Sterben müssen alle. Online werden Bestattungen oft billiger angeboten. Foto: Doris Spiekermann-Klaas

Der Tod im Netz

Die digitale Revolution macht auch nicht vor dem Tod halt. Das Berliner Startup Mymoria bietet Komplettbeisetzungen per Mausklick.

Das Leben ist digital. Für die meisten Menschen gehören Smartphone und Internet mittlerweile zum Alltag. Rund 80 Prozent der Erwachsenen in Deutschland sind bereits regelmäßig online. „Das Internet war lange allein mit dem aktiven Leben verbunden“, sagt Oliver Wirthmann vom Kuratorium Deutscher Bestattungskultur. Doch die digitale Revolution macht vor nichts Halt – auch nicht vor dem Tod. Was bislang stationären Bestattungsinstituten vorbehalten war, findet jetzt auch im Internet statt. Das Berliner Startup Mymoria zum Beispiel mischt seit diesem Juni auf dem Beerdigungsmarkt im Netz mit. Auf der Plattform können Hinterbliebene eine komplette Bestattung planen und umsetzen – und das oft günstiger als bei den analogen Anbietern.

Auf der Plattform von Mymoria müssen Kunden sich zunächst für eine bestimmte Bestattungsart entscheiden. Anschließend können die Hinterbliebenen in ihrer gewählten Kategorie zwischen vier verschiedenen Dienstleistungs- und Produktpaketen von einfach bis luxuriös wählen. Bei der kostengünstigsten Variante „Unbegleiteter Abschied“ in der Kategorie Erdbestattung (Preis: 800 bis 1400 Euro) etwa wird der Verstorbene ohne Zeremonie beigesetzt. Der „Große Abschied“ lässt praktisch keine Wünsche offen: Das Paket enthält neben der Planung und Durchführung der Trauerfeier auch die Verwaltung der digitalen Hinterlassenschaften des Verstorbenen. Für diesen Service werden zwischen 3000 und 7000 Euro fällig.

Wilde Eleganz für 1400 Euro

Einige Dienstleistungen wie die Überführung des Toten vom Sterbeort zum Friedhof oder das Waschen und Ankleiden des Leichnams sind standardmäßig in allen Bestattungspaketen des Startups enthalten. Auch um Formalitäten wie die Sterbefallanzeige beim Standes-, Friedhofs- oder Pfarramt sowie die Ausfertigung von Sterbeurkunden brauchen sich Angehörige bei Mymoria ebenso wenig zu kümmern wie um die Abmeldung des Verstorbenen bei der Krankenkasse.

Auch Sarg oder Urne kann man auf der Webseite des Startups bestellen: Vom schlichten Kiefernsarg „Wilde Eleganz“ für knapp 1400 Euro bis zum weißen Hochglanzsarg „Florenz“ (rund 4130 Euro) und diversen Urnen hat das Unternehmen ein mehrere hundert Produkte umfassendes Sortiment. „Wir können online eine größere Auswahl anbieten, als es ein stationäres Bestattungshaus mit seiner begrenzten Fläche kann“, sagt Mymoria-Sprecher Christian Soult. Grabsteine kann man bei der Firma dagegen nicht kaufen. Das Unternehmen vermittelt gegen Aufpreis aber den Kontakt zu Steinmetzen.

Das Private nicht verlassen

Björn Krämer ist Mitbegründer und Geschäftsführer des Unternehmens, das er als „digitales Bestattungshaus“ bezeichnet. Den Begriff „Online-Bestatter“ dagegen lehnt er ab. „Wir bieten ja die gleichen Leistungen an wie die klassischen Bestattungsinstitute“, sagt Krämer. „Nur eben digital.“ Für den Firmengründer liegen die Vorteile der von Mymoria angebotenen Leistungen vor allem darin, dass Kunden ihre private Sphäre bei einem Trauerfall nicht verlassen müssen, sondern anfallende Erledigungen bequem von zu Hause aus abwickeln können. „Wir passen uns dem gesellschaftlichen Wandel an“, sagt Geschäftsführer Krämer. Viele Familien lebten heutzutage nicht mehr zwangsläufig nah beieinander – was gerade bei einem Trauerfall einen großen logistischen Aufwand nach sich ziehen könne. Beisetzungen über das Internet zu planen, ermögliche den Beteiligten eine größere Flexibilität.

Da neben der persönlichen Beratung auch die Bestattungskosten stets ein heikles Thema für das Gewerbe sind, wirbt Krämer mit Preistransparenz und distanziert sich von den zahlreichen Billigbestattern im Netz. „Trotz großer Auswahl und Bandbreite bieten wir keine Discount-Bestattungen an“, sagt Krämer.

Profit aus Pietätsgründen

Aber auch noch aus einem anderem Grund kann es sich lohnen, eine Beerdigung online zu organisieren: Viele Menschen scheuen aus Pietätsgründen, bei einem Trauerfall Angebote und Kosten bei verschiedenen Bestattern zu vergleichen. „Durch einen Vergleich im Netz lassen sich Schwellenängste abbauen“, sagt Sabine Landes vom Infoportal digital-danach.de. Onlineanbieter im Bestattungswesen lieferten dem Kunden daher durchaus einen Mehrwert.

Allerdings ist auch meistens der Service im Netz nicht ausschließlich digital, wie sich etwa beim Thema Trauerbegleitung bei Mymoria zeigt. Wer Gesprächsbedarf hat und zusätzliche Beratung wünscht, kann sich an sieben Tage in der Woche rund um die Uhr bei der Hotline des Unternehmens melden. Thomas Weidenmüller, Bestattungsberater beim Berliner Bestattungsinstitut Grieneisen, findet solche Online-Angebote zwar interessant, sieht sie aber nur als Ergänzung zum klassischen Bestattungsdienstleister: „Eine individuelle Beratung Auge in Auge mit den Hinterbliebenen bleibt unverzichtbar“, sagt er. Nur im persönlichen Gespräch könne man Angehörigen die Aufmerksamkeit schenken, die im Trauerfall besonders vonnöten sei.

Wirthmann verweist dabei auf eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap im Auftrag des Deutschen Bestatterverbandes. Ihr zufolge halten 70 Prozent der Befragten die persönliche Beratung bei einem Trauerfall für eines der wichtigsten Kriterien für eine angemessene Bestattung. Genau das könnten Online-Portale aber nicht bieten, kritisiert Wirthmann. Mymoria-Gründer Krämer hält dagegen. „Sollte jemandem der telefonische Kontakt nicht ausreichen, machen unsere Bestatter auch Hausbesuche vor Ort“, sagt er.