Nach der Krise expandiert Movinga-Chef Finn Hänsel (Mitte) wieder in neue Länder. Bild: promo

Leicht zerbrechlich

Das Berliner Startup Move24 kämpft ums Überleben. Lässt sich das Umzugsgeschäft nicht digitalisieren?

Bei der Weihnachtsparty vor einem Jahr hatte Anton Rummel noch etwas Besonderes zu feiern. Der Chef des Berliner Umzugs-Startups Move24 hatte für die ganze Belegschaft den Club „House of Weekend“ am Alexanderplatz gemietet. Im 15. Stock verkündete er einen besonderen Deal: Immobilienscout24 würde künftig die Daten von allen umzugswilligen Nutzern an das Startup weiterleiten. Fast 20000 potenzielle Interessenten sollte die Kooperation mit der größten Onlineplattform zur Wohnungssuche bringen. Besser noch: Mit dem Vier-Jahres-Vertrag hatte Rummel den Rivalen Movinga ausgestochen. Denn dieses Berliner Startup, bei dem man ebenfalls seinen Umzug online buchen kann, hatte davor Zugriff auf den Großteil des Datenschatzes von Immobilienscout24.

Deal wirkt wie Damoklesschwert

Doch die Hoffnungen auf einen großen Wachstumsschub erfüllten sich nicht. Im Gegenteil: Am Freitag vergangener Woche meldete Move24 vorläufig Insolvenz an. Und offenbar hat ausgerechnet die Kooperation mit Immobilienscout24 massiv zu den Problemen beigetragen. Denn das Portal lässt sich die Weitergabe der Daten gut bezahlen. Zwischen sieben und zehn Euro kosten die Informationen im Schnitt pro Nutzer. Selbst wenn Move24 für ein Gesamtpaket günstigere Konditionen bekommen hat, können die monatlichen Kosten dafür im sechsstelligen Bereich liegen. Konkurrent Movinga hatte daher wenig Interesse an der Weiterführung. „Der damalige Vertrag war für uns nicht profitabel“, sagt Movinga-Chef Finn Hänsel.

Bei Move24 muss es ähnlich gewesen sein. „Die Vereinbarung schwebte wie ein Damoklesschwert über dem Unternehmen“, sagt ein Branchenkenner. Dann verloren wohl einige Geldgeber die Geduld. Nach einem Bericht des Branchenportals „Gründerszene“ forderte ein Investor ein Darlehen von mehr als rund fünf Millionen Euro zurück. Move24-Chef Rummel will sich zu Details der Krise nicht äußern. „Wir versuchen alles, um eine Lösung zu finden, und die wollen wir nicht gefährden“, sagt Rummel dem Tagesspiegel. Noch hofft er auf eine Perspektive für sich und die knapp 200 Mitarbeiter. Doch Gespräche mit Immobilienscout24 sind schon gescheitert: „Wir haben uns nach intensiver Prüfung auch gegen eine Übernahme von Move24 oder Teilen entschlossen.“ Das Unternehmen bedauere das und betont, der Vertrag sei nicht der Insolvenzgrund gewesen.

Hype um die Umzugsportale

Die Krise stellt zudem aber auch das Geschäftsmodell an sich infrage und erinnert an die Probleme bei Konkurrent Movinga. Der war vor drei Jahren fulminant gestartet. Kunden sollten so einfach einen Umzugsdienst im Internet buchen können, wie Flüge, Hotels oder Pizza. Das Startup bietet dabei einen festen Preis und lässt dann den Auftrag von klassischen Umzugsspeditionen durchführen. Investoren wie Rocket Internet pumpten 35 Millionen in das Jungunternehmen, das nach anderthalb Jahren schon 500 Mitarbeiter beschäftigte. In sieben Länder waren die Gründer aktiv und kündigten sogar den Schritt auf den US-Markt an. Doch die Firma wuchs schneller als die Einnahmen, so wurde die Expansion 2016 gestoppt, ein Viertel der Mitarbeiter gefeuert, selbst die Gründer mussten den Hut nehmen.

Bei Konkurrent Move24, der damals noch Movago hieß und sich mit Movinga sogar gerichtlich um Fragen des Ideenklaus stritt, war es ähnlich. Noch heute bezeichnet es sich auf seiner Internet-Startseite als „junges, dynamisches Umzugsunternehmen, das aktuell in zehn europäischen Unternehmen aktiv ist“. Dabei musste sich auch Move24 schon vor einem Jahr aus vielen Ländern zurückziehen und operiert derzeit noch in Frankreich und Schweden. Da sei wohl bei einem Update versehentlich eine alte Textvorlage wieder auf die Seite gestellt worden, sagt Rummel.

Movinga expandiert wieder

Während er versucht, sein Unternehmen zu retten, ist Movinga schon wieder auf Expansionskurs im Ausland. In einigen Wochen soll es in Schweden losgehen. Zwei, drei weitere Länder sind in Planung. Die Insolvenz des Konkurrenten bedeute daher nicht, dass die Umzugsvermittlung online nicht funktioniere, sagt der Movinga-Chef. „Im Gegenteil, denn unser Geschäft entwickelt sich gut“, erklärt Hänsel, „spätestens im Juni werden wir profitabel sein.“ Mehr als 2000 Umzüge werden jeden Monat auf dem Portal gebucht. Knapp 20 Millionen Euro betrug der Umsatz im Vorjahr. „In diesem Jahr peilen wir 35 Millionen Euro an“, sagt Hänsel.

Online-Startup eröffnet nun Umzugsshops

Präsenz vor Ort. In Paris hat Movinga einen Laden eröffnet. Foto: promo

In Paris hat er sogar einen ersten eigenen Shop eröffnet, wo sich Kunden beraten lassen und Umzugskartons kaufen können. In Frankreich sei das üblich. Jetzt will Movinga das Shopkonzept auch hierzulande ausprobieren und sucht in Berlin, München oder Hamburg schon nach geeigneten Flächen.

Könnte eine Übernahme des Erzrivalen das Wachstum beschleunigen? Natürlich gibt es Überlegungen und Gespräche. „Ich bin aber skeptisch, ob es bei Move24 viel Werthaltiges für uns gäbe“, sagt Hänsel. Denn die Software hat er selbst und sonst seien die Kundendatenbanken das Gold von Digitalunternehmen. Doch Umzüge sind ein Einmalgeschäft, da gilt das nicht.