr Bereichen zum Sicherheitsrisiko. Deswegen etabliert sich ein Markt für Drohnenabwehr. Ein Überblick.

Es ist der Höhepunkt des Bundestagswahlkampfs, als Angela Merkel am 15. September 2013 vor der Dresdener Frauenkirche spricht. Neben ihr steht ausgerechnet Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Da kommt eine kleine Drohne geflogen, steht nur einige Armlängen entfernt vor Merkel in der Luft und landet kurze Zeit später auf dem Boden vor der Bühne. Zu Schaden kam niemand, die Piratenpartei bekennt sich kurz darauf zu der Aktion. Sie wollte darauf hinweisen, „wie es ist, plötzlich selbst von einer Drohne beobachtet zu werden“.

Erlkönige & Schlafzimmer

Vier Jahre später sagt Christian Janke, Sicherheitsspezialist, Investorenberater und ehemaliger Hubschrauberpilot der Bundeswehr: „Man konnte damals förmlich die Schockstarre im Gesicht der anwesenden Sicherheitsleute spüren. Auf Drohnen hatte man sich einfach nicht vorbereitet.“ Das Ereignis war ein Schlüsselmoment, seither analysieren Behörden und Anbieter von Sicherheitstechnik die Gefahren und entwickeln Abwehrmaßnahmen. Janke ist Research Fellow des European Aviation Security Center, einem herstellerunabhängigen Forschungszentrum für Luftsicherheit. Mit einer Powerpoint-Präsentation präsentiert er die größten Bedrohungen: Anschläge auf Veranstaltungen oder Politiker, Gefährdung des Flugverkehrs – aber genauso Spanner vor Schlafzimmern und Industriespionage. Es ist jedem Amateur problemlos möglich, eine Drohne über die Teststrecke eines Autoherstellers zu steuern, der gerade seinen Erlkönig spazieren fährt. Das Foto des neuen Wagens ist im Zweifel viel wert.

Überhaupt Prototypen: Markus Piendl, Sachverständiger für Sicherheitstechnik bei der Telekom, berichtet von einem Kunden, der Ausrüstung für Polizei und Militär entwickelt. Eine Drohne kam, filmte und verschwand. Ein 3D-Modell des ausspionierten Prototypen fand sich wenige Wochen später auf einer Messe in Fernost am Stand eines Konkurrenten. Oder Sportveranstaltungen: Manche Stadienbetreiber und Konzertveranstalter fürchteten durchaus, dass jemand per Drohnenkamera Spiel oder Konzert kostenlos ins Internet überträgt, wie André Diener, technischer Leiter des Cisco Innovation Center auf dem Euref-Campus in Schöneberg berichtet. Direkter Diebstahl geht natürlich auch. Ein Logistikunternehmer sei auf ihn zugekommen, nachdem Einbrecher mit einer Drohne in sein Lagerhaus geflogen waren. Per Drohne wurden Pakete aufgeschnitten und anschließend die wertvolle Elektronik aus den Kisten abtransportiert.

Drogentaxis & Netzkanonen

Gefängnisse haben mit dem Gegenteil zu kämpfen. Das zeigte die Antwort des Berliner Senats auf eine kleine Anfrage des SPD-Abgeordneten Tom Schreiber. Demnach bestätigte der Senat nicht nur mehrere Behinderungen des Flugverkehrs am Flughafen Tegel, sondern auch Abwürfe von Drogen über dem Gefängnis in Moabit. Wie viele ungebetene Drogentaxis aus der Luft es für Inhaftierte wirklich gab, kann keiner sagen. Gefängnisse vollständig mit feinmaschigen Netzen abzudecken, sei zu teuer, schreibt der Senat: „Die aufzuwendenden Kosten dürften außerhalb jedes vertretbaren Rahmens liegen.“

Netzkanone oder Adler? In diesem Video werden besonders aggressive Abwehroptionen demonstriert.

Was also tun? Während die niederländische Polizei im Herbst 2016 für viel Gelächter sorgte, als sie begann, Adler zu trainieren, um Drohnen in der Luft zu fangen und Rüstungsfirmen in den USA und Großbritannien mehrere Netzkanonen auf den Markt gebracht haben, arbeiten Sicherheitsdienstleister hierzulande an weniger rabiaten Lösungen. Der bekannteste deutsche Anbieter, das Startup Dedrone aus Kassel, gründete sich kurz nach dem Merkel-Vorfall 2013. Cisco hatte das Unternehmen erst kürzlich in Berlin zu Gast. In ihrem Vorführraum steht noch ein Modell von Dedrone mit Kamerasystem und Radiofrequenzempfänger.

