Zahlen, Anlegen, Überweisen. Fintechs bieten ihren Nutzern oft die gleichen Services wie traditionelle Banken. Grafik: istock/Fabian Bartel

Wenn Fintech-Firmen erwachsen werden

Berlin ist unter den Gründern von Fintechs beliebter als die Bankenmetropole Frankfurt am Main. Fünf Anzeichen dafür, dass die jungen Finanzdienstleister sich professionalisieren.

Mitten im Großraumbüro von Finleap steht eine Telefonzelle. Wie ein Fremdkörper wirkt sie zwischen den Schreibtischen, an denen junge Gründer auf ihre Laptops starren. Sie alle haben Smartphones – keiner von ihnen würde noch Münzen einwerfen, um per Fernsprecher zu telefonieren. Stattdessen dient die Kabine als Rückzugsort. Sie ist ein Zeichen dafür, wie schnell neue Technologien das Verhalten der Verbraucher verändern können. Den 200 Mitarbeitern, die mittlerweile für Finleap arbeiten, kann dieser Wandel gar nicht schnell genug gehen. Finleap ist eine Berliner Startup-Schmiede, die Fintechs in Serie gründet: Das sind junge Techfirmen, die Bankdienstleistungen im Netz anbieten und sie so schneller, einfacher und billiger machen wollen. Die Finleap-Firmen legen zum Beispiel über Webkonten die Gelder von Sparern im Ausland an, helfen beim Kontowechsel, führen ein Online-Pfandhaus oder treiben im Netz das Geld von säumigen Kunden ein.

Sie sind damit in einem Markt unterwegs, der wächst – vor allem in Berlin. Von den 250 Fintechs, die es deutschlandweit mittlerweile gibt, haben 70 ihren Sitz in der Hauptstadt. Damit ist Berlin unter den Gründern im Finanzbereich beliebter als die Bankenmetropole Frankfurt am Main. Für die Hauptstadt ist das eine große Chance. Denn die Fintechs, die lange als die jungen Wilden der Bankbranche belächelt wurden, werden erwachsen. Fünf Punkte, die das belegen:

1 Fintechs entstehen in Serie

Mit Finleap ist in Berlin eine Art Fintech-Fabrik entstanden. Die Macher haben die Gründung professionalisiert. Solange die Firmen noch klein sind, teilen sie sich etwa Entwickler, das Rechnungswesen und die Personalabteilung. Das soll Anfängerfehler verhindern und macht die Gründung schneller. So hat es bei dem Versicherungsvermittler Clark zum Beispiel gerade einmal 74 Tage von der Idee bis zum Firmenstart gedauert. Anfangs sitzen die Jungunternehmen im Großraumbüro von Finleap. Gibt es Probleme oder Fragen, können sie einfach einen Tisch weitergehen und die Kollegen eines anderen Teams fragen. Erst wenn sie sich am Markt bewiesen haben und zu groß werden, ziehen sie in eigene Räume um.

Auf dieses Modell setzt zum Beispiel auch die Startup-Schmiede Rocket Internet. Dass es mittlerweile eine solche Gründerfabrik speziell für Fintechs gibt, zeigt, wie sich diese Branche professionalisiert. „Fintech will raus aus der Ecke ’Jugend forscht’“, sagt Ramin Niroumand, einer der Finleap-Chefs. Insgesamt hat Finleap in den vergangenen zwei Jahren neun Fintechs gegründet, drei weitere stehen kurz vor dem Start.

2 Die Gründer sind erfahrener

Gerade bei Fintechs sind es in der Regel nicht Studenten oder Uni-Absolventen, die gründen. Die meisten, die eine junge Finanzfirma hochziehen, bringen bereits jahrelange Erfahrung mit. Viele haben bei Banken gearbeitet, denen sie heute in Teilen Konkurrenz machen. Gerald Klein zum Beispiel war bei der Landesbank Berlin neun Jahre lang für den Wertpapierhandel und das Asset Management verantwortlich, seit 25 Jahren steht er im Beruf. Jetzt hat Klein in Berlin einen neuen Robo-Advisor gegründet: Das ist ein Startup, das die Gelder der Anleger im Netz je nach Risikowunsch automatisch in Aktien und Anleihen investiert. Toby Triebel, der unter dem Dach von Rocket Internet die Kreditplattform Spotcap gegründet hat, kommt von Goldman Sachs. Garry Krugljakow hat für die Société Générale in London mit Derivaten gehandelt – heute ist er Co-Gründer des Berliner Startups Cookies, das das Überweisen per Handy leichter machen will. Wer ein Fintech aufbaut, kennt also die Branche. Er weiß, worauf er sich einlässt, und gründet nicht nur um des Gründens willen. Hinzu kommt, dass Fintechs zunehmend prominente Unterstützung bekommen. Unter Managern und Politikern, die neue Herausforderungen suchen, ist es fast schon „in“, junge Fintechs zu beraten. So sitzt Ex-Staatssekretär Jörg Asmussen zum Beispiel im Beirat der Kreditplattform Funding Circle. Regelmäßig schaut er im Berliner Büro vorbei und unterstützt die Chefs bei strategischen Fragen.

