Der schwere Sprung aufs nächste Level
Stars, Skandale und spektakuläre Kleider sind die entscheidenden Elemente gelungener Preisverleihungen. Davon hatte der Deutsche Computerspielpreis genug zu bieten, die Gala in Berlin war der Höhepunkt der Games Week mit insgesamt 15.000 Besuchern.
Als Staatssekretärin Dorothee Bär über den roten Teppich schritt, hielt manch ein Besucher die Politikerin für eine der vielen sogenannten Cosplayer, die sich mit ihren Kostümen in die Helden aus beliebten Spielen verwandeln. LED-Lichter blinkten an Bärs schwarzem Kleid, das an den Schultern mit langen Stacheln gespickt war. Geschneidert hat die Kreation das Berliner Start-up Elektrocouture.
Skandal beim Computerspielpreis
Für den Promifaktor sorgten zum einen Fernsehstars wie Komiker Kurt Krömer oder Musiker Mark Forster, zum anderen Szenehelden wie Youtuber LeFloid oder Gronkh, bei denen selbst Moderatorin Barbara Schöneberger um ein Selfie bat, um die Zahl ihrer Instagram-Follower zu hochzutreiben.
Für einen Skandal sorgte dann der Spieleentwickler Mimimi Productions. Deren Titel „Shadow Tactics: Blades of the Shogun“ war gleich in zwei Kategorien nominiert, unter anderem als bestes deutsches Spiel. Doch die mit 40.000 Euro dotierte Auszeichnung für das beste Gamedesign lehnten die Münchner auf der Bühne ab. „Wir können heute keine Preise annehmen“, sagte Entwickler Dominik Abé ohne weitere Begründung.
Hintergrund ist offenbar ein interner Streit der Veranstalter. Den Preis vergeben neben dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur der Game Bundesverband sowie der Bundesverband Interaktiver Unterhaltungssoftware (BIU). Game kritisiert, dass in drei Kategorien durch Fehler in der Auszählung der Stimmenabgaben falsche Mehrheiten ermittelt worden seien.
Stimmen bei der Auszählung verschwunden
Während der Sitzung der Hauptjury hätten bei der Auszählung Stimmen gefehlt, teilte der Verband, in dem auch Mimimi Productions Mitglied ist, am Freitag mit. „Da keine Enthaltungen oder Abwesenheiten gezählt wurden, konnte deren Verbleib nicht festgestellt werden.“ Angesichts der jeweils knappen und somit entscheidenden Mehrheiten sei dies in drei Kategorien relevant gewesen.
Der Streit kommt zur Unzeit, denn die deutschen Entwickler haben ohnehin Probleme. „Es war ein schwieriges Jahr für die Spielebranche in Deutschland“, sagt Felix Falk, Geschäftsführer des BIU. „Der Konkurrenzdruck hat international enorm zugenommen.“ Das hat zur Folge, dass zwar immer mehr gespielt und entsprechend verdient wird, doch deutsche Unternehmen profitieren davon immer seltener. 2,9 Milliarden Euro wurden im Vorjahr mit Spielen in Deutschland umgesetzt, doch der Anteil deutscher Entwicklungen daran ist auf nur noch sechs Prozent gesunken.
Die Folge sind Entlassungen: Die Anzahl der Beschäftigten in der deutschen Spielebranche ist in den vergangenen zwölf Monaten um 13 Prozent gesunken. Besonders hart hat es Goodgame getroffen, vor drei Jahren mit einem Umsatz von mehr als 200 Millionen noch die größte deutsche Spielefirma. Doch die Hamburger verspekulierten sich mit neuen Titeln und so kam es 2016 zu Massenentlassungen: Von 1200 Mitarbeitern sind nur noch 350 geblieben.
Wooga-Chef: „Ich habe Fehler gemacht“
Auch das Berliner Vorzeigeunternehmen Wooga hat es erwischt. Nachdem Unternehmenschef Jens Begemann lange Jahre mit dem Besetzen von Stellen kaum hinterherkam, musste er 2016 ebenfalls erstmals Kündigungen aussprechen. Die Zahl der Mitarbeiter ist von 300 auf 250 gesunken. Das Experiment, Spiele für die Apple Watch zu entwickeln, wurde erst einmal auf Eis gelegt. Der Markt dafür ist zu klein.
