Angriff. Mit extrem teuren Werbekampagnen versucht Lieferando, die anderen Liferdienste zu übertrumpfen. Foto: Cay Dobberke

»Es kann nur einen geben«

Wie Essenslieferdienst Lieferando die Essensschlacht gegen Delivery Hero gewinnen will.

Immer wenn Jitse Groen auf seine Landkarte schaut, bekommt er eigentlich gute Laune. Er ist Chef von Takeaway.com, einem niederländischen Essenslieferdienst-Konzern, zu dem auch der deutsche Anbieter Lieferando gehört. Auf seiner grauen Europakarte zeigt er die Ausbreitung seines Lieferdienstimperiums: Es erstreckt sich von Belgien bis Polen und von der Ostseeküste bis zu den Alpen. Die Karte zeigt dort eine große, beinahe durchgehend orangene Fläche, nur gelegentlich tauchen blaue oder rote Tupfen auf. Die Farben zeigen, wo Takeaway seinen Kunden mehr Restaurants zum Bestellen anbietet, als konkurrierende Lieferdienste. Und die riesige orangene Fläche ist damit für Groen ein Beleg für die Dominanz seines Unternehmens - auch in Deutschland.

Nur eines ärgere ihn, sagt Groen und zeigt auf einen großen roten Fleck in Brandenburg. „Das ist irgendein Waldgebiet im Norden von Berlin“, sagt er. Der Unternehmer meint die Schorfheide. Geschäftlich spielt das ehemalige Jagdgebiet im Westen von Eberswalde eigentlich keine große Rolle, doch die Symbolik ärgert den Niederländer.

Lieferando sieht sich als Nummer Eins in Deutschland

Denn ansonsten hat er es geschafft, Lieferando zur Nummer Eins in Deutschland zu machen. So antworteten bei einer Studie der GfK 39 Prozent auf die Frage, was der bekannteste Lieferdienst sei: Lieferando. Der Nächstplatzierte kam nur noch auf 13 Prozent. Mit solchen Zahlen ärgert der Niederländer vor allem Delivery Hero. Das Berliner Unternehmen ist weltweit der größte Essenslieferdienst. In mehr als 40 Ländern können die Kunden per App oder online Pizza, Pasta & Co. bestellen. Im Vorjahr legte das Unternehmen den größten deutschen Börsengang des Jahres hin, wächst seither weiter kräftig und ist nun mehr als sechs Milliarden Euro wert.

Doch während Delivery Hero nach eigenen Angaben in 36 Ländern die Nase vorn hat, stiehlt dem Unternehmen ausgerechnet im Heimatmarkt der niederländische Konkurrent die Show. „Wir schätzen, dass wir in Deutschland inzwischen 20 Prozent mehr Bestellungen haben als die Nummer Zwei und Drei zusammen“, sagt Groen. Damit meint er Lieferheld und Pizza.de, die beiden deutschen Hauptmarken von Delivery Hero.

Der Absturz von Pizza.de

Machtanspruch. Lieferando-Chef Jitse Groen sieht seine Firma Lieferando klar im Vorteil. Foto: promo

Zum Beleg zeigt er eine Grafik, auf der die Besucherzahlen der Webseiten zu sehen sind. Dort zeigt sich, wie seit 2014 der Marktanteil von Lieferando von etwa 20 auf über 50 Prozent geklettert ist. Lieferheld erreichte relativ konstant etwa 25 Prozent. Dagegen ist Pizza.de von fast 50 auf 20 Prozent abgestürzt.

Delivery Hero hatte den einstiegen Platzhirsch 2014 für 240 Millionen Euro gekauft. Haben die Berliner Pizza.de dann zu sehr vernachlässigt? Oder etwa Lieferheld den Vorzug gegeben, der eigenen Marke die schließlich die Keimzelle der Delivery-Gruppe war und sich schon in der Vergangenheit immer wieder erbitterte Auseinandersetzungen mit Lieferando geliefert hat?

Ein Blick auf die Werbeausgaben legt diesen Schluss nahe. Nach einer Analyse des Marktforschers Nielsen hat Pizza.de im Vorjahr knapp 20 Millionen Euro in Anzeigen und TV-Spots investiert, Lieferheld hatte hingegen drei Mal soviel zur Verfügung.

Delivery Hero positioniert Pizza.de als Marke für „preissensible Kunden wie Studenten und Computerspieler“, Lieferheld richtet sich dagegen an Familien und „young professionals“. Doch es ist weniger das Image einer Billigmarke, das zum Absturz des einstigen Marktführers führte. Nach dem Pizza.de-Kauf sollte die Technik zusammengeführt und ein gemeinsames Softwaresystem für Lieferheld und Pizza.de eingeführt werden. Doch das war schwieriger als gedacht, vor dem Börsengang holten die Berliner sogar den Technikchef von Rocket Internet, um das Integrationsproblem zu lösen. „Seit der Migration sehen wir ein sehr starkes Wachstum“, hatte Delivery-Chef Niklas Östberg Ende 2017 gegenüber Börsenanalysten erklärt.

Der Schwede lässt sich daher auch nicht von den Sticheleien des Konkurrenten aus der Ruhe bringen. Zumal er der Behauptung entschieden widerspricht, Lieferando würde in Deutschland mehr Aufträge abwickeln als Lieferheld und pizza.de zusammen. „Wir haben in Deutschland mehr Aufträge abgewickelt als unsere Mitbewerber“, behauptet Östberg. Und dabei sei noch nicht einmal der Lieferdienst Foodora mit eingerechnet, der mit seinen Fahrradkurieren für Restaurants ausliefert, die keine eigenen Fahrer haben. Und Östberg betont, dass sein Unternehmen deutlich weniger für das Marketing ausgebe.

100 Millionen für Werbung

Tatsächlich ist das Wachstum von Lieferando teuer erkauft. Denn das Unternehmen steckte im Vorjahr mehr als 100 Millionen Euro in Werbung und damit 22 Millionen mehr als die Konkurrenten von Delivery zusammen. Schließlich geht es Groen immer noch darum, Marktanteile zu gewinnen. Dafür nimmt er auch in Kauf, dass sein Unternehmen hierzulande Verluste schreibt. Denn die Niederländer gehen davon aus, dass einige der jetzigen Anbieter nicht überleben werden. „In jedem großen Land der Welt kann es nur einen Anbieter geben“, sagt Groen.

Tatsächlich ist diese Konsolidierung schon im Gange. So haben Takeaway und Delivery Hero den Kampf um Großbritannien aufgegeben und teilweise ihre Töchter an den dortigen Konkurrenten Just Eat abgegeben. Irgendwann rechnet Groen mit einer solchen Entwicklung auch in Deutschland und bringt dabei auch einen Zusammenschluss mit Delivery Hero ins Spiel: „Eine Fusion wäre eine Option“.

Der größte Konkurrent ist das Telefon

Doch erst einmal gehe es darum, weiter zu wachsen. Schließlich sei das Geschäft in den Niederlanden noch größer als in Deutschland, obwohl das Land nur ein Fünftel der Bevölkerung hat. Doch während schon fast jeder Vierte Holländer online Essen bei ihm bestellt, sind es in Deutschland erst sechs Prozent. Der Markt hinke hier generell noch hinterher sagt Groen: „Unser Hauptkonkurrent ist daher auch nicht Delivery Hero, sondern das Telefon“.