Vom Politiker zum Investor. Der frühere US-Vizepräsident Al Gore hat einen Fonds gegründet, der in nachhaltige Unternehmen investiert. Foto: Carolin Weinkopf

Der Klimawandel: »Das größte Geschäft der Geschichte«

Mit einem leidenschaftlichen Plädoyer wird der frühere US-Vizepräsident Al Gore zum Star auf der Digitalkonferenz Noah.

Politikerreden gehören bei Digitalkonferenzen selten zu den Höhepunkten. Doch Al Gore ist kein gewöhnlicher Politiker. Fast die gesamten neunziger Jahre war er Vizepräsident der USA unter Bill Clinton, scheiterte dann bei der umstrittenen Präsidentschaftswahl im Jahr 2000 extrem knapp gegen George Bush. Später gründete er mit einem Goldman-Sachs-Banker Generation Investment Management, einen Fonds, der zeigen soll, dass Investitionen in nachhaltig wirtschaftende Unternehmen langfristig erfolgreicher sind. „In unseren Wirtschaftssystemen arbeiten wir mit veralteten Metriken, die nicht die wirklichen Werte messen“, sagte Gore auf der Noah-Konferenz, die in dieser Woche in Berlin stattfand.

Die bekanntesten Investitionen von Gores Fonds sind Nest, ein inzwischen von Google gekaufter Hersteller smarter Thermostate, und das nun zu Tesla gehörende Solar City. Doch er investiert nicht nur in Startups im Energiebereich, sondern auch in Software wie das populäre Projektmanagement-Programm Asana.

Schnell kam er auf den Kampf gegen den Klimawandel, denn die globale Erwärmung ist Gores Lebensthema geworden. Sein Dokumentarfilm „Eine unbequeme Wahrheit“ wurde mit dem Oscar ausgezeichnet, er selbst mit dem Friedensnobelpreis. Nachdem im Tempodrom zuvor den ganzen Tag Gründer ihre vermeintlich bahnbrechenden Ideen verkauften und die Investoren mit Umsatzpotenzial und Nutzerwachstum zu beeindrucken suchten, ging es plötzlich um Hurrikans und Dürrekatastrophen. „Das ist eine existenzielle Bedrohung für die Menschheit“, sagte Gore. Er warnte, dass Teile von Nordafrika und dem Nahen Osten bald unbewohnbar würden, die Flüchtlingsströme und der dadurch befeuerte Aufstieg der Populisten seien spürbare Folgen.

Umwelttechnik ist der Jobmotor der USA

Trotz seiner düsteren Prognosen schaffte es der Amerikaner, das Publikum wie kaum ein anderer Redner mitzureißen, indem er eine Aufbruchstimmung verbreitete, die auch die daueroptimistischen Gründer in den Schatten stellte. „Ich möchte sie rekrutieren“, rief Gore. Denn der Kampf gegen den Klimawandel sei zugleich „die größte Geschäftsmöglichkeit in der Geschichte der Welt“. Wir befänden uns am Beginn einer Nachhaltigkeitsrevolution, die eine Wirkung wie die Industrielle Revolution habe, aber mit der Geschwindigkeit der digitalen Revolution, erklärte Gore. So entstünden trotz Trump und dessen Versuch, aus dem Klimaabkommen auszusteigen, in den USA derzeit die meisten Arbeitsplätze im Bereich erneuerbarer Energien. „In der Solarindustrie wachsen die Jobs neun Mal schneller als im Durchschnitt“, sagte Gore. Und letztlich könne jedes Unternehmen seinen Teil beitragen und selbst profitieren. So lautete Gores wichtigste Forderung an die versammelten Unternehmer: „Mehr Effizienz in allen Bereichen der Wirtschaft.“

