»Es sind weniger die Arschlöcher, die einen belästigen.« Franziska Zeiner ist Game-Designerin. Foto: Alik Barsoumian/privat

»Frauen mit Charakter gibt es in Spielen selten«

Die Games-Branche ist nach wie vor Männerdomäne – zum Nachteil vieler Entwicklerinnen. Game-Designerin Franziska Zeiner spricht im Interview über Sexismus, nackte Alien-Jägerinnen und überforderte Dozenten.

Frau Zeiner, wie sexistisch ist die Games-Szene?

Eines der großen Probleme ist, wie Frauen in Spielen dargestellt werden: Sie erscheinen oft als überzeichnete Randfiguren in knappen Höschen ohne Charakterentwicklung. Ist es notwendig, halb nackt durch digitale Spielwelten zu laufen, um Aliens abzuballern? Nein. Es gibt viel zu selten Frauen in Hauptrollen, deren Körper nicht im Fokus liegen.

Warum werden Frauen in Computerspielen so verzerrt dargestellt?

Wenn Game-Designer Spiele entwickeln, orientieren sie sich an dem, was sie kennen. Es ist ganz natürlich, dass jeder versucht Computercharaktere zu programmieren, die so sind wie man selbst. Auch ich möchte, dass jeder Charakter eine Frau ist, weil ich will, dass sie so ist wie ich. Doch die Branche ist relativ jung und männerdominiert.

Männer programmieren keine guten Frauencharaktere?

Wenn eine Gruppe Kerle dasitzt, dann muss erst einmal jemand darauf kommen, dass die Hauptfigur eines Spiels auch eine Frau sein könnte. Vielleicht sogar eine Frau mit Charakter. Deswegen ist es gut, wenn man in gemischten Gruppen arbeitet. Männer, Frauen, verschiedene Altersgruppen, aus unterschiedlichen Ländern. Dann kommen buntere Ideen auf. Ein Freund aus New York erzählte mir, dass er gerne mit zwei anderen Freunden ein Spiel entwickeln wollte. Er hat es dann nicht gemacht, weil er kein Team ausschließlich aus drei weißen Männern bilden wollte. Das kam für ihn nicht infrage.

Spiele-Entwicklerinnen machen diese Diskriminierung immer wieder unter dem Hashtag #GamerGate zum Thema. Das finden nicht alle gut.

Ja, 2014 kochte die Diskussion auf Twitter und den Debattenportalen 4chan und Reddit hoch, aber das war nur die Eskalation des Problems. Seit 2012 diskutiert die Szene über das Recht der Frauen, Teil der Gamer-Szene zu sein. Viele Spieler fühlten sich angegriffen, weil Frauen auf einmal ihre Meinung sagten. Sie haben das Gefühl, dass sie nicht mehr wertgeschätzt werden. Entwicklerinnen wurden sogar mit Bomben- und Morddrohungen terrorisiert.

Woher kommt der Hass?

Schauen wir uns die Realität an. Die klassischen Spieler sind nicht mehr die Hauptzielgruppe der meisten Spieleentwickler. Sie sind zu einer Nische geworden. Heute kann jeder spielen: Meine Oma spielt, meine Mutter spielt, ich spiele. Die Exklusivität ist weg.

Und das stört männliche Spieler?

Die Spieler des alten Typs sind nicht mehr unter ihresgleichen. Auch die Hausfrau, die nun Candy Crush spielt, gilt als Gamer. Dadurch fühlen sich die „alten“ Spieler angegriffen. Ihre Kultur ist bedroht. Das kam alles in der Gamergate-Debatte wieder hoch. Seitdem hat sich etwas verändert. Das Thema ist eskaliert. Leider ziemlich schrecklich. Aber zumindest wird seitdem darüber gesprochen. Wir können nicht mehr so tun, als wäre es kein Problem.

Wird mehr getan als geredet?

Natürlich nicht. Es wird ja immer erst viel geredet. Aber wir haben angefangen, es ernst zu nehmen. Das ist schon einmal etwas. Es gibt nun erste Codes of Conduct, die den Umgang miteinander regeln. Bei Wooga haben wir vor einem Jahr Verhaltensregeln eingeführt. Was geht, was geht nicht? Wer dagegen verstößt, muss mit Konsequenzen rechnen.

Gibt es dafür Vorbilder?

Die USA sind der Vorreiter. Der Sexismus wurde dort das erste Mal angesprochen. Die meisten Frauen, die öffentlich attackiert wurden, sind Amerikanerinnen. Hinzu kommt, dass Diversität in den USA ein viel größeres Thema ist. Amerika hat sensibler auf den Sexismus reagiert. Das homogenere Deutschland übernimmt nun die Lösungsansätze der Diskussion.

Haben Sie persönlich Erfahrungen mit Sexismus?

Ja.

Welche?

An der Universität gab es beispielsweise einmal jemanden, der in einem Projekt nicht mit mir zusammenarbeiten wollte, weil er wegen seiner Weltanschauung nicht mit einer Frau in einem Raum sein wollte. Da habe ich mich hilflos gefühlt. Es ist keine Belästigung. Aber dir wird eine Schranke aufgewiesen, weil du eine Frau bist.

Gab es Unterstützung vonseiten der Uni?

Das Thema war neu, meine Lehrer waren überfordert. Ich wollte kein Opfer sein, aber die Situation auch nicht eskalieren lassen. Hätte das das Problem gelöst? Überhaupt nicht.

Wie läuft es im Berufsalltag?

Auch hier habe ich einige Vorfälle erlebt: Es gab auf Partys die Hand am Hintern. Es gab Leute, die am Arbeitsplatz aufdringlich mit mir geflirtet haben. Viel problematischer ist aber der unterbewusste Sexismus. Es sind weniger die Arschlöcher, die einen belästigen. Es ist vielmehr, dass du als Frau anders behandelt wirst. Verhaltensregeln und vor allem durchmischte Teams sind vielleicht ein Anfang, um das zu ändern.