Wenn Bilder Leben retten
“Für Ärzte gibt es zwei Zeitrechnungen“, sagt Rolf Krause von der Universität Lugano. „Sofort und morgen früh.“ Der Unterschied kann in der Herzchirurgie ein Leben bedeuten. Um Herzleiden schneller beurteilen zu können, werden daher ständig neue computerbasierte Analysewerkzeuge entwickelt. Allerdings sammeln die Geräte zunehmend so große Datenmengen, dass es schwer ist, darin überhaupt etwas zu sehen.
Dieses Problem teilt die Medizin mit vielen Wissenschaften, zeigt Hans-Christian Hege. Der Leiter des Forschungszentrums für visuelle Datenanalyse am Zuse-Institut in Berlin hat mit seinen Kollegen etliche medizinische Visualisierungstechniken entwickelt. Vor allem aber sagt er: „Visualisierungen sind nichts Neues.“ Hege zeigt lächelnd auf eine Zeichnung Leonardo da Vincis: eine groteske Maschine, ein Bildnis einer Konstruktionsidee. Wer eine Maschine abzubilden vermag, kann sie bauen lassen – das ist das Prinzip einer Simulation. Zuerst Genau das können inzwischen sogar schon Studenten, weil Simulationsprogramme es einfacher machen.
Sichtbar machen, was das Auge nicht sieht
Noch interessanter jedoch sind Visualisierungen von Dingen, die wir nicht sehen können. So entwickelten sich schon seit den 50er-Jahren parallel mit Computern erste Visualisierungstechniken. „Das war zu Beginn nicht viel mehr als ein Strich zur Darstellung eines Grafens“, erzählt Hege. In den 60ern hingegen begannen in Deutschland bereits Künstler rund um Max Benze, zu erproben, wie man mit Computern Kunst machen könne. Parallel gelang es in den USA den ersten Forschern, erste bewegte Simulationen auf ihren Röhrenmonitoren darzustellen – die Umlaufbahnen von Satelliten beispielsweise.
Heute sind das unter anderem die Bewegung von Luftpartikeln, die Struktur sozialer Netzwerke oder eben Blutflüsse im Herzen. Wer misst, wie Windturbulenzen sich über einem Flughafen verhalten, kann anschließend simulieren, ob neue Turbulenzen auf der Landebahn entstehen könnten, wenn ein neues Terminal daneben entsteht. Oder ein Orthopäde kann erst einen Körper dreidimensional scannen, um dann anhand einer Simulation zu entscheiden, wo sich ein Implantat im Knie idealerweise platzieren ließe. Es sind Bilder, die einen neuen Blickwinkel auf die Realität ermöglichen, sodass ihre Zukunft formbar wird.
Visualisierungen wissen noch nichts über ihre Betrachter
Eine große Herausforderung bleibt dabei jedoch, erzählt Hege. Bisher wisse der Computer zumeist nicht, was sein Benutzer weiß. Würde er beispielsweise die Augenbewegungen des Betrachters einer Visualisierung messen, könnte er erkennen, welchen Teil eines Bildes der Mensch übersehen hat: Die entscheidende Stelle an der Herzklappe vielleicht, wo selten Störungen auftreten, bei genau einem Patienten jedoch sein Leben davon abhängt.