3 Fintechs werden offener

Eine gewisse Verschwiegenheit gehört bei Startups zum Geschäft. Zu groß ist die Angst, Konkurrenten könnten ihre Ideen kopieren. Gleichzeitig schaffen Informationen aber auch Vertrauen bei den Kunden. Dass das gerade im Finanzwesen wichtig ist, haben die Fintechs verstanden – und sprechen mittlerweile offener über ihr Geschäft. „Es gibt den Wunsch nach mehr Transparenz“, sagt Andreas Barthelmess, einer der Chefs beim Kreditmarktplatz Auxmoney. „Es geht um Glaubwürdigkeit.“ Auxmoney sammelt im Netz Gelder bei Anlegern ein und vergibt Kredite an Privatpersonen. Um transparenter zu werden, haben die Gründer beschlossen, offener darüber zu reden, wie sie die Bonität ihrer Kreditnehmer berechnen. Wie sie einschätzen, ob ein Kunde seinen Kredit auch zurückzahlen will oder kann. Banken nutzen dafür Bonitätsabfragen bei Auskunfteien wie der Schufa. Auxmoney macht das zwar auch – gibt sich aber mit den Schufa-Daten allein nicht zufrieden. Sie verknüpfen sie mit Informationen, die sie selbst über die Kunden sammeln. Das kann die IP-Adresse sein oder die Frage, mit welchem Browser der Kunde ins Netz geht. Wer nachts um zwei eine Kreditanfrage im Internetcafé stellt, wird anders eingeschätzt als jemand, der das von zu Hause aus tut.

4 Banken sind Partner

Fintechs attackieren die Banken, heißt es. Sie wollten die Geldinstitute überflüssig machen. Doch die Realität ist eine andere. Die meisten Fintechs arbeiten längst ganz bewusst mit Banken zusammen. Auch das ist Teil des Erwachsenwerdens. Beide Seiten haben erkannt, dass es ohne den anderen nicht geht: Fintechs haben die Innovationen, Banken die Kunden. Deshalb räumt Tim Sievers von Deposit Solutions ein: „Die großen Banken von heute werden auch die großen Banken von morgen sein.“ Seine Firma vermittelt Angebote für Fest- und Tagesgeld im Netz: über ein eigenes Portal namens Zinspilot wie auch als Dienstleister für die Deutsche Bank. Letztere hat sich gegenüber Fintechs geöffnet und gleich mehrere an sich gebunden. Die Deutsche Bank will Kunden so Dienste anbieten, die es vorher bei ihr nicht gab – zum Beispiel die Möglichkeit, von guten Konditionen für Tages- oder Festgeld im Ausland zu profitieren. Selbst regionale Banken wie die Berliner Volksbank setzen deshalb mittlerweile auf die Zusammenarbeit mit Fintechs.

Kooperation statt Konfrontation würden Unternehmensberater dieses Verhalten nennen. Selbst das Fintech Auxmoney, das man als Marktführer unter den Kreditplattformen im Netz durchaus als direkte Konkurrenz der Banken sehen könnte, fühlt sich selbst nicht als Feind der Geschäftsbanken. Im Gegenteil. „Wir vergeben auch Kredite an Menschen, die bei der Bank keinen Kredit bekommen würden: Selbstständige, Studenten oder Berufsanfänger“, sagt Barthelmess. Mittlerweile würden Banken ihnen bewusst Kunden vermitteln, die sie selbst zwar ablehnen müssen – die sie aber als Hausbank nicht vor den Kopf stoßen wollen.

5 Fintechs wollen Regeln

Seit der Krise gibt es kaum eine Branche, die so stark reguliert ist wie die Finanzindustrie. Für Fintechs ist das eine Herausforderung: Anders als Banken können sie sich eine große Abteilung, die sich nur ums Regelwerk kümmert, nicht leisten. In Großbritannien sitzen die Fintechs deshalb im „regulatorischen Sandkasten“: So nennt man das, wenn Firmen bei der Aufsicht eine Sonderbehandlung bekommen. Sie sollen ihr Geschäftsmodell ausprobieren können, bevor sie sich den strengen Anforderungen stellen müssen. In Deutschland ist so etwas nicht absehbar. Eine Vorzugbehandlung für deutsche Fintechs wird es nicht geben. „Damit würde die Aufsicht mit der Wirtschaftsförderung vermischt. Davon halte ich nichts“, sagt Bafin-Chef Felix Hufeld im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Stellen Sie sich vor, ein Fintech benimmt sich nicht korrekt gegenüber Kunden und dann kommt heraus, es hat im Sandkasten der Bafin gesessen. Das ist völlig undenkbar.“ Stattdessen will er die Startups anders ansprechen. Statt auf dem Postweg sollen sie mit der Bafin zum Beispiel übers Netz kommunizieren können. Den Fintechs kommt das entgegen – viele würden eine Sonderbehandlung gar nicht wollen. „Wir wollen ernst genommen werden. Da macht es keinen Sinn, im Sandkasten zu sitzen“, sagt Niroumand.