Klassentreffen der Investoren. Noah-Konferenz im Tempodrom. Foto: promo/Weinkopf

Ansonsten waren die thematischen Schwerpunkte der Startups in diesem Jahr Finanzen und Mobilität. Manchmal verbinden sich auch beide, so wie bei Auto1. Die Berliner sind derzeit mit einer Bewertung von 2,7 Milliarden Euro das am höchsten gehandelte deutsche Startup. Über die Plattform „wirkaufendeinauto.de“ und weitere Pendants in anderen Sprachen wurden im Vorjahr 420000 Gebrauchtwagen gehandelt, der Umsatz betrug 2,2 Milliarden Euro. Das Geschäft funktioniert so, dass Privatkunden ihre Wagen an Händler anbieten können und einen Sofortpreis geboten bekommen. Um das Geschäft weiter anzukurbeln, will Auto1 den Händlern die Finanzierung erleichtern. Es brauche in der Regel 15 Tage und viele Formulare, um Geld von Banken zu bekommen, sagte Firmenchef Hakan Koç. Um das zu ändern, hat er nun die Tochterfirma Auto1 Fintech gegründet und dafür prominente Mitstreiter gewonnen: Die Deutsche Bank und die Allianz beteiligen sich an dem Joint Venture.

Der große Fokus auf Mobilität zeigte sich den Teilnehmern schon, bevor sie die Veranstaltung im Tempodrom betraten. Davor parkte der Volocopter. Auf den ersten Blick sieht er aus wie ein Helikopter, hat jedoch statt eines großen gleich 18 kleine Rotoren, wie man sie von Drohnen kennt. Als elektrisch betriebenes Flugtaxi will das Startup künftig Teile des Verkehrs in die Luft verlegen, auch Daimler hat schon mehrere Millionen in das Projekt investiert.

Einer der Stargäste war Dara Khosrowshahi, der neue Chef des US-Fahrdienstvermittlers Uber. Auch er will bis 2023 fliegende Taxen vermitteln. Doch in Berlin präsentierte er zunächst Elektrofahrräder, die das seit Monaten boomende Angebot an Leihrädern noch vergrößern.

Rocket wollte in Uber investieren

Während draußen Taxifahrer lautstark gegen Uber protestierten, outete sich Rocket-Internet-Chef Oliver Samwer als Fan des Unternehmens. „Leider haben wir eine Beteiligung an Uber verpasst“, räumte er ein. Doch als Teil der erweiterten Strategie will er künftig auch in fahrerlose Autos investieren (siehe Text unten). Und noch ein anderer großer Wagniskapitalgeber aus Berlin ist an neuen Anbietern im Bereich Mobilität interessiert: Target Global hat dafür einen eigenen Fonds aufgelegt, wie auf der Noah verkündet wurde. Gefüllt ist der mit 100 Millionen Dollar. Als erste Beteiligung steigt der Investor gemeinsam mit BMW, Nokia und anderen beim Werkstattportal Caroobi ein. 20 Millionen Dollar erhält das Ende 2015 gestartete Berliner Jungunternehmen insgesamt und will damit auch nach Großbritannien und Frankreich expandieren. Auf der Onlineplattform von Caroobi können Nutzer Autoreparaturen zum Festpreis buchen, die dann von einer der 750 Partnerwerkstätten durchgeführt werden.

Wie sich die deutsche Industrie in den Zeiten des Wandels behaupten kann, diskutierten dann Starinvestor Klaus Hommels und Noah-Chef Marco Rodzynek mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Der zeigte sich als Kenner der Materie und durchaus problembewusst. „Wir diskutieren seit Jahren über die Digitalisierung, jetzt wird es Zeit, Entscheidungen zu treffen“, sagte Altmaier. Er räumte ein, dass es ein Problem gebe, wenn Startups Summen zwischen 50 und 100 Millionen Euro benötigten. Dann komme das Kapital meist aus dem Ausland. Ein großer Versicherer sagte dem Wirtschaftsminister, sie würden mehr Geld in Wagniskapitalfonds stecken, wenn sie dürften. „Hier müssen wir die Gesetzgebung ändern“, sagte Altmaier.

Warum der Wirtschaftsminister kein WhatsApp nutzt

Das Thema Finanzierung habe bei ihm die höchste Priorität. Auch über die Regulierung von Plattformen, das Kartellrecht und andere Punkte werde intensiv beraten. „In einem halben Jahr haben wir einen klaren Fahrplan“, versprach Altmaier. Der Noah-Macher wollte den Wirtschaftsminister dann gern mit hochrangigen Gründern und Investoren in einer WhatsApp-Gruppe zusammenbringen, um sich weiter auszutauschen. „Ich nutze kein WhatsApp“, erklärte Altmaier. Da die Kosten für dienstliche SMS übernommen würden, sehe er keinen Grund zu wechseln. Zudem bevorzuge er zur Diskussion noch ganz klassische, persönliche Treffen.