„Ich habe auch selbst einige Fehler gemacht“, räumt Begemann an. Wooga habe sich zwei Jahre lang verzettelt und versucht, den Erfolg mit einfachen Gelegenheitsspielen für das Handy auf andereGenres wie Strategiespiele zu übertragen. Teilweise war die Hälfte der Entwickler damit beschäftigt, doch der Großteil der Ideen kam nie auf den Markt. Eine Ausnahme ist das Spiel „Warlords“, doch da sich Wooga wieder auf seine Kernkompetenzen konzentriert, hat Begemann die Rechte an dem Spiel kürzlich an Innogames verkauft.
Die Hamburger sind die Ausnahme im derzeitigen Abwärtstrend. Wie auch Goodgames oder Bigpoint ist Innogames mit Browsergames groß geworden, die man kostenlos im Internet spielen kann. Geld verdient das Unternehmen durch virtuelle Gegenstände oder kostenpflichtige Zusatzfunktionen, mit denen sich die Spieler Vorteile verschaffen können.
Innogames wird zum größten Arbeitgeber
Die größte Herausforderung war die Umstellung der Spiele auf Smartphones und Tablets. Neue Spiele werden inzwischen nur noch für die mobilen Geräte entwickelt. „Auch beim Umsatz wird der Anteil aus den mobilen Spielen bald größer sein“, sagt Innogames-Chef Hendrik Klindworth. Insgesamt lagen die Einnahmen 2016 bei 130 Millionen Euro und sollen in diesem Jahr auf mehr als 150 Millionen steigen. Und gegen den Trend wächst Innogames auch bei den Mitarbeitern: Die Zahl der Stellen soll von 400 auf 450 steigen. Damit würde Innogames neben Bigpoint zum größten Arbeitgeber der Branche aufsteigen. Doch Klindworth hat aus den Fehlern mancher Wettbewerber gelernt. „Wir versuchen, auch in Phasen, wo es gut läuft, nicht zu übertreiben“, sagt der Firmengründer.
Doch auch in Berlin gibt es positive Signale. So kündigte Ubisoft, einer der weltweit größten Spieleentwickler, die Eröffnung eines neuen Spielestudios in der Hauptstadt an. Dabei ist der Wettbewerb um die Spieleentwickler enorm. Die Verbände klagen seit Langem, dass andere Länder von Frankreich bis Kanada mit Subventionen eigene Firmen unterstützen und Unternehmen aus dem Ausland locken. „Der internationale Wettbewerb wird heute auch mit steuerlicher Förderung ausgetragen“, sagt auch der Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning. Deutschland brauche daher neue Fördermechanismen für audiovisuelle Inhalte.
Computerspiele sind Pionier für Innovationen
CSU-Politikerin Bär fordert ebenfalls eine stärkere Förderung der Branche. Zumal sie inzwischen ein enormer Wirtschaftsfaktor ist. „Die Computerspielindustrie beschert uns inzwischen mehr Steuereinnahmen als Film und Musik zusammen“, sagt Bär. Bei Verkehrs- und Digital-Minister Alexander Dobrindt findet sie damit Gehör. „Computerspiele sind ein Treiber für innovative Technologien“, hat Dobrindt erkannt. Denn von der Gestensteuerung über Augmented Reality bis hin zu Künstlicher Intelligenz – die Branche ist ein Pionier beim Einsatz zahlreicher Schlüsseltechnologien.
Dass der Film trotzdem viel stärker gefördert wird, liegt laut Bär auch daran, dass Schauspieler mehr Glamour bringen. Wie die meisten Politiker Spiele sehen, zeigte jedoch ein kleiner Wortwechsel zwischen Dobrindt und Innenminister Thomas de Maizière bei der Vorstellung des Berichts der Bundesregierung zur Digitalen Agenda. Dabei kam auch die Förderfrage auf. „Die Gamesbranche so bedeutsam wie die Filmbranche“, sagte Dobrindt. „Nicht jedes Ballerspiel ist förderfähig“, grätschte de Maizière dazwischen. „Genau deswegen hat das Verkehrsministerium auch die Verantwortung über den Computerspielpreis übernommen“, entgegnete Dobrindt. Zuvor war er beim Innenminister angesiedelt gewesen. Der erwiderte: „Ich habe mich auch nicht drum gerissen.“