Die Macht der Maschinen. Die New York Times analysierte die Mechanismen von Fake-Profilen in Social Media. Screenshot: Tsp

Datenspiegel #1: Die zehn faszinierendsten Datengeschichten 2018

Welche interaktiven Geschichten haben 2018 besonders beeindruckt? Wo wurden auf ungewöhnliche Weise Daten ausgewertet? Ein persönlicher Jahresrückblick.

Mit den spektakulären Datenskandalen und der Diskussion über Datensteuern ist es 2018 wohl endgültig in der breiten Öffentlichkeit angekommen: Die Gesellschaft und die Datenökonomie sind nicht mehr trennbar. So ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass sich das, was früher als „Datenjournalismus“ und „Multimedia Storytelling“ in kleinen Nischen standfand, inzwischen in den großen Medienhäusern stabilisiert hat.

Immer professioneller aufgestellte Daten- und Interaktiv-Teams weltweit haben 2018 eine ganze Flut spannender Geschichten aus Daten herausgeholt. Daneben gibt es immer konsequentere Bemühungen, die Möglichkeiten der Online-Stoytellings zu nutzen – weg von reinen Texten mit Bild- und Grafikeinschüben, hin zu immer geschickter verwobenen interaktiven Anwendungen. Bei all der guten Arbeit, die da inzwischen international geleistet wird, ist es gar nicht so einfach, den Überblick zu behalten. Was waren die Highlights, die man unbedingt gesehen haben muss? Hier eine Zusammenstelllung meiner persönlichen Favoriten.

The Follower Factory

So anschaulich und verständlich wie bisher niemand dröselte die New York Times die Debatte um Fake Accounts und Bots auf. Dank praktischer Beispiele gelingt es den Autoren, ein abstraktes Problem, von dem jeder irgendwie mal gehört hatte, konkret werden zu lassen. Wichtig an der Menge der gesammelten Daten ist, dass sie belegen, wie gravierend das Problem ist.

Straßenbilder

Vor über 120 Jahren bestand Berlin noch aus einzelnen Dörfern. Screenshot:Tsp

Es gibt kaum Schilder, hinter denen so viel Symbolik und Geschichte steckt wie hinter Straßennamen. In vorbildlichem Design erzählt Zeit Online, was deutsche Straßennamen bedeuten. Gut ist: Der Leser bekommt nicht nur die Datenbank, um seine eigene Straße nachzuschauen, sondern wird anhand von Beispielen aus der Analyse durch das ganze Land geführt. Ebenfalls spannend: Dank der veröffentlichten Datenbank konnten Leser eigene Analysen starten und so neue Zusammenhänge entdecken.

Persönliches Highlight: Die interaktive Karte zum Alter der Berliner Straßennamen. Man erkennt sehr gut, wie sich Berlin über die Jahre entwickelt.

Deutschlands Mietmarkt ist kaputt

Umso niedriger das Einkommen, umso stärker die Belastung durch Miete. Screenshot:Tsp

Miete und Wohnen war eines der dominierenden Themen 2018 und wird es wohl auch im neuen Jahr bleiben. Umso wichtiger ist die aufwendige Datensammlung und -auswertung der Süddeutschen Zeitung: Meine Miete. Dabei gelingt es dem Team, komplizierte Analysen einfach, aber nicht banalisiert darzustellen. Die ausklappbaren Mietergeschichten ergänzen die Datenschlacht um das menschliche Element. Kleines Manko: Die Auswertungen kommen sehr wissenschaftlich daher. Leser, die sich Statistik weniger verbunden fühlen steigen wohl aus, auch wenn es verständlich ist, wenn man sich überwindet, genau hinzuschauen.

Pockets

"Irgendjemand sagte einmal, Frauen sollten keine Hosentaschen haben". Screenshot:Tsp

Es müssen einfach mehr Alltagsfragen in Datengeschichten beantwortet werden! The Pudding zeigt, dass es inzwischen fast zu allem Daten gibt – wenn man nur danach sucht. Hat man sie dann, können sie Dinge beweisen, dass wir alle lange nur geahnt haben. So wie in Pockets. Hosentaschen von Frauenjeans sind einfach zu klein: Viele praktische Dinge des Alltags kann sich die weibliche Hälfte der Menschheit schlicht nicht in die Hosentasche stecken. Gleichzeitig geben die Autoren uns (Frauen) die ultimative Entscheidungshilfe an die Hand, welches Handy/Jeans wir in Zukunft kaufen sollten, um doch ohne Handtasche aus dem Haus gehen zu können.

