Zurückkaufen bitte!
Es ist vermutlich kein Zufall, dass Heiner Kroke, Chef von mehr als 1200 Mitarbeitern, mit einer gebraucht gekauften Jeans zum Interview-Termin erscheint. Er ist Hauptgeschäftsführer von Momox, einem Berliner Online-Händler von gebrauchten Büchern, CDs, Filmen, Spielen und Second-Hand-Kleidung. „Ich bin ein sehr treuer Kunde“, sagt Kroke. Vor vier Jahren kam er von der Schweizer Auktionsplattform Ricardo in die Büros der Unternehmenszentrale in der Frankfurter Allee. „Weil ich super spannend fand, dass man nicht nur eine Plattform anbietet, sondern physisch an- und verkauft.“
Den Überfluss in eine Versandbox
Persönlich genutzt hat Kroke auch schon Ricardo und Ebay, wo er ebenfalls davor gearbeitet hat – „aber eher auf der Käuferseite“. Verkaufte er doch einmal selbst etwas, stellte er fest, dass es recht aufwendig war. Vor allem dafür, dass er am Ende nur wenige Euro bekam. Mit dem Smartphone und der Momox-App ging er dann in der Weihnachtszeit einmal mit seiner Tochter durch die heimischen Regale. Die beiden scannten die Barcodes von Büchern, CDs und DVDs, packten alles in Kartons und schickten es an Momox. Schon waren sie einen guten Teil ihrer nicht mehr benötigten Medien los, wenig später kam das Geld dafür.
Gerade mit dieser Einfachheit werben die sogenannten Re-Commerce-Anbieter wie Momox oder Rebuy, das ebenfalls in Berlin beheimatet ist. Die modernen Trödler kaufen im Netz gebrauchte Artikel zum Festpreis an und verkaufen sie dann wieder weiter – ein Angebot, das immer mehr Menschen nutzen.
Das zeigt sich auch am Umsatz: Von fünf Millionen Euro im Jahr 2008 schnellte er bei Momox auf 150 Millionen Euro im vergangenen Jahr hoch. Rebuy verzeichnete mit seinen etwa 500 Mitarbeitern von 2015 zu 2016 einen Umsatzsprung von 28 Prozent auf fast 90 Millionen Euro.
Schon lange keine Startups mehr
Beide Unternehmen sind dem Startup-Stadium bereits entwachsen. Sie schlagen Millionen Artikel um und zählen mittlerweile zu den größten und bekanntesten Re-Commerce-Anbietern in Deutschland – und sie sind profitabel.
Rebuy, das auch mit Elektronikgeräten handelt, habe im vergangenen Oktober dauerhaft die Gewinnzone erreicht, sagt Geschäftsführer Torsten Schero. Auch er bringt Erfahrung vom großen Onlinehandel mit: Schero kam vor einem Jahr von Amazon. Nach seiner Überzeugung steht auf dem Re-Commerce-Markt in den kommenden Jahren eine Konsolidierung bevor, bei der deutlich weniger Anbieter übrig bleiben werden als heute, wo sich dort Dutzende, teils hoch spezialisierte Händler tummeln.
Besitz wird flexibel
Die Zeichen stehen insgesamt aber auf weiterem Wachstum. Das glauben zumindest nicht nur Schero und Momox-Chef Kroke. „Der Bereich wird sicherlich wachsen, weil die Menschen nicht mehr so viel Wert darauf legen, alles selbst besitzen zu müssen“, sagt Julia Miosga, Handelsexpertin des Branchenverbands Bitkom. Re-Commerce sei dabei flexibler und komfortabler als der klassische Flohmarkt. Der ökologische Faktor spiele ebenfalls eine Rolle.
Das Konzept sei im Grundsatz sinnvoll, teilt das Umweltbundesamt auf Anfrage mit. Re-Commerce entspreche dem Ansatz der Kreislaufwirtschaft, Produkte möglichst lange zu nutzen. Allerdings bleibt die Behörde skeptisch, ob das Geschäft mit gebrauchten Gütern tatsächlich den Ressourcenverbrauch senken wird. Denn obwohl in diesem Bereich die Umsätze steigen, lege zugleich auch das Konsumniveau bei neuen Produkten zu). Wichtig wäre, dass Second-Hand-Artikel anstelle und nicht zusätzlich zu neuen gekauft werden, heißt es.
Die Media Markt & Co mischen mit
Auch große Unternehmen sind am Re-Commerce-Markt aktiv. MediaMarktSaturn erwarb schon 2012 einen Anteil am Frankfurter Anbieter Flip4new. Dieser wickelt das Geschäft ab und prüft erworbene Altgeräte. Kunden erhalten einen Gutschein in Höhe des Restwerts. Amazon verkauft derweil zurückgesendete und geprüfte Ware stark reduziert. Zudem bietet der Handelsriese erneuerte Elektronikartikel an. Seit vergangenem Jahr mischt auch Ebay mit einem An- undVerkaufsservice für gebrauchte Damenmode und Elektronik mit. Dazu arbeitet die Plattform mit Mädchenflohmarkt und ebenfalls mit Flip4new zusammen. Amazon und Ebay sind zudem als Verkaufskanäle für Re-Commerce-Spezialisten wie Momox und Rebuy wichtig. Momox etwa zählt dort zu den größten Verkäufern weltweit.
Christoph Wenk-Fischer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel, zählt indes auch das Verleihen von Artikeln zum Re-Commerce-Geschäft. „Alles, was teuer ist, was Marke ist und was einen bestimmten Lebensstandard ausdrücken soll, wird heutzutage angekauft und wieder weiterverkauft, oder eben auch verliehen“, sagt er. Wie groß das Thema werde, sei aber noch nicht absehbar. Otto und Media Markt testen derzeit, ob sich das Verleihen von Geräten für sie lohnt. Die ersten Erfahrungen fallen positiv aus. „Große Unternehmen machen es oft aus wirtschaftlichen Interessen, aber es spielt auch für das Image eine Rolle, und das ist heutzutage für viele auch ein wichtiger Faktor“, meint Wenk-Fischer.
Wird Leihen das neue Haben?
Theoretisch könnte das Leihgeschäft das Modell der An- und Wiederverkäufer kannibalisieren. Rebuy-Chef Schero glaubt aber nicht daran: „Das Marktsegment ist so riesig, von daher glaube ich, dass für beide Geschäftsmodelle Platz ist.“ Gerade geht es bei Rebuy und seinem Konkurrenten Momox darum, sich weiter zu internationalisieren. Beide sind bisher neben Deutschland noch in zwei, drei weiteren Ländern auf dem Markt und wollen das Auslandsgeschäft in näherer Zukunft ausbauen.
Momox-Chef Kroke schätzt, dass der Handel mit gebrauchten Gütern etwa zehn Prozent des Verkaufs von neuen Artikeln ausmachen könnte. Bei einem europäischen E-Commerce-Markt im dreistelligen Milliardenbereich ist also noch viel Platz nach oben. Bleibt die Frage, ob sich die beiden Berliner Anbieter dabei langfristig durchsetzen werden. Kroke meint, man habe einen Wissens- und Technologievorsprung gegenüber den großen Handelsriesen. Momox und Rebuy wollen nach eigenem Bekunden auf jeden Fall eigenständig bleiben und im Gegensatz zu ihrem Angebot nicht selbst weiterverkauft werden.