Das digitale Laborbuch
Nicht selten wird die Wissenschaft mit einem Elfenbeinturm verglichen. Der Berliner Unternehmer Simon Bungers findet, dass das Bild zumindest teilweise zutrifft – besonders, wenn es um die Digitalisierung geht. Der 37-Jährige ist Doktor der Molekularbiologie und hat vor allem am Anfang seiner wissenschaftlichen Laufbahn hunderte Stunden im Labor verbracht. Wissenschaftler seines Fachs untersuchen beispielsweise mithilfe von Experimenten, ob und in welcher Form Zellen oder Bakterien elektrochemische Signale an den menschlichen Mechanismus senden. Mit dem Abschluss der Versuche fängt für die Forscher die Arbeit allerdings erst richtig an: Damit Methodik und Ergebnisse der Experimente auch von Kollegen und Dritten nachvollzogen werden können, müssen Wissenschaftler ihre Arbeit akribisch dokumentieren.
Langsame Labore
Bislang mussten Forscher in Deutschland jeden noch so kleinen Datensatz etwa in Tabellen auf ihren Computern, Tablets, in Notizbüchern oder auf medizinischen Mess- und Diagnosegeräten festhalten, die sodann in eine schnöde Papierkladde eingefügt werden mussten – das Laborbuch. Eine mühselige Beschäftigung, die nicht selten mehrere Stunden in Anspruch nahm, erinnert sich Bungers. „Diese Langsamkeit hat mich schon als Doktorand zutiefst frustriert“, sagt er.
Wahrscheinlich wäre der Molekularbiologe Wissenschaftler geblieben, wenn es im Labor etwas schneller vorangegangen wäre. Das Behäbige ging dem Forscher dermaßen auf die Nerven, dass er anfing, sich Gedanken zu machen, wie sich wissenschaftliche Dokumentationen beschleunigen lassen. Zusammen mit einem Kollegen entwickelte er eine interaktive Laborsoftware, mit der Forscher Daten digital festhalten und sich zugleich über eine Plattform mit Unternehmen und global agierenden Organisationen über Versuchsreihen und Forschungsansätze austauschen können.
Standortvorteil Berlin
„Wissenschaft wird immer kooperativer“, sagt Bungers. Seine Plattform soll Forschung schneller, glaubwürdiger und effizienter machen. Mit der Software und seinem Unternehmen Labfolder verdient der Erfinder mittlerweile seinen Lebensunterhalt – den Job als Wissenschaftler hat Bungers an den Nagel gehängt. Firmenkunden können sich per Abonnement an die Datenmanagement-Plattform von Labfolder andocken.
Warum der Gründer ausgerechnet Berlin als Standort für sein Unternehmen gewählt hat und nicht in Göttingen geblieben ist, liegt auf der Hand: Neben zahlreichen Startups gibt es in der Stadt genügend Fachkräfte und auch viele Unternehmen, die selbst Labore unterhalten oder mit diesen zusammenarbeiten. Laut Bungers gibt es weltweit rund 400.000 und in Deutschland etwa 20.000 Labore, die Hälfte davon in der Forschung.
Berlin-Brandenburg soll vorangehen
Vier Jahre nach der Firmengründung beschäftigt Labfolder 20 Mitarbeiter aus 14 Nationen und zählt unter anderem die Max-Planck-Gesellschaft sowie das Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIG) zu seinen Kunden. Künftig kooperiert das Unternehmen auch mit dem Diagnostik-Netzwerk Berlin-Brandenburg: Die 66 angeschlossenen Partnerunternehmen und Forschungseinrichtungen aus der Region sollen ihre Forschungsdaten mithilfe von Labfolder ins digitale Zeitalter überführen.
Das Diagnostik-Netzwerk will das elektronische Laborbuch nicht nur für Forschungskooperationen, sondern auch für kommerzielle Entwicklungsprojekte nutzen. Durch die Kooperation können die angeschlossenen Partnerunternehmen des Netzwerks ihre Daten in einem einheitlichen Format organisationsübergreifend ablegen und Kunden und Kooperationspartnern auf einem sicheren und verschlüsselten Übertragungsweg freigeben.