Am wertvollsten deutschen Startup beteiligt. Yaron Valler hat einst die Computerchips von Intel mit gestaltet. Nun investiert er als Wagniskapitalgebers in Startups. Foto: Thilo Rückeis

Die Einhornjäger vom Schinkelplatz

Mit 600 Millionen Euro Kapital gehört Target Global zu den größten deutschen Investoren. Woher das Geld kommt – und wo sie es als nächstes einsetzen wollen.

Wer täglich mit Millionen jongliert, hat wohl auch zu seiner Büroeinrichtung ein besonderes Verhältnis. Yaron Valler ist gerade in die neuen Räumlichkeiten am Berliner Schinkelplatz eingezogen, auf den Tischen leuchten die Computer, doch sonst fehlt noch das meiste – selbst Zwischenwände für die Mitarbeiter müssen noch eingezogen werden. Auch der Tresor steht noch auf dem Boden, pragmatisch wie Valler ist, nutzt er den grauen Geldschrank derweil als Türstopper.

Der 47-jährige investiert in großem Stil in Startups. 600 Millionen Euro managt sein Wagniskapitalfonds Target Global, damit ist es nach den Beteiligungsfirmen der Samwer-Brüder der größte Startup-Investor der Hauptstadt. Und auch europaweit gibt es kaum eine handvoll anderer Fonds mit so viel Geld. Trotzdem ist Target Global selbst in der Szene viel weniger bekannt als Rocket Internet oder Atomico von Skype-Gründer Niklas Zennström. Vielen ist nicht einmal bewusst, dass Target in Berlin sitzt.

Das soll sich künftig ändern und der Umzug ist der erste Schritt dahin. Eigentlich wollten die Investoren auch schon seit Monaten in neuen Räumen sitzen. „Doch in Berlin ein passendes Büro zu finden, war eine riesige Herausforderung“, sagt Valler. Bislang hatten sich Valler und sein Team in einem Coworking-Space eingemietet. Damit waren sie zwar ganz nah dran an neuen Ideen, doch für Gespräche mit vermögenden Familien oder Großkonzernen, die Target mit neuem Kapital versorgen könnten, ist der jetzige Sitz deutlich repräsentativer. Aus dem Fenster blickt Valler auf den Berliner Dom und kann live die Fortschritte beim Wiederaufbau des Stadtschlosses gegenüber mitverfolgen.

Ursprünge in Russland

Dass Target Global bislang so wenig als großer deutscher Investor wahrgenommen wurde, hat auch mit den Ursprüngen des Unternehmens zu tun. Die beiden Russen Alexander Frolov und Michael Lobanov starteten ursprünglich 2012 in Moskau unter dem Namen Target Ventures. Beide hatten hervorragenden Zugang zu Kapital: Lobanov hatte zuvor für einen der größten russischen Vermögensverwalter gearbeitet, Frolovs gleichnamiger Vater hat große Beteiligungen an Rohstoffunternehmen und ist Chef des Stahlriesen Evraz. Das US-Magazin Forbes schätzt sein Vermögen auf 2,4 Milliarden Dollar.

„Für einen Wagniskapitalgeber sind der Zugang zu Kapital und der Kontakt zu außergewöhnlichen Startups das A und O“, sagt Valler. Doch großartige Startups zu finden, erwies sich in Russland als deutlich schwieriger. So verlagerten die beiden schnell ihren Fokus. Die erste große Investition im Ausland war eine Beteiligung am Berliner Lieferdienst Delivery Hero („Lieferheld“, „Foodora“). Nachdem sie das Potenzial der hiesigen Jungunternehmen entdeckt hatten, verlegten sie vor etwa drei Jahren gleich den Sitz nach Berlin, benannten den Fonds in Target Global um und holten die Startup-Experten Shmuel Chafets und Yaron Valler als General Partner an Bord.

