Wer die AfD gewählt hat – und wer nicht
Berlin hat gewählt. Nach den auf vielfache Parteien zersplitterten Ergebnissen stellt sich aber die Frage: Welches Berlin hat da eigentlich gewählt? Analysiert man die Wahlergebnisse genauer und stellt sie in Zusammenhang mit demografischen Daten, ergibt sich das Bild einer zerklüfteten Stadt – und es zeigen sich ein paar drängende Probleme, die der neue Senat lösen muss, wenn das Ergebnis bei der nächsten Wahl nicht noch drastischer ausfallen soll. Hier eine Analyse der Daten:
Das junge Berlin hat die AfD nicht gewählt
Je mehr junge Wahlberechtigte es in einem Wahlbezirk gab, desto weniger Stimmen konnte die AfD dort holen. Gerade in den Innenstadtbezirken Mitte (Durchschnittsalter: 39 Jahre) und Friedrichshain-Kreuzberg (37,7) hat die AfD mit 9,9 und 6,4 Prozent der Zweitstimmen unterdurchschnittlich abgeschnitten. Das gilt auch für die Wahlbezirke. In Friedrichshain-Kreuzberg 5, in dem inzwischen 39 Prozent der Wahlberechtigten zwischen 25 und 34 Jahre alt sind, kommt die AfD nur auf 5,4 Prozent. Generell gilt die Tendenz: Je höher der Wähleranteil von Menschen zwischen 18 und 45 Jahren ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass die AfD schlecht abschneidet. Auch die CDU hatte in diesen Wahlbezirken schlechte Chancen. In Friedrichshain-Kreuzberg 5 schaffte auch sie gerade einmal 6,8 Prozent und landet damit nur knapp vor der Satirepartei Die Partei mit 5,6 Prozent. Auch die SPD hat es in den jüngeren Bezirken tendenziell schwerer, wenngleich der Zusammenhang bei der Wahl hier weit weniger stark war. Überragender Gewinner bei den Jungen waren hingegen Grüne und Linke. Die Grünen brachten es gleich in mehreren Wahlkreisen in Neukölln, Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg auf mehr als 30 Prozent der Wählerstimmen. Auch die Linke wurde überdurchschnittlich in jüngeren Bezirken gewählt.
Das alte Berlin
Von älteren Bewohnern profitierten neben der AfD sonst nur die Christdemokraten überdurchschnittlich. Im Wahlkreis Reinickendorf 6, wo mittlerweile 75,5 Prozent der Wahlberechtigten älter als 45 Jahre alt sind, schaffte die CDU es auf ihren Höchstwert von 33,4 Prozent Zweitstimmenanteil.
Armut und Bildung
Die CDU kann sich vor allem auf die Beamten verlassen. Nach einer Wahltagsbefragung von Infratest dimap für die ARD haben 26 Prozent von ihnen die Partei gewählt. Von der SPD hingegen haben sich vor allem die Arbeiter verabschiedet. Nur noch 17 Prozent gaben an, SPD zu wählen. 28 Prozent von ihnen wählten die AfD. Punkten konnte die SPD nur noch bei den Rentnern. Die Grünen sind derweil vor allem bei Angestellten und Selbstständigen beliebt. Die AfD ist neben den Arbeitern vor allem bei den Arbeitslosen populär. Nach der Umfrage kam sie bei ihnen auf satte 22 Prozent. Überdurchschnittlich gut ausgebildete Wähler wählten die AfD nur in 9 Prozent der Fälle. Sie profitierte vor allem von niedrig und mittelmäßig Gebildeten. Die hoch Gebildeten hingegen wählten überdurchschnittlich häufig die Grünen.
Frauen, Männer und Kinder
Auch einen großen Unterschied hat anscheinend der kleine Unterschied gemacht: Frauen wählten mehr SPD (24 zu 20 Prozent) als Männer und vor allem weniger AfD (11 zu 18 Prozent). Und junge Familien scheinen sich eher eine grünere Stadt zu wünschen. In den Teilen von Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln mit besonders hohem Anteil von Kindern unter sechs Jahren wurde überdurchschnittlich häufig Grün gewählt, gefolgt von den Linken. CDU und AfD hatten hier seltener eine Chance. Die einstige Familienpartei CDU scheint in Berlin zunehmend von Mitte-Links abgelöst zu werden.
Ängste vor den Anderen
Ein weiterer Blick auf die Wahlkreisergebnisse zeigt: Je höher der Ausländeranteil in einem Wahlbezirk, desto niedriger fiel im Schnitt der Stimmanteil für die AfD aus. So haben im Wahlkreis Mitte 6 gerade einmal 9,8 Prozent der Wahlberechtigten AfD gewählt, bei dem berlinweit höchsten Ausländeranteil von 40,2 Prozent (darunter 14,8 Prozent EU-Ausländer). In Neukölln 2, dem Wahlbezirk mit dem zweithöchsten Anteil an Ausländern (35,7 Prozent) kommt die AfD auf bedeutungslose 6,6 Prozent. Diejenigen, die in den von der AfD angeprangerten „Multi-Kulti-Bezirken“ leben, scheinen damit wenige Probleme zu haben. Die stärksten Ergebnisse hat die AfD in den Teilen der Stadt, in denen kaum Ausländer wohnen. 24,2 Prozent gab es in Treptow-Köpenick 5, einem Wahlkreis mit gerade einmal 4,9 Prozent Ausländeranteil; oder 29 Prozent in Marzahn-Hellersdorf 1, wo 8 Prozent ausländische Mitbürger wohnen.
Den Anti-Einwanderungs-Slogans der AfD scheinen also vor allem diejenigen Glauben zu schenken, die in ihrem Alltag nur selten Migranten begegnen. So gewinnt das Vorurteil mangels alltäglichem Zusammenlebens.