Fast wie im Schlaraffenland Silicon Valley. Deutsche Startups nutzen die Dienste von Catering-Plattformen als Alternative zur Kantine

Die virtuelle Kantine

Drei Berliner Startups digitalisieren das Catering-Geschäft. Nun drängt auch Foodora in den lukrativen Markt.

Mit Essenslieferdiensten kennt sich Doreen Huber aus. Die 35-Jährige war eine der ersten Mitarbeiterinnen bei Lieferheld, danach brachte sie die Plattform in zahlreiche weitere Länder. Für eigene Firmenveranstaltungen wurde natürlich in großem Stil Pizza geordert.

Doch als die Gruppe unter dem Namen Delivery Hero größer wurde, funktionierte die Selbstversorgung nicht mehr. „Als wir mehr als hundert Mitarbeiter waren, mussten mindestens zehn Pizzaboten kommen“, erinnert sich Huber. Ihre nächste Geschäftsidee war geboren.

Sieben Milliarden Euro für Catering

Liefer-Spezialisten. Lemoncat-Gründerin Doreen Huber hat schon die Expansion von Lieferheld vorangetrieben. Foto: promo/Lemoncat

Mit dem Startup Lemoncat will die Berlinerin das Catering-Geschäft aufmischen. Von den obligatorischen Schnittchen für Meetings bis zum großen Menü bei der Weihnachtsfeier: Sieben Milliarden Euro geben Unternehmenskunden dafür jedes Jahr in Deutschland aus.

„Der Zugang zu gutem Essen für geschäftliche Anlässe ist in Deutschland allerdings katastrophal“, sagt Huber. Bei kaum einem Caterer könne man online bestellen und die Angebote müssen vorher telefonisch oder per Mail eingeholt werden. Dadurch sind auch Preise und Leistungen intransparent und schwer vergleichbar.

Huber will diese Marktlücke füllen. Inzwischen hat sie 400 Caterer aus ganz Deutschland auf ihrer Plattform versammelt. Per Mausklick können Kunden ordern, das Startup erhält dabei etwa 15 Prozent Provision.

Lemoncat überträgt damit das Modell von Online-Lieferdiensten wie Deliveroo auf Geschäftskunden. Wagniskapitalgeber lieben solche Vermittlungsplattformen.

Sechs Millionen von Investoren wie Rocket Internet

Drei Damen vom Cybergrill. Heycater-Gründerinnen Sophie Radtke, Therese Köhler und Miriam Neubauer. Foto: promo/Heycater

Und so steckten Investoren wie Rocket Internet und Northzone aus Schweden gerade sechs Millionen Euro in Hubers Startup. Es habe beste Voraussetzungen, den Catering-Markt erfolgreich zu digitalisieren, sagt Jessica Nilsson von Northzone.

Wie bei den meisten lukrativen Geschäftsideen ist Huber allerdings nicht allein. Die Berliner Startups Heycater und Caterwings bieten ähnliche Plattformen. Dort finden sich teilweise die gleichen Essenslieferanten und sogar die Geldgeber sind gleich: Caterwings stammt aus der Firmenschmiede der Samwer-Brüder. Dass Rocket Internet sich trotzdem am Konkurrenten Lemoncat beteiligt, zeigt, welches Potenzial die Samwers in den Häppchenvermittlern sehen.

Kampf der Caterer

Droht nun ein Kampf der Caterer, wie er schon zwischen Foodora, Deliveroo und Co herrscht? Einige Mitbewerber wie Happycater haben schon aufgegeben. Die verbliebenen drei Anbieter kämen sich momentan noch nicht in die Quere, sagt Heycater-Gründerin Therese Köhler. Erst einmal müssten alle ihre Kunden noch überzeugen, dass sie ihre Büroverpflegung auf den neuen Online-Marktplätzen ordern können.

„Langfristig ist aber ein Lieferheld-Lieferando-Szenario möglich“, sagt Köhler. Damit spielt sie auf einen der erbittertsten Klonkriege in der Berliner Startup-Geschichte an. Die Lieferdienste warfen sich gegenseitig vor, Speisekarten zu kopieren und Webseiten lahmzulegen. Am Ende ermittelte die Staatsanwaltschaft.

Für Startups die Alternative zur Kantine

Köhlers beste Waffe ist dagegen ihr Charme. Sie und ihre Mitgründerinnen Sophie Radtke und Miriam Neubauer ziehen gerne persönlich los, um neue Caterer für ihren Marktplatz zu werben. Das zieht. „Ich wurde von allen Anbietern kontaktiert“, sagt Lauren Lee, die unter dem Namen Fräulein Kimchi koreanische Spezialitäten mit deutschen Zutaten kombiniert. Doch während andere Anbieter nur eine Anfrage per Mail schickten, überzeugte sie der persönliche Auftritt. Inzwischen kommen 25 bis 50 Prozent der Bestellungen bei ihr über Heycater.