Berliner Startup-Urgestein angeheuert

Valler ist selbst ein Computernerd. Der gebürtige Israeli war am Design von Intels zweitem Pentium-Prozessor beteiligt, gründete und verkaufte selbst einige Firmen. Dann kam er nach Berlin und begann 2010 für den Fonds von SAP-Mitgründer Hasso Plattner in junge Unternehmen zu investieren. „Die Startup-Szene ist damals beinahe aus dem Nichts entstanden“, erinnert sich Valler. Damals lernte er auch Lukasz Gadowski kennen, Gründer des T-Shirt-Bedruckers Spreadshirt und dann am Aufbau von StudiVZ oder Lieferheld beteiligt. „Deutschland verdankt Leuten wie Oliver Samwer und Lukasz Gadowski extrem viel“, sagt Valler. Und Urgestein Gadowski, aus dessen damaligem Privatblog das Fachportal „Gründerszene“ hervorging, hat Target Global inzwischen auch angeworben.

Einhorn und Taschenrechner. Target-Global-Partner Valler an seinem Schreibtisch. Foto: Thilo Rückeis

Gemeinsam gehen sie nun auf Einhornjagd. Eine große, bunte Plüschversion steht auf dem Fensterbrett von Valler. Das Fabeltier symbolisiert den Traum aller Investoren, mit dem englischen Wort Unicorn werden Startups bezeichnet, die mit einer Milliarde bewertet werden. Mit Auto1 hat Target Global das derzeit am höchsten gehandelte deutsche Jungunternehmen im Portfolio. Der Betreiber des Gebrauchtwagenportals Wirkaufendeinauto.de brachte es zuletzt auf 2,9 Milliarden Euro.

Wer wird das nächste Spotify?

Doch wie viele hiesige Jungunternehmen haben überhaupt dieses Potenzial? Berlin mag deutsche Startup-Hauptstadt sein, doch seit Delivery Hero vor einem Jahr ist kein Milliardenverkauf in Sicht. Dagegen kam aus Schweden in diesem Jahr erst der Megabörsengang des Musikdienstes Spotify, gerade kaufte dann Paypal das Kreditkartenleser-Startup iZettle für mehr als zwei Milliarden Dollar.

„Es gibt hier fünf bis sieben Firmen, die genauso interessant sind“, sagt Valler. Neben Auto1 zählt er dazu das Reiseportal GoEuro oder den Versicherungsvergleich WeFox – na klar, an beiden ist Target beteiligt. Insgesamt hat das Unternehmen sogar in sechs sogenannte InsurTech-Startups investiert, die den Versicherungsmarkt mit neuen digitalen Angeboten revolutionieren wollen.

Investition in Facebook ausgelassen

„Banken und Versicherungen hatten über Jahrhunderte eine Lizenz zum Geld drucken und daher keine Notwendigkeit für Innovationen“, sagt Valler. Das übernehmen nun Startups wie die Smartphonebank N26. Noch einer der Topkandidaten, auch wenn der Investor hier nicht zum Zuge kam. Zu Vallers „Anti-Portfolio“ der ausgelassenen Investitionen gehören sogar Facebook und Instagram - obwohl er die Gelegenheit hatte. Doch auch das gehört zum Geschäft.

Zumal sich immer mehr Geldgeber in Berlin drängeln. Der High-Tech-Gründerfonds hat gerade ein Büro um die Ecke eröffnet, der Wagniskapitalarm von Intel ist kürzlich an den Potsdamer Platz gezogen und La Famiglia, ein Fonds von Mitgliedern der Unternehmerfamilien Siemens, Miele, Braun oder Svaroski sitzt gar nur einen Hauseingang weiter.

Um sich gegen die Konkurrenz abzusetzen verfolgt Target einen anderen Ansatz. „In der Regel müssen Startups alle paar Jahre die Partner wechseln“, sagt Valler. Denn viele Investoren konzentrieren sich mit kleineren Summen auf die Startphase, andere steigen dann mit höheren Beträgen ein, wenn die Startups wachsen. „Wir wollen die Unternehmen über den kompletten Zyklus begleiten“, sagt Valler.

Eine weitere Revolution erwartet er durch Flugtaxis. „Fliegende Autos waren lange Science Fiction, nun werden sie Realität und Deutschland ist ganz vorn dabei“, schwärmt der Investor. Privat hat er, wie auch Partner Gadowski, schon in die bemannten Drohnen von Volocopter investiert. Und auf der Jagd nach dem nächsten Einhorn könnte auch Target Global bald in diesem Bereich aktiv werden.