André Diener demonstriert die Funktionsweise: Er schaltet die Fernbedienung einer kleinen Drohne an, noch während sie versucht, über WLAN eine Verbindung zum Fluggerät aufzubauen, erscheint auf einem Bildschirm eine rote Meldung: Drohnenalarm! Weil dieses Abhören von Sendefrequenzen alleine nicht immer ausreicht, kann die Software zudem Videobilder auswerten. Ein Algorithmus erkennt, ob eine Drohne durch das Bild fliegt oder ein Vogel.

Telekom verkauft Drohnenschild

Seit November kooperiert Dedrone mit der Deutschen Telekom. Die bietet seitdem ihren Kunden das Telekom Magenta Drohnenschutzschild an. „Seit mehr als 15 Monaten bekommen wir beinahe täglich Anfragen besorgter oder bereits von Drohnen angegriffener Kunden“, sagt Piendl. Deswegen habe man nach einer Lösung gesucht. Das Telekom-Schutzschild verbindet je nach Anforderung die Technik von Dedrone mit weiteren Sensoren, Mikrofonen und Radargeräten. Nur durch solch eine Kombination sei eine sichere Erkennung möglich, sagt Piendl. Einen Anbieter der alles leisten könne, gäbe es bisher noch nicht. Gerade die Erkennung von Drohnen aus größerer Entfernung sei extrem schwer. Die Zahl interessierter Kunden sei dreistellig. Die Namen sind jedoch geheim.

Dabei betont Piendl, dass die Telekom nur Erkennungsmaßnahmen verkauft, keine Abwehr. Denn die einfachste Verteidigung, sogenannte Jammer, die die Übertragungsfrequenzen der Steuerungen oder die Ortungssysteme der Drohnen angreifen, dürfen den Vorschriften der Bundesnetzagentur zufolge nicht in der Privatwirtschaft eingesetzt werden. In vielen Fällen sei eine rechtzeitige Erkennung aber völlig ausreichend. Wenn beispielsweise ein Autohersteller frühzeitig durch das System gewarnt wird, kann der Testwagen wieder zurück in die Garage gefahren werden.

Impulsgeneratoren, Obama & G7-Gipfel

Anders ist das bei den Behörden. Die dürften in bestimmten Situationen sehr wohl Abwehrmaßnahmen einsetzen. So geschehen beim letzten G7-Gipfel, wie Christian Jaeger erzählt. Er ist Programmmanager für Drohnendetektion und -abwehr beim Rüstungsunternehmen ESG. Größter Kunde ist seit Jahren die Bundeswehr. Deren Drohnenabwehrsystem Guardion, eine Kooperation mit Diehl Defence und Rohde & Schwarz wurde sowohl beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau als auch bei Obamas Besuch in Hannover eingesetzt. Ob dabei wirklich Drohnen abgewehrt werden mussten, darf ESG nicht sagen.

Wenn ihr System Drohnen erkennt, gibt es vier Abwehroptionen: Ein Störsender kann das WLAN-Signal blockieren oder das GPS-Signal stören. Ihr Smart-Jammer kann auch gezielt einzelne Signale in einem Frequenzbereich blockieren. Damit könnte eine Drohne gestoppt werden, andere Datenverbindungen in der Nähe hingegen würden weiterhin funktionieren. Letzte Option ist das Abfeuern eines elektromagnetischen Impulsgenerators, der sämtliche Elektronik in der Drohne lahmlegt.

Dass sich bald jeder B-Promi einen Drohnenwarner in den Garten stellt und jede Polizeidirektion Drohnenabwehrgeräte kauft, dürfte aber nicht nur aus rechtlichen Gründen noch eine Weile dauern. Die Berliner Polizei hat nach eigenen Angaben bisher keine Geräte zur Drohnenabwehr. Sie kann diese jedoch im Rahmen der Amtshilfe von anderen Behörden anfordern. Das dürfte auch noch eine Weile so bleiben – alleine schon aus Preisgründen. Die billigsten verlässlichen Systeme fangen nach Angaben von Jaeger bei 100.000 bis 150.000 Euro an. Ob er auch schon einen Auftrag für den G20-Gipfel in Hamburg hat, sagt er nicht.