Grausam. Zeit Online listet 122 Femizide im Jahr 2018 auf. Screenshot von Zeit Online

Datenspiegel #46: 122 getötete Frauen

122 Frauen wurden 2018 von ihren Partnern umgebracht. Journalisten haben jeden einzelnen Fall nachrecherchiert. Außerdem: Wie man mit Hass Geld macht.

Überall auf der Welt versuchen Medien, mit Datenanalysen, Infografiken und Crossmedia-Geschichten, den Journalismus weiterzudenken. An dieser Stelle sammelt das Team des Tagesspiegel Innovation Lab seine Lieblingsgeschichten – jede Woche. Dieses Mal mit Femiziden, Geschichten zum Klima und wie aus Hass Geld wird.

Mehr als ein Familiendrama

Wenn von „Familiendramen“ die Rede ist, ist das oft eine unangebrachte Beschönigung. Denn oft geht es dabei eigentlich um Mord oder Totschlag. Und in den allermeisten Fällen sind die Opfer Frauen. Fast jede zweite getötete Frau in Deutschland stirbt durch die Hand ihres Partners oder Ex-Partners. Das waren 122 Frauen allein im Jahr 2018.

Zeit Online hat alle diese Fälle nachrecherchiert. Dargestellt werden die Ergebnisse sowohl in nüchternen Infografiken als auch in den grausamen Details jedes einzelnen Falls. In der schockierenden Geschichte wird auf viele Elemente verzichtet, die sonst im Datenjournalismus üblich wären. Die Zahl der Infografiken ist gering. Stattdessen wird zu allen nachvollziehbaren Fällen kurz der Tathergang geschildert. Das geht unter die Haut und verbirgt weder Leid noch Schuld hinter nüchternen Zahlen.

Wie etwa bei dem Fall einer Frau, die am helllichten Tag in der Öffentlichkeit von ihrem Ex-Mann erstochen wird. Minutenlang sticht er mit einem Messer auf die Frau ein, weil er die gerichtlich festgelegten Unterhaltszahlungen nach der Trennung nicht leisten will. Er stoppt erst, als ein Polizist ihn mit vorgehaltener Maschinenpistole dazu zwingt.

Aus Hass wird Geld

Das Hass-Netzwerk ist mittlerweile in sechs Ländern aktiv, die Zahl seiner Posts wächst kontinuierlich. Screenshot: Tagesspiegel von Guardian

Ariel1238a will im Internet Geld verdienen. Auf seinen Webseiten geht es um Dating, Fan-Kultur und Sex. Doch er scheint nicht zufrieden mit dem Umsatz, den er macht. Und er beschwert sich darüber, dass Facebook gegen Fake News vorgeht oder Google ihm verbieten wolle, „gewalttätigen Inhalte“ auf seiner Webseite zu zeigen.

Irgendwann kommt er offenbar auf eine andere Geschäftsidee: Er programmiert zehn nahezu identische „Nachrichten-Websites“, die mit Werbe-Anzeigen überfrachtet sind. Die Webseiten machen Stimmung gegen alles, was mit dem Islam zu tun hat. Dazu werden Texte kopiert, Aussagen verkürzt, verdreht oder einfach frei erfunden. Danach erlangt er nach und nach die Kontrolle über ein Netzwerk von 21 rechten Facebook-Accounts. Über die orchestriert er seine Hetz-Kampagnen – mit dem einzigen Zweck die Klickzahlen seiner Webseiten zu erhöhen.

Die Schilderung ist Teil einer minutiös erzählten Geschichte des Guardian zu Fake News. Sie gewährt einen tiefen Einblick in die Welt rechter Troll-Armeen. Auch gut eineinhalb Jahre nach Cambridge Analytica gelingt es Facebook offenbar nicht, manipulatives und demokratiegefährdendes Verhalten auf seiner Plattform zu unterbinden.

Das Klima auf dem Küchentisch

Auch die Waldbrände im Amazonas-Regenwald produzieren Feinstaub. Screenshot von der New York Times

Gleich drei Geschichten der vergangenen Woche beschäftigen sich mit der Luft und dem Klima – wenngleich aus verschiedenen Richtungen.

Sie essen gerne Pasta? Dann kochen Sie sich einen Teller Bolognese mit der NZZ! Dabei erfahren Sie, welchen Einfluss Ihre Zutatenauswahl auf das Klima hat. Ob Parmesan, Wein oder gemischtes Hack, jede Entscheidung ist auch eine Entscheidung über den ökologischen Fußabdruck. Eingesetzt wird dafür die Methode des Life Cycle Assessment, die weit über die nüchterne CO2-Bilanz hinausgeht. Dabei wird der gesamte Lebenszyklus der Produkte über Produktion, Transport, Konsum und Entsorgung wird berücksichtigt.

Feinstaub führte weltweit allein 2015 zu circa 4,2 Millionen Toten. Die New York Times widmet sich den unsichtbaren Partikeln, die in Peking die Spitzen der Hochhäuser verdecken. Von solchen Extremen ist Berlin zwar weit entfernt. Trotzdem wird auch dort die Luft teilweise als ungesund eingestuft. In Neu Delhi lagen die Spitzenwerte noch um ein Zehnfaches höher als in Berlin und sprengen damit die offizielle Skala. Dazu kommt, dass Feinstaub nicht nur direkte Gesundheitsfolgen hat, sondern darüber hinaus auch das Klima beeinflusst, wie eine neue Veröffentlichung des Postdamer IASS zeigt.

Doch wie sieht es denn nun in 50 Jahren aus, wenn wirklich alles wärmer geworden ist? Sollten Sie in der Schweiz leben, können Sie das für Ihre Gemeinde anhand dieser Geschichte des SRF herausfinden. Sie lohnt sich aber auch für Nicht-Schweizer.

Was sonst noch spannend war

Nachdem Zeit Online vor zwei Wochen eine Deutschlandkarte der Mietpreise präsentierte, gibt es diese Woche die Deutschlandkarte der einkommensabhängigen Mietpreisbelastung. Das klingt komplizierter, ist allerdings noch mal wesentlich relevanter und unbedingt einen Klick wert.

Der Guardian hat die weltweit 100 besten Fussballerinnen 2019 gekührt.

In der Schweiz ist mittlerweile jedes zweite neuverkaufte Auto ein SUV. Doch in welchen Gemeinden sind sie besonders beliebt?

Kokain ist die illegale Droge, die in Europa am zweithäufigsten konsumiert wird. Doch wie gelangt der ganze Stoff mit einem Verkaufswert von rund 9,1 Milliarden Euro nach Europa? Europol zeigt es.

Wie oft lassen sich Autofahrer am Steuer von ihrem Smartphone ablenken? Die Antwort gibt es hier, zumindest für die USA.

Bei der Bahn können nicht nur Züge, Bordbistros und Toiletten ausfallen – sondern auch die Aufzüge. BR24 zeigt, wo genau.

Marx, Piketty, Hans-Werner Sinn - Sie alle haben argumentiert, dass Kapitalismus nicht gerecht sein kann. Doch wie ungerecht ist er denn jetzt? Die New York Times vergleicht es anhand von amerikanischen Städten.

Last but not least: Der geniale Entwickler und Datenakrobat Neal Agarwal hat mal wieder eine sehr schöne Webseite gebaut. Diesmal zeigt er, in welcher Tiefe des Meeres welche Tiere leben:

Screenshot von The Deep Sea