Nur von einem Tag hat die New York Times die Bilder einer öffentlichen Kamera ausgewertet. Und schon konnte sie Leute identifizieren. Screenshot Tagesspiegel von »We Built an ‘Unbelievable’ (but Legal) Facial Recognition Machine«

Datenspiegel #14: So einfach ist Gesichtserkennung

Ein Experiment zeigt, wie einfach Gesichtserkennung mithilfe öffentlicher Kameraufnahmen ist. Spiegel Online hat derweil ausgerechnet, warum der ICE so langsam fährt.

Überall auf der Welt versuchen Medien, mit Datenanalysen, Infografiken und Crossmedia-Geschichten, den Journalismus weiterzudenken. An dieser Stelle sammelt das Team des Tagesspiegel Innovation Lab seine Lieblingsgeschichten – jede Woche. Diese Woche mit der unglaublichen Leichtigkeit der Gesichtserkennung, einem ernüchternden Wettrennen zwischen dem deutschen ICE und dem französischen TGV und der Vermischung von Netflix, Aktivismus und Journalismus.

2750 Gesichter in neun Stunden

Es ist eine typische Szene aus Agentenfilmen: Der Nerd im Agententeam sucht weltweit nach einem Verdächtigen, indem er überall Kameras anzapft. Nach wenigen Minuten sagt er dann zu seinen Kollegen: »Da! Um 14.31 Uhr ist der Bösewicht in Shanghai in einen Zug gestiegen.« Solche Szenen wirken immer ein wenig spektakulär und ein wenig paranoid.

Die New York Times hat jetzt mit einem selbstgebauten Experiment zur Gesichtserkennung gezeigt, dass das gar nicht mehr so spektakulär ist. Sie haben die Videoaufnahmen von drei Webcams in einem Park für neun Stunden mitgeschnitten. Die Kameras übertrugen die Bilder öffentlich ins Netz, wie es viele Webcams an touristischen Orten auf der ganzen Welt tun. Zusätzlich durchforsteten die Journalisten öffentliche Websites von Arbeitgebern, die ihre Büros in der Nähe haben. Dann nutzten sie einen fertigen Service für Gesichtserkennung von Amazon und glichen die Bilder von den Websites mit den Videoaufnahmen ab.

Sie erkannten 2750 Gesichter. Eines davon war das eines College Professors, den sie mit dem Gefundenen konfrontierten. So wirft das Projekt in extrem nachvollziehbarer Weise Fragen nach Privatsphäre und Überwachung auf. Denn: Nichts von dem, was das Projekt tat, war illegal. Das Ganze ist Teil des »Privacy Project« der New York Times, eine sehr spannende Serie zur Digitalisierung von Öffentlichkeit und Privatleben.

Warum ist der TGV doppelt so schnell wie der ICE?

TGV auf der Überholspur – aber nur in Frankreich. Screenshot: Tsp von Spiegel Online

Wenn man mit dem ICE von Stuttgart nach Paris fährt, dauert das nur gut drei Stunden. Der Grund, warum das so schnell geht, liegt aber nicht auf dem deutschen Teil der Strecke. Im Gegenteil. Während der Hochgeschwindigkeitszug in Frankreich meist über 250 km/h fährt, dümpelt er in Deutschland eher gemächlich vor sich hin. Warum ist das so?

Holger Dambeck von Spiegel Online hat sich dieser simplen Frage in einem Artikel voller Geschwindigkeitskurven und Grafiken ausführlich angenommen. Seine Antworten auf das Problem Deutsche Bummel-Bahn sind so genau wie spannend. Da geht es um zugelassene Höchstgeschwindigkeiten, das Problem des deutschen »Mischverkehrs« und verfehlte politische Entscheidungen. Eine Infrastruktur-Krimi, der auf der Strecke bleibt. Und das ist gut.

Ein Umwelt-Konglomerat

Parallel zu seiner neuen Naturdoku hat Netflix eine interaktive Webseite gestartet. Screenshot: Tsp von ourplanet.com.

Die wohlige Stimme des legendären britischen Tierfilmers David Attenboroughs erklingt und führt rührend durch Steppen, Tiefsee und zu den schmelzenden Gletschern der Arktis. Die neue Netflix-Naturdoku Unser Planet hält, was sie verspricht. Wie schon in den Tierdokus der BBC gelingt es dem alten Briten mit seinem royalen Akzent, Erfurcht vor der dramatischen Schönheit der Erde zu erregen.

Interessant ist aber ein anderer Aspekt der Großproduktion: Nicht nur ist die Doku eine Kooperation von Netflix und dem World Wildlife Fund (WWF). Sondern es wurde parallel zur Doku eine extrem aufwendige interaktive Webseite zum Film gestartet. Auf Ourplanet.com kann man einen dreidimensionalen Globus herumdrehen, auf dem beispielsweise die Einflüsse des Menschen auf die Natur visualisiert werden. Gleichzeitig dient die Weltkugel aber auch als Benutzeroberfläche, um zu weiteren Videos und Inhalten zu kommen, zum Beispiel: »Renaturierung von Tschernobyl«, inklusive wilder Wölfe, die dort wieder leben.

Das ganze Projekt schafft es also, auf sehr verschiedenen Medienkanälen gleichzeitig seine Inhalte zu platzieren. Die etwas unheimliche Frage, wie unabhängig eine solche Mischung von amerikanischem Großkonzern und Weltrettungsorganisation ist, bleibt trotzdem. Geht es hier um das Einsammeln von Spendengeldern oder die Aufklärung über den Klimawandel? Was hat Netflix davon? Oder sind solche neuen Allianzen vielleicht eine ganz neue Chance, wichtige Inhalte an alle möglichen Empfänger zu transportieren? Ein Besuch der Webseite lohnt sich auf jeden Fall.