In den rot eingefärbten Regionen dürfen nach der geplanten Abstandregelung keine neuen Windräder gebaut werden. Die drei Karten zeigen unterschiedliche Weisen besiedelte Gebiete zu identifizieren. Screenshots von Spiegel Online

Datenspiegel #44: Wo noch Platz für Windräder bleibt

Der geplante Mindestabstand von 1000 Metern zu Siedlungen ist stark umstritten. Analysen zeigen: Viel Raum gibt es nicht mehr.

Überall auf der Welt versuchen Medien, mit Datenanalysen, Infografiken und Crossmedia-Geschichten, den Journalismus weiterzudenken. An dieser Stelle sammelt das Team des Tagesspiegel Innovation Lab seine Lieblingsgeschichten – jede Woche. Diese Woche mit Abstandsregeln für Windräder, Pendlern in Österreich und einer Geschichte der Frisuren im vergangenen Jahrhundert.

Raum für Rotoren

Einer der umstrittensten Punkte im Klimapaket der Bundesregierung ist die 1000-Meter-Abstandsregelung für Windräder. Diese Distanz sollen neue Anlagen von Siedlungen mit mindestens fünf Häusern in Zukunft einhalten müssen. Bei bestehenden Anlagen soll sie Bedingung für Modernisierungen sein.

Deutschland ist allerdings dicht besiedelt. So stellt sich die Frage, wo mit dieser Regel noch Platz für die Windkraft bleibt. Nachdem auf Twitter eine Karte mit wenigen weißen Flecken die Runde machte, hat sich Spiegel Online die Sache einmal genauer angesehen:

Da es keinen Datensatz gibt, aus dem alle Siedlungen ab fünf Häusern hervorgehen, müssen diese Standorte mit anderen Daten geschätzt werden. Die Autoren zeigen vier Versionen der Karte, die ein differenziertes Bild ergeben. Unterm Strich bleibt jedoch die Feststellung: die verfügbare Fläche für neue Anlagen wird mit dem Gesetz um bis zu 50 Prozent einbrechen. Das deckt sich mit Zahlen des Umweltbundesamtes und sogar mit einer Studie für Peter Altmaiers eigenem Wirtschaftministerium. Die neue Regel könnte nicht nur Gewinneinbußen in der Windkraftbranche zur Folge haben, sondern auch die Klimaziele der Bundesregierung gefährden.

Interessant am Gesetzesvorschlag: Die Bundesländer können ihn mit eigenen Vorschriften umgehen. Die Autoren des Artikels haben deshalb die bestehenden Regelungen in allen Ländern zusammengetragen: diese reichen von nur 400 Metern in Niedersachsen bis zur strengen „10H-Regel“ in Bayern. Dort gilt als Mindestabstand die zehnfache Höhe des Windrads. Dabei erreichen vor allem moderne Anlagen eine Höhe von bis zu 200 Metern.

Wie komme ich in die nächste Stadt?

Nur wenige Orte im Land sind mit öffentlichem Nahverkehr innerhalb von 30 Minuten erreichbar (grün). Screenshot: Tagesspiegel von Addendum

Wie groß die Herausforderungen der Verkehrswende sind, zeigt sich auch auf dem Land. Für Menschen, die außerhalb der Innenstädte leben, ist für die Wahl des Verkehrsmittels vor allem entscheidend, wie schnell sie in den nächsten Ort mit Arbeitsplätzen, Geschäften oder einem Krankenhaus kommen.

Das österreichische Magazin Addendum hat sich dieser Frage in einer umfangreichen Erreichbarkeitsstudie angenommen. Auf der Basis von Daten der Österreichischen Raumordnungskonferenz wurde untersucht, wie schnell man mit welchen Verkehrsmitteln das nächste regionale Zentrum erreicht. Das Ergebnis: In großen Teilen Österreichs schafft man es innerhalb von 30 Minuten nicht mit dem ÖPNV in die Innenstadt. Und in entlegeneren Regionen ist dies noch nicht einmal mit dem Auto möglich.

Dass diese Erreichbarkeit eine wichtige Rolle für die Verkehrswende spielt, geht ebenfalls aus den Daten hervor: Dort, wo die Reise mit dem ÖPNV nicht wesentlich länger dauert als mit dem Auto, gibt es auch weniger Autos pro Einwohner. Diese Möglichkeiten sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft: Fast überall ist man mit dem Auto noch schneller unterwegs als mit dem ÖPNV.

Wer weiterlesen will: Der Artikel ist Teil der Serie „Projekt Pendler“ mit weiteren interessanten Datengeschichten.

Haarige Geschichte

Jede Dekade hat ihre Frisuren. Screenshot: Tagesspiegel von The Pudding

Eine unterhaltsame Datenanalyse gibt es diese Woche von The Pudding: In „The Big Data of Big Hair“ wurden unzählige Fotos aus den Jahrbüchern US-amerikanischer High Schools ausgewertet, um zu verstehen, wie sich Frisuren im Laufe der Jahrzehnte verändert haben.

Beispielsweise galten ab den 1960er Jahren auch deutlich längere Haare als akzeptabel. Das zeigt sich am großen Anteil langer glatter Haare seit dieser Zeit. Der Trend knickte nur in den 80ern ein – als man den Schopf zur Dauerwelle formte. Kurzlebiger war eine andere Frisur: ebenfalls Mitte der 80er begann der Siegeszug des Vokuhilas, kaum zehn Jahre später waren die Matten am Hinterkopf aber schon wieder verschwunden.

Das Besondere an der Geschichte ist ihre Methodik: Zur Analyse wurden eine ganze Reihe moderner Methoden des Maschinellen Lernens verwendet, beispielsweise Neuronale Netzwerke. Und deren Potential für den Datenjournalismus ist mit dem Thema „Haare“ sicherlich noch nicht ausgeschöpft.

Was sonst noch spannend war

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😢 Traurig und schockierend ist eine Recherche von ProPublica zu einer grausamen Praxis an Schulen im US-Bundesstaat Illinois: Dort dürfen Schülerinnen und Schüler bei Fehlverhalten in speziellen Räumen eingesperrt werden, wo sie teils Stunden in Isolationshaft verbringen.

🗳️ In Großbritannien stehen bald Wahlen an. Der Guardian zeigt, wie die Parteien auf Social-Media-Plattformen um Wähler werben – und wie viel Geld sie dafür ausgeben.

🍻 Es ist schon viel über die Folgen von Uber geschrieben worden. Neuer Blickwinkel des Economist: „After Uber arrives, heavy drinking increases“ – Nach der Einführung von Uber in US-Städten steigt dort der Alkoholkonsum.

🏙️ Straßennamen enden mal auf „-straße“, mal auf „-weg“, manchmal ist es auch eine „Allee“ oder ein „Steg“. Eine Karte von Cédric Scherer zeigt, wie die Straßen Berlins heißen.

Wo sind die Alleen, wo die Chausseen? Screenshot: Tagesspiegel von @CedScherer auf Twitter