Frauen verdienen in Startups 25 Prozent weniger als Männer
Sie sind jung, sie sind kreativ, und sie wollen nicht weniger als die traditionelle Wirtschaftswelt revolutionieren – doch wenn es um Bezahlung geht, sind Start-ups ganz und gar nicht fortschrittlich. Im Gegenteil: Frauen verdienen in der Gründerszene im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen sogar noch schlechter als in der Wirtschaft insgesamt.
2500 Euro für Frauen, 3333 Euro für Männer
Während der sogenannte Gender Pay Gap in der deutschen Durchschnittsfirma bei 22 Prozent liegt, erhalten Frauen in Start-ups mit monatlich 2500 Euro sogar 25 Prozent weniger Gehalt als Männer – die mit 3333 Euro nach Hause gehen. „Disruption“ sieht anders aus.
„Die Ergebnisse haben uns sehr überrascht, wir hätten von jungen Unternehmen erwartet, dass sie sich auch bei gerechter Bezahlung innovativer zeigen“, sagt Robin Eric Haak, Gründer und Geschäftsführer des Karriereportals Jobspotting. Zusammen mit der Hochschule Aalen und dem Branchendienst BerlinStartupJobs hat Haak die Gehälter in der Start-up-Szene analysiert. Rund 3400 Mitarbeiter aus der deutschen Tech- Szene wurden dafür befragt, 63 Prozent der Befragten arbeiten bei Start-ups, rund 60 Prozent leben in Berlin.
Männer werden entlang aller Aufgabenbereiche besser bezahlt
„Männer werden entlang aller Aufgabenbereiche und Erfahrungslevel deutlich besser bezahlt“, heißt es in der Studie. Dies würde sowohl für Berliner wie auch Nicht-Berliner-Befragte aus Start- ups gelten. „Ich glaube allerdings nicht, dass Frauen hier bewusst diskriminiert werden“, erklärt Haak – vielmehr sei die Lohnungleichheit wohl durch zwei wesentliche Gründe bedingt: „Zum einen verhandeln Frauen ihr Gehalt oft schlechter als Männer“, meint Haak. „Während Männer bei einem niedrigen Gehalt sagen: ,Wollt Ihr mich verarschen?‘, ist die Reaktion von Frauen eher: ,Ok, ich nehm’s‘“. Der zweite und wohl entscheidende Grund sei jedoch, dass Männer eher noch immer in den Bereichen Software und Technik dominieren, die in Start-ups besonders gefragt und entsprechend besser bezahlt werden würden.
Spitzenverdiener sind Software-Entwickler
Zwar hat die Studie die Lohnungerechtigkeit durch alle Bereiche eines Unternehmens hinweg ausgemacht, dennoch erwartet Haak eine Verringerung der Gender Pay Gap, wenn Frauen in den technischen Berufen präsenter werden würden.
Denn Software-Entwickler sind der Studie zufolge die Spitzenverdiener in den Start-ups: Berufsanfänger verdienen durchschnittlich 2900 Euro, mit zehn Jahren oder mehr Erfahrung sind es 5000 Euro. Im Bereich Marketing dagegen, wo Frauen oft dominieren, erhalten Berufsanfänger nur 2092 Euro, bei zehn Jahren und mehr Berufserfahrung sind es 3300 Euro. Das Durchschnittsgehalt in Start-ups über alle Bereiche hinweg liegt bei 2337 Euro für Einstiegspositionen, wer mehr als zehn Jahre Berufserfahrung aufweist, erhält im Schnitt 4603 Euro.
Wer sein Studium abbricht, verdient mehr
Interessant ist die Studie allerdings nicht nur mit Blick auf die Ungleichbehandlung der Geschlechter. Sondern auch in Bezug auf einen Universitätsabschluss: Sechs Prozent der Befragten gaben an, ihr Studium abgebrochen zu haben – verdienten aber mehr als diejenigen, die einen Hochschulabschluss hatten (abgesehen von Absolventen eines Promotionsstudiums). „Ausschlaggebend ist hier wahrscheinlich die längere Berufserfahrung, die gerade bei Unternehmen, die sich im Aufbau befinden, gefragt sein kann“, erklärt Haak.
Sind die Ergebnisse aber tatsächlich typisch für die Branche? „Grundsätzlich gilt, dass wir kaum Mitarbeiter ohne Universitätsabschluss beschäftigen“, erklärt ein Sprecher von Berlins bekanntester Start-up-Schmiede Rocket Internet. Daher könne diese Aussage der Studie nicht bestätigt werden. Auch mache das Unternehmen keine Unterschiede bei der Bezahlung von Männern und Frauen. „Bei Rocket Internet gilt: Frauen verdienen in gleicher Position ebenso viel wie Männer“, sagt der Sprecher. „Wir bemühen uns außerdem stetig, mehr Positionen insbesondere im IT-Bereich und als Unternehmensgründer mit Frauen zu besetzen.“
Zalando will mehr Transparenz beim Gehalt
Beim Berliner Online-Modehändler Zalando, der aus der Rocket-Schmiede kommt, ist für den Tech-Bereich ein „offer committee“ etabliert worden, dessen Mitglieder entscheiden, welches Gehalt einem Bewerber bei einer Neueinstellungen angeboten wird. „Zudem haben wir Prüf-Mechanismen installiert, durch die Gehälter regelmäßig geprüft, verglichen und dann gegebenenfalls auch angepasst werden“, teilt eine Sprecherin mit.
Damit nähert sich das Unternehmen an die amerikanische Kultur an, Gehälter bereits in den Stellenausschreibungen zu veröffentlichen. In Deutschland ist die Höhe des Einkommens dagegen immer noch ein Tabu-Thema, Transparenz herzustellen ist damit nur schwer möglich. Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig will deshalb Tranzparenzregeln in Unternehmen für mehr Lohngerechtigkeit einführen.
Der Anteil an Start-up-Gründerinnen wächst
Das allein wird jedoch nicht reichen. Florian Nöll, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Start-ups, betont, dass es noch „mehr weibliche Gründer geben muss, die eine Vorbildfunktion einnehmen und Frauen Mut machen, ebenfalls ihr eigenes Start-up zu gründen.“ Er könne hier bereits eine positive Entwicklung feststellen: Lag der Anteil an Gründerinnen 2014 noch bei zehn Prozent, waren es 2015 bereits 13 Prozent. Auch Udo Schloemer, Chef des Berliner Start-ups Campus Factory, verweist auf „die Erfolgsgeschichten von Edition F, Bloomy Days und Outfittery“, die zeigten, „dass Frauen einige der wichtigsten deutschen Startups aufgebaut haben und erfolgreich führen.“ Um die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen in Zukunft zu verringern, seien „Transparenz und die gezielte Förderung von Ideen und Innovationen von Jungunternehmerinnen wichtig“.
Ob die Chefinnen ihren Kolleginnen dann auch gerechtere Gehälter zahlen, ist wiederum eine andere Frage.