20 Jahre, 20 Titel

Der Schweizer Tennisspieler führte die Tennis-Weltrangliste bisher am längsten an. Screenshot:Tsp

Das SRF-Team hat in 20 Jahre, 20 Titel die Karriere des Tennis-Spielers Roger Federer analysiert. Auf geradezu fesselnde Weise wird hier etwas so Trockenes wie Spielstatistiken auf dem Tennisplatz jedermann verständlich aufbereitet.

Planet or Plastic

Plastikmüll am Strand: vor allem in asiatischen Ländern kein seltenes Bild. Screenshot:Tsp

National Geographic widmet sich mit dem Langzeit-Projekt Planet or Plastic dem wichtigen Thema Umweltverschmutzung. Es gibt zahlreiche Features und Datenanalysen kombiniert mit atemberaubend traurigen Vollbild-Videos. Besonders schön sind die Storys wegen ihrer Kartendarstellungen. Und hinter dem ganzen Projekt steht die so einfache wie dramatische Frage: What happens to the plastic we throw out.

Das gespaltene Parlament

Insgsamt vier Plätze der Top 10 der Zurufer im Bundestag gehen an die AfD. Screenshot:Tsp

Politik in Daten zu fassen ist – außer bei Wahlen – nicht immer ganz leicht. Mit ihrer Analyse der Bundestagsprotokolle gelingt es dem Team von der Süddeutschen genau das zu tun. In den Sozialen Netzwerken, vor allem auf Twitter, fand dies besonders viel Beachtung. Unterhaltsam ist das Quiz, welche Zwischenrufe es im Bundestag gab.

Why are more Americans than ever dying from drug overdoses

Besonders im Osten des Landes gibt es viele Drogentote. Screenshot:Tsp

Der Guardian greift eines der Dauerthemen der vergangenen Jahre in den USA auf und begibt sich auf Spurensuche. In Why are more Americans than ever dying from drug overdoses analysieren die Autoren die explodierende Zahl der Drogentoten in den USA, differenzieren und vergleichen mit anderen Ländern. Ein schönes Beispiel für eine Data Stories im Wissenschaftsjournalismus, die nicht zu sehr vereinfacht, sondern Komplexität herunterbricht und erklärt.

Einsteigen, bitte!

Deutschland, das Land der Pendler: Millionen Menschen fahren täglich weite Strecken ihrem Arbeitsort. Screenshot:Tsp

Es ist ein Teil des Spiegel-Online-Specials zur Pendler-Republik Deutschland. In Einsteigen, bitte! beantworten die Autoren Fragen zu und von Pendlern in einem personalisierten Artikel mit eigens auf den Wohnort der Leser abgestimmten Grafiken. Wer seine Daten nicht angeben will, kann sich einfach überraschen lassen und bekommt zufällige Städte angezeigt. Am Schluß steht die Erkenntnis: Mobilität ist für viele Deutsche ein ebenso fundamentales Thema geworden wie Wohnen und die zugehörigen Immobilien.

So stark trifft der Klimawandel Ihren Ort

Vor allem im Osten Europas wird es immer wärmer. Screenshot:Tsp

Erst kalt, dann viel zu heiß und am Ende trocken: Über Wetterextreme gab es 2018 viel zu berichten. Umso spannender sind die datenjournalistischen Projekte zum Klimawandel, die mit dem Phänomen alle sehr unterschiedlich umgehen: Spiegel Online hat im Rahmen der Artikelserie “Europa: ein Grad wärmer” unter anderem auch eine interaktive Karte veröffentlicht, die die Auswirkungen des Klimawandels in mehr als 500 Gebieten in ganz Europa zeigt. Für So stark trifft der Klimawandel Ihren Ort hat das Team gemeinsam mit anderen europäischen Journalisten Daten von über 100 Jahren Wetteraufzeichnungen ausgewertet. Auch die anderen Veröffentlichungen der Serie lohnen sich.