Taktvoller Typ. Julian Simmendinger hat Soundbrenner gegründet. Foto: promo

Im Takt der Stadt

Warum das Musik-Startup Soundbrenner halb in Berlin, halb in Hongkong sitzt.

Im Schritttempo schieben sich an diesem Morgen die Autos durch die engen Straßen des Sheung-Wan-Viertels von Hongkong. Händler laden ihre Waren aus Transportern aus, manche sind auch mit Handkarren unterwegs. In ihren schmalen Läden verkaufen sie tütenweise Heilkräuter, getrocknete Pilze und Ginseng, in Regalen stehen Gläser mit getrockneten Meerestieren. Dass Julian Simmendinger hier einmal landen würde, hätte der Deutsche noch bis vor ein paar Jahren selbst nicht gedacht. Doch heute ist er froh, mit seinem Startup Soundbrenner halb hier in Hongkong zu sitzen, halb in Berlin.

Vor vier Jahren haben er und sein Mitstreiter Julian Vogels ein Metronom fürs Handgelenk entwickelt. Das Gerät, das wie eine Uhr ohne Ziffernblatt aussieht, vibriert im Takt. Musiker können den Takt dadurch fühlen, statt auf das Klacken eines klassischen Metronoms achten zu müssen. Gesteuert wird das Gerät über eine App auf dem Smartphone.

Ein Paradies für Bastler

Anfangs haben die beiden Gründer an ihrer Idee ausschließlich in Berlin gearbeitet. Ein Investor war es, der sie dann aber noch während der Entwicklungsphase nach Hongkong lockte. Manav Gupta hatte in der Sonderverwaltungszone damals gerade einen neuen Accelerator aufgebaut und schwärmte den beiden von den Vorzügen der Großstadt am Perlfluss vor. In Berlin hatten die beiden zu dem Zeitpunkt Schwierigkeiten, die nötigen Einzelteile für ihren Prototyp zu finden – in Hongkong versprach Gupta ihnen Abhilfe.

Denn im Norden grenzt die Stadt an die chinesische Provinz Shenzhen, die für ihre Elektronikmärkte bekannt ist. So fanden die beiden Gründer dort auch auf Anhieb an die 200 Motoren, die für ihren Prototyp infrage kamen und zudem noch besonders günstig waren. In Deutschland hatten sie dagegen mit Mühe 30 Motoren zusammenbekommen, die sie teuer übers Internet hatten bestellen müssen. Deshalb zogen die beiden nach Hongkong, um ihren Prototyp zu bauen. Doch während Vogels später nach Berlin zurückkehrte, blieb Simmendinger vor Ort.

Musikalische Werte

Wer ihn heute besucht, muss erst mal den schmalen Hauseingang finden, der versteckt zwischen den traditionellen Geschäften in Sheung Wan liegt. Fährt man dann mit dem Fahrstuhl in den 15. Stock hoch, landet man in einem Büro, wie man es auch in Berlin finden könnte. An langen Tischen sitzen die Mitarbeiter hinter ihren Laptops, im Flur stehen ein paar Kartons, die noch ausgepackt werden müssen. Denn das Team ist gerade erst eingezogen, für die inzwischen 14 Mitarbeiter ist es am alten Standort einfach zu eng geworden. Hier ist nun genug Platz, sodass sich das Team noch verdoppeln kann – und soll.

Denn Hongkong hat sich nicht nur als guter Standort für die Entwicklung der Hardware herausgestellt. Auch sind die Gründer hier besonders nah an einem ihrer wichtigsten Märkte: dem chinesischen Festland. Dort verkaufen sie inzwischen sehr viel mehr ihrer Metronome als in Deutschland. „Die musikalische Erziehung hat in China einen sehr hohen Stellenwert“, sagt Simmendinger. Davon könnten sie profitieren. Dazu kommt noch, dass sie in Hongkong recht schnell Investoren gefunden haben: In ihrer ersten Finanzierungsrunde kamen fast alle Geldgeber aus der Sonderverwaltungszone. Nicht zuletzt ist auch die Einkommenssteuer hier vergleichsweise niedrig, sodass sie weniger Geld für die Gehälter ausgeben müssen.

Kopierangst

Doch trotz all dieser Vorteile haben die Gründer ihr Berliner Büro bewusst nicht aufgegeben. Die Zahl der Entwickler, die dort sitzen, soll schon bald von drei auf acht steigen. Das Geschäft haben sie nämlich inzwischen streng getrennt: In Hongkong wird die Hardware gebaut und das Metronom vermarktet, in Berlin die Software programmiert. Zum einen finde man in der deutschen Hauptstadt leichter Entwickler. Zum anderen sei es aber auch eine Frage der Sicherheit. „Wir müssen damit rechnen, dass wir in China kopiert werden“, sagt Simmendinger.

Schon jetzt gibt es Gerüchte, dass Nachahmer an einem Konkurrenzprodukt arbeiten, das ihrem stark ähnelt. Simmendinger bleibt aber trotzdem entspannt: „Die Hardware zu kopieren allein reicht nicht. Das Herzstück ist unsere App.“ Deshalb arbeiten daran ausschließlich Mitarbeiter in Berlin. Auch liegen die wichtigsten Daten sicherheitshalber auf Servern in Europa.