Startups gehören zu den besten Kunden der Caterplattformen. Ein Schlaraffenland wie das Silicon Valley – wo die Mitarbeiter von Google und Co von früh bis spät kostenlos verköstigt werden – ist Berlin zwar noch nicht. Doch mindestens einmal pro Woche einen gemeinsamen Office-Lunch aufzutischen, gehört bei manchen genauso dazu, wie die Mate-Flaschen im Kühlschrank. Und die Teamverpflegung wird natürlich online gebucht. „Für viele sind wir die Alternative zur Kantine“, sagt Köhler.

Berliner Cater-Startups erobern Deutschland

Doch auch Beraterfirmen, Kanzleien und große Konzerne wie EY, Freshfields oder Adidas nutzen inzwischen die Berliner Caterer. Schließlich bringen sie Abwechslung auf den Konferenztisch: Statt Lachsschnittchen gibt es dann beispielsweise Spluffins, eine Mischung aus Splitterbrötchen und Muffins, gern mal mit Guacamole gefüllt.

Wie es sich für Firmen in der Plattformökonomie gehört, wird das Modell nun skaliert. Zu Deutsch: Man dehnt es auf so viele Orte wie möglich aus. Heycater ist schon in sieben Städten aktiv. Als Nächstes stehen Düsseldorf, Köln und Stuttgart auf dem Eroberungsplan.

Stuttgarter verstehen Berliner Hipsternamen nicht

Dabei müssen die Startups jedoch regionale Gepflogenheiten beachten. „Ein Stuttgarter isst eben doch anders als ein Berliner“, sagt Köhler. Die Hauptstädter hätten mehr Kontakt zu neuen Streetfood-Trends und seien daher offener für ausgefallene Kreationen und blumige Namen. Für die Angebote in Süddeutschland müssten dagegen die Namen der Gerichte umbenannt werden. Aus dem „crispy baked beef“ wird dann wieder ein alter Kantinenschlager: das Schnitzel.

Manchmal übertreiben es die Hipster-Caterer aber auch für den Berliner Geschmack. „Neulich hatte jemand Würstchen aus der Sardellendose, flambiert Neukölln-Style“, sagt Köhler, „da haben wir die Kreativität gebremst.“

Rockets Caterwings baut Angebot im Ausland aus

Globale Ambitionen. Caterwings-Gründer Stephan Grund startete in London. Foto: Dirk Lässig

Lemoncat ist schon in mehr als 80 Städten verfügbar, bis Jahresende sollen es 150 sein. Caterwings ist, wie es sich für ein Rocket-Gewächs mit globalen Ambitionen gehört, schon längst international aktiv. Die Berliner vermitteln auch in Großbritannien und den Niederlanden. „Über die Sommermonate wollen wir in weitere europäische Länder“, sagt Caterwings-Gründer Stephan Grund. Per Stellenausschreibung sucht er schon „Operations Manager“, um „den Markt in Österreich und der Schweiz zu erobern“.

Es muss schnell gehen, denn noch ein weiterer Wettbewerber steht in den Startlöchern: Foodora. Die Fahrradkuriere mit den rosa Essensboxen auf dem Rücken sind schon jetzt oft zu Geschäftskunden unterwegs, bei denen Mitarbeiter Sammelbestellungen aufgeben. Viele Unternehmen haben sogar Firmenaccounts.

Auch Foodora steigt ins Catering-Geschäft ein

Nun will der ebenfalls zu Rockets Essenslieferimperium Delivery Hero gehörende Dienstleister Foodora sein Angebot für Geschäftskunden offenbar ausweiten. In Paris bietet das Startup schon seit einiger Zeit Catering an. „Zu unseren Plänen in Deutschland können wir noch nichts sagen“, heißt es von Foodora auf Anfrage.

Doch offenbar wird das Modell in Berlin bereits getestet. Das jedenfalls legen neue Auswahloptionen nahe, die kürzlich bei einzelnen Anbietern in der Foodora-App zu sehen waren. „Catering – Vorbestellung notwendig (bis 16 Uhr für Folgetag)“, hieß es beispielsweise, wie Screenshots zeigen, die dem Tagesspiegel vorliegen. Von Broten über Törtchen bis hin zu Wein wurden dort verschiedene Produkte mit der Option „Catering“ angeboten. Es handele sich dabei aber nur um eine missverständliche Formulierung der Menüstruktur eines einzelnen Restaurants, sagt ein Foodora-Sprecher.

Die Schattenseiten des Cateringbooms

Bislang übernimmt Foodora für Restaurants, die über keinen eigenen Lieferservice verfügten, die entsprechende Logistik. Sollte das Startup dieses Modell ausweiten und auch Fahrdienste für die Belieferung von Geschäftskunden anbieten, würde es die Wachstumsprobleme von manch kleinem Caterer lösen. So auch von Fräulein Kimchi. „Ich habe manchmal Anfragen für drei Aufträge zur gleichen Zeit, aber nur ein Auto“, sagt Lee.

Der Cateringboom ist inzwischen allerdings auch für viele Fans von Lees Rotkohl-Kimchi ein Problem: Ihr auch vom Tagesspiegel schon mehrfach empfohlenes Restaurant ist seit einiger Zeit geschlossen. Die Küche ist zu klein um neben all den Cateringkunden auch die normalen Besucher zu bewirten.