Rundum-Blick. Die Aufnahmen mit der App »Splash« können hinterher mit der 3D-Brille angesehen werden. Foto: Screenshot/Splash-Webseite

Vom Theater in die virtuelle Realität

Eine neue App aus Berlin erlaubt es, 360-Grad-Videos mit dem Smartphone aufzunehmen. Ein Besuch bei dem Gründer von »Splash« Michael Ronen.

Michael Ronen schläft gerade wenig und schuld daran ist nicht seine fünf Monate alte Tochter. Es liegt auch an seiner neuesten Geschäftsidee: eine App namens Splash, mit der man ein 360- Grad-Video machen und direkt auf Facebook oder Youtube teilen kann. Die App nimmt mehrere kurze Filme von einem Ort auf und fügt sie zu einer Rundaufnahme zusammen. Wenn man sich das Video mit einer speziellen Brille ansieht, kommt es einem vor, als ob man an dem Ort steht. Es ist keine statische Panoramaaufnahme, sondern überall bewegt sich etwas, egal in welche Richtung man blickt.

Vor einem Jahr gründete der 33-Jährige das Unternehmen Viorama und entwickelte Splash mit seinen Kollegen Stefan Marx und Maximilian Schneider. Seitdem verbringt das Trio einen Großteil seiner Zeit im Büro. „Wir setzen alles daran, um die App zu verbessern und bekannt zu machen.“ Splash wurde beim amerikanischen Digitalfestival South by Southwest (SXSW) Mitte März herausgebracht. Der Einsatz lohnte sich. Auf dem Festival ergatterte das Start-up als einziges deutsches Unternehmen einen der renommierten Gründerpreise. „Damit haben wir nicht gerechnet“, sagt Ronen.

Bei Fremden Gefühle wecken

Der gebürtige Israeli stammt aus einer jüdischen Theaterfamilie. Vor acht Jahren kam er nach Deutschland, um hier als Regisseur und Schauspieler im Ballhaus Naunynstraße und Maxim-Gorki-Theater zu arbeiten. „Als Regisseur versuchte ich, Geschichten für die Zuschauer erlebbar zu machen“, sagt er. Er fragte sich: Wie kann man die Welt aus anderen Augen sehen? Wie bei Fremden Gefühle wecken? Die Antwort fand er, als er die beiden Programmierer Schneider und Marx traf: mit virtueller Realität. Die Männer stellten Kameras im Theatersaal auf, nahmen eine Vorstellung auf und schnitten das Material zu einem 360-Grad-Video. „Das Ergebnis gefiel uns nicht“, erinnert sich Ronen. Zu aufwendig sei der Dreh gewesen, zu teuer die Ausstattung und zu einseitig die Perspektive, die der Betrachter später einnehmen kann.

So sind sie auf das Handy gekommen. Denn das besteht aus einem Computer und einer Kamera, also aus allem, was für eine solche Rundumaufnahme nötig ist. Um sie anzusehen, braucht man eine einfache Brille aus Karton, in die man das Smartphone steckt: ein Google Cardboard, das es für drei Euro gibt. „Es ist virtuelle Realität für jedermann“, sagt Ronen. Vergangenen Herbst legten die drei mit der App-Produktion los. Nach nur zwei Wochen hatten sie den ersten Prototyp programmiert und ein neues, großes Ziel: „Wir wollen Snapchat für virtuelle Realität werden.“ Finanziert wurden sie in der Zeit vom Förderprogramm EuropeanPioneers mit 175 000 Euro.

Auf der Jagd nach der kritischen Masse

Drei Mal flog Ronen in die USA, um Investoren zu finden. Mehrere Millionen habe er an Risikokapital aus den USA, Asien und Europa eingesammelt, erzählt er – wie viel genau, will er nicht verraten. Aber: „Die Finanzierung steht für mindestens zwei Jahre.“ Und das Team soll wachsen: Neun Mitarbeiter gibt es schon, 15 weitere sollen dazukommen, vor allem Programmierer.

Ronen sitzt in seinem Büro am Palais am Festungsgraben, ganz in der Nähe seiner alten Arbeitsstätte, dem Maxim-GorkiTheater, und tippt hektisch in die Tastatur. Der Raum ist spärlich eingerichtet, in der Mitte sind zwei Schreibtische zusammengerückt und an der Wand lehnen fünf rot leuchtende Großbuchstaben: LUCKY. Auf dem Tisch steht der Gründerpreis, ein Denkmal aus Glas, dem Ronen einen Großteil dieser Aufmerksamkeit verdankt.

Es sind vor allem Tech-Experten aus den USA, die sich melden, und Ronen scheint mit allen ins Geschäft kommen zu wollen. Am Telefon spricht er englisch, laut und klar, als ob er auf einer Bühne stünde. Selbstsicher erzählt er von den Vorteilen, die Splash böte, der Einmaligkeit der App, welches Potenzial sie habe: Marketingsprech. Es gilt, Meinungsführer von ihr zu überzeugen. „Splash muss eine kritische Menge an Nutzern erreichen, um bekannt zu werden – und zwar schneller und besser als die Konkurrenz“, sagt Ronen. Sonst wäre all die Arbeit womöglich umsonst gewesen, das Geld wäre weg.

Aufstehen, weitermachen

Wie sich das anfühlt, weiß Ronen. Vor drei Jahren hat er bereits eine App entwickelt. Sie hieß Capsuling.me und ermöglichte Menschen eine Art virtuelle Schnitzeljagd. Doch sie setzte sich nicht durch. „Das war eine schwere Zeit“, sagt er heute. Mit Splash soll es anders werden.

Ein paar Nutzer haben Splash im App Store bereits bewertet. Die meisten kritisieren, dass die App öfters abstürze oder Videos sich überlagerten. Ronen kennt die Probleme: „An der Technik feilen wir noch.“ Es solle einfacher werden, Videos zu drehen und sie mit anderen zu teilen, verspricht er.

Und wenn das alles nicht gelingt? „Dann mache ich das, was man als Gründer nach einer Niederlage tun sollte“, sagt Ronen. Aufstehen und